2. und 3. KHVVG-Lesung 374 Ja-Stimmen – Krankenhausreform passiert Bundestag

Trotz massiver Kritik hat der Bundestag heute die Krankenhausreform beschlossen. Der Gesetzentwurf muss Ende November noch durch den Bundesrat. Er ist dort zwar nicht zustimmungsbedĂŒrftig, kann aber im Vermittlungsausschuss aufgehalten werden.

Weniger KrankenhĂ€user, dafĂŒr bessere QualitĂ€t und mehr Spezialisierung – das sind die Ziele einer großangelegten Krankenhausreform, die der Bundestag heute beschlossen hat. Nach zwei Jahren Vorbereitung brachten SPD, GrĂŒne und FDP das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) in namentlicher Abstimmung mit ihrer Mehrheit auf den Weg. Die Opposition lehnte die PlĂ€ne ab. BefĂŒrchtet wird etwa eine Verschlechterung der Versorgung.

Abbau von 400 Kliniken?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einer „Revolution“ und der grĂ¶ĂŸten Reform seit 20 Jahren. Die Ziele: weniger Finanzdruck und mehr Spezialisierung bei komplizierteren Eingriffen. Damit soll die BehandlungsqualitĂ€t in deutschen KrankenhĂ€usern gesteigert und ein flĂ€chendeckendes Netz guter Kliniken im Land erhalten werden. Kliniken, die nicht notwendig seien, wĂŒrden abgebaut oder umgewandelt.

Vorgesehen ist, die bisherige VergĂŒtung mit Pauschalen fĂŒr BehandlungsfĂ€lle in Kliniken zu Ă€ndern. KĂŒnftig sollen sie 60 Prozent der VergĂŒtung schon fĂŒr das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll den Druck senken, möglichst viele FĂ€lle zu behandeln. Die konkrete Umsetzung der Reform soll Schritt fĂŒr Schritt ĂŒber mehrere Jahre erfolgen, wird also fĂŒr Patienten nicht sofort spĂŒrbar sein. Der Verwaltungsaufwand in den KrankenhĂ€usern soll zudem reduziert werden durch EntbĂŒrokratisierungsmaßnahmen, wie der Harmonisierung und Vereinfachung von PrĂŒfverfahren. Die PrĂŒfintervalle fĂŒr StrukturprĂŒfungen werden auf drei Jahre verlĂ€ngert. Pflegeentlastende Maßnahmen werden pauschal anerkannt. Der Fixkostendegressionsabschlag wird abgeschafft, so das Bundesgesundheitsministerium.

Die Kritikpunkte

Oppositionspolitiker kritisierten das Ampel-Vorhaben. So fehle eine Finanzierung fĂŒr die Übergangsphase, bis die Reform wirke, ebenso wie eine Analyse, wie sich die Reform auswirken werde. GeĂ€ußert wurde außerdem die BefĂŒrchtung, dass sich die Klinik-Versorgung vor allem auf dem Land verschlechtern wird.

Dass auf dem Land ein großes Krankenhaussterben einsetzen werde, sei Schwachsinn, entgegnete die FDP-Gesundheitspolitikerin Christina Aschenberg-Dugnus. „Das wollen wir ja gerade verhindern mit dem Gesetz.“ Lauterbach betonte, dass Abbau nur dort stattfinden solle, wo es eine Überversorgung gebe. Kleinere HĂ€user auf dem Land bekĂ€men ZuschlĂ€ge, damit sie ĂŒberleben könnten. Deutschland habe mit rund 1 700 KrankenhĂ€usern die höchste Krankenhaus- und Bettendichte in Europa, heißt es vom Gesundheitsministerium. Viele Betten seien aber nicht belegt. Kliniken schreiben rote Zahlen.

Das neue Bezahlsystem soll finanziellen Druck mindern und verhindern, dass Kliniken etwa medizinisch unnötige Operationen aus UmsatzgrĂŒnden machen. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen die jeweiligen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche QualitĂ€tsvorgaben absichern.

Auch die PKV sieht Nachteile. Nach diesem Gesetz könnten Kliniken kĂŒnftig ihre Einnahmen verbessern, indem sie weniger Leistungen fĂŒr Patienten erbringen. Dies gebe den KrankenhĂ€usern völlig falsche Impulse. „So drohen neue VersorgungsmĂ€ngel, wenn spezialisierte Kliniken kĂŒnftig weniger Patienten annehmen, weil sie das Geld auch ohne diese Arbeit bekommen“, befĂŒrchtet der PKV-Vorsitzende Thomas Brahm. Überdies verursache die VorhaltevergĂŒtung viel mehr BĂŒrokratie. Auch sollen die Lohnerhöhungen im Krankenhaus zusĂ€tzlich zu den bisher schon auf Landesebene geregelten Erhöhungen des Basisfallwertes von den Krankenversicherungen ĂŒbernommen werden – und das auch rĂŒckwirkend fĂŒr das Jahr 2024.

„Hier droht ein neuer Kostenschub in Milliardenhöhe zu Lasten der Versicherten“, warnt der PKV-Vorsitzende weiter. In seinen Augen sei es zudem verfassungswidrig, die Kosten des geplanten Transformationsfonds zum Umbau der Krankenhausstrukturen anstelle der LĂ€nder nun den Versicherten aufzudrĂŒcken. „Dieser Finanzierungsplan zu Lasten der Versicherten sowohl in der PKV als auch in der GKV ist verfassungsrechtlich unzulĂ€ssig. Er verstĂ¶ĂŸt gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes und gegen das Prinzip der dualen Krankenhausfinanzierung“, kritisiert er. Der Gesetzgeber ignoriere die Warnungen der Experten.

Planvoller Prozess oder Blindflug?

Die gesetzlichen Krankenkassen begrĂŒĂŸen mehr Spezialisierung. Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas sprach von einer richtigen Weichenstellung fĂŒr eine bessere QualitĂ€t in den Kliniken. „Es ist höchste Zeit, dass komplizierte Behandlungen stĂ€rker in grĂ¶ĂŸeren Kliniken zentralisiert werden. Es kann nicht mehr jedes Krankenhaus die komplette Bandbreite der Behandlungen anbieten.“ Die Kassen warnen allerdings auch vor weiteren Kostensteigerungen durch die Reform.

Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kommt grundsĂ€tzliche Zustimmung fĂŒr Ziele der Reform. Auf 20 bis 30 Prozent der Standorte oder 400 HĂ€user könne durch Fusionen oder Umwandlungen durchaus verzichtet werden, sagte DKG-Chef Gerald Gaß im Deutschlandfunk. Er mahnte aber einen „planvollen Transformationsprozess“ an und sprach mit Blick auf die Reform von einem Blindflug.

LÀndern widerstreben die PlÀne

Widerstand droht weiterhin aus den LĂ€ndern, die fĂŒr die Krankenhausplanung zustĂ€ndig sind. Zwar hatte sich Gesundheitsminister Lauterbach optimistisch gezeigt, dass die Reform im Bundesrat nicht aufgehalten wird. Doch die Kritik aus den LĂ€ndern ist weiter stark: So warnte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der LĂ€nder, Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken, mit der Reform sei die Sicherung der Grund- und Notfallversorgung gerade im lĂ€ndlichen Raum akut gefĂ€hrdet und unkontrollierte Klinik-Insolvenzen wĂŒrden sich fortsetzen.

Die CDU-Politikerin forderte eine ÜberbrĂŒckungsfinanzierung bis zum Wirken der Reform und kĂŒndigte an, sich fĂŒr die Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat einzusetzen, um das Gesetz zu verĂ€ndern.

Niedersachsens Gesundheitsminister Philippi schlĂ€gt vor, dass der Bund bis 2027 insgesamt sechs Milliarden Euro an die LĂ€nder verteilt, um KrankenhĂ€user, die in eine Schieflage geraten sind, zu stĂŒtzen und den Übergang in die reformierte Krankenhauslandschaft zu begleiten. Davon könnten drei Milliarden Euro im nĂ€chsten Jahr, zwei Milliarden Euro im Jahr 2026 und eine Milliarde Euro im Jahr 2027 gezahlt werden.

Ein ganz anderes Argument brachte der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul am Freitag ins Spiel: Er warnte im Bundestag mit Blick auf mögliche Klinikschließungen davor, „dass wir diese KrankenhĂ€user in einem militĂ€rischen Notfall zur Versorgung von Soldatinnen und Soldaten dringend brauchen werden“. Wadephul verwies dabei auf die Warnungen deutscher Geheimdienste vor einer zunehmenden Bedrohung durch Russland.

Auch der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEVK) zeigte sich enttĂ€uscht: „Dieser Tag hat den KrankenhĂ€usern leider keine Planungssicherheit gebracht. Das Gesamtpaket ĂŒberzeugt uns nicht, und die KrankenhĂ€user werden finanziell im Stich gelassen“, kritisiert Vorsitzender Christoph Radbruch. „Nun liegt es am Bundesrat, notwendige Nachbesserungen am Gesetz vorzunehmen. Es ist unerlĂ€sslich, dass weitere finanzielle UnterstĂŒtzungen schnellstmöglich bereitgestellt werden – gegebenenfalls auch durch eine raschere Umsetzung in einem anderen Gesetz.“ Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) stimmt zu und meint: „Nach der namentlichen Abstimmung fĂŒr solch ein realitĂ€tsfernes Gesetz tragen die Bundestagsabgeordneten jetzt persönlich Verantwortung fĂŒr die Konsequenzen fĂŒr die KrankenhĂ€user in ihren Wahlkreisen.“

Wie geht es weiter?

Die Ampel-Koalition steht bei der Reform zusammen, wie Lauterbach gern betont. Mit den LĂ€ndern köchelt aber weiter Streit – und abschließend durch den Bundesrat muss das Gesetz am 22. November auch noch. Dabei ist es nicht mehr so angelegt, dass es dort zustimmungsbedĂŒrftig ist. Die LĂ€nderkammer könnte es aber in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schicken und so ausbremsen.

In Kraft treten soll die Reform zum 1. Januar 2025. Umgesetzt werden soll die neue Struktur dann nach und nach bis 2029. Vorgesehen ist, dass die LÀnder bis Ende 2026 ihren Kliniken die jeweils vorgesehenen Leistungsgruppen zuweisen. Die Finanzierung soll dann 2027 und 2028 schrittweise auf das neue System umgestellt werden, wie das Ministerium erlÀutert.

Quelle: dpa/BMG/BKG/enc

 

Ein Klinikum soll so zugĂ€nglich sein wie möglich. Diesen Umstand machten sich mehrere Diebe in MĂŒnchen jetzt zu Nutze und entwendeten teure medizinische GerĂ€te aus einem Krankenhaus.

Vermutlich ĂŒber die Notaufnahme verschafften sich zwischen dem 20. und 21 Juli Personen Zugang zum Harlachinger Krankenhaus in MĂŒnchen. Die Unbekannten stahlen dabei medizinische GerĂ€te im Wert von rund 400 000 Euro.

Die Polizei geht nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass die TÀter die Klinik durch die Notaufnahme betraten und von dort in die UntersuchungsrÀume weiterzogen. Dort nahmen sie den Angaben zufolge unter anderem endoskopische GerÀte mit.

Wie es ihnen gelang, diese unbemerkt aus dem Krankenhaus zu befördern, war am 24. Juli zunÀchst unklar. Die Polizei ermittelt. 

Quelle: dpa/hnle