46. Deutscher Krankenhaustag „Das Krankenhaus ist kein Selbstzweck“

Wie soll die Krankenhausreform ab 2024 aussehen? Was bringt uns das Transparenzgesetz? Und welche Auswirkungen hätte ein Vorschaltgesetz? Mit diesen Fragen befassten sich die Experten auf dem 46. Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf. Der 46. Deutsche Krankenhaustag findet im Rahmen der Medica 2023 in Düsseldorf statt.

Parallel zur Medizintechnik-Messe Medica findet diese Woche in Düsseldorf der 46. Deutsche Krankenhaustag statt. Bei der Eröffnungspressekonferenz und Auftaktveranstaltung äußerten sich die relevanten Stakeholder der Branche unter den Gesichtspunkten Politik und Finanzierung überaus kritisch zum diesjährigen Schwerpunkt „Zeitenwende für Krankenhäuser“.

Kritik und Forderungen

Die Krankenhausreform sollte längst vorliegen, so das einstimmige Credo der Sprecherinnen und Sprecher. Insgesamt wurde ein dramatisches Bild über die finanzielle Situation der deutschen Krankenhauslandschaft gezeichnet: Befürchtungen über ein Krankenhaussterben und bundesweite Standortschließungen im Jahr 2024 waren ebenso Thema wie Kritik an dem im Oktober beschlossenen Transparenzgesetz. Auch blieb es bei den Forderungen nach einem Vorschaltgesetz, das die Liquidität der Krankenhäuser in Zukunft verbessern soll.

Weitere Forderungen betrafen den Abbau von Bürokratie, die Refinanzierung der Kostensteigerungen nebst Inflationsausgleich und eine verstärkte Kooperation zwischen Bund und Ländern. Im Kern ging es dabei um die seit langer erwarteter Reform der Krankenhausstrukturen, in deren Rahmen zukünftig auch ein neues Entgeltsystem Anwendung finden soll.

Im Rahmen der Presseveranstaltung bezogen Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) und der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) Stellung zu den vorgetragenen Kritikpunkten. Mit einem „Klagelied“ zur Rettung der deutschen Krankenhäuser rundete VKD-Präsident Dr. Josef Düllings die Auftaktveranstaltung musikalisch ab: „Save our hospitals from burning out“ forderte er singend mit Gitarre, um auf die prekäre wirtschaftliche Situation der Kliniken aufmerksam zu machen.

Stimmen von der Pressekonferenz

„Wir stehen vor riesigen Herausforderungen durch Demografie, Personal- und Finanznöte“, erklärte Kongresspräsident Dr. Michael Weber, zugleich Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte (VLK), einleitend. Das erfordere effizientere Strukturen durch eine Reform. Die Bereitschaft der Krankenhäuser dafür sei groß. Bund und Länder müssten dafür eng zusammenstehen. Dr. Weber forderte konkretes Handeln durch Angehen der Finanzierung – nicht zuletzt durch ein Vorschaltgesetz – und einen Referentenentwurf für das Krankenhausstrukturgesetz, damit, wie er betonte, „wir endlich diskutieren können, was zur Vorhaltefinanzierung und den Leistungsgruppen drinsteht.“

Mehr Eigenständigkeit für die Pflege

Dr. Sabine Berniger, Pflegedirektorin des Klinikums Josefinum in Augsburg und DBfK-Vorsitzende, erklärte, auch aus Pflegeperspektive sei es gegenwärtig eine sehr bewegte Zeit in der Pflege- und Krankenhauslandschaft: „Kurz nach dem letzten deutschen Krankenhaustag wurde das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz beschlossen“, blickte Berniger zurück. Der Forderung zur Einführung der Pflegepersonalregelung, kurz PPR 2.0, sei man inzwischen mit einer erfolgreichen Erprobungsphase nachgekommen: „Für die professionelle Pflege ganz klar ein Schritt nach vorn“, urteilte sie, denn man setze endlich bei den Patienten und ihrem Pflegebedarf an. 

Die Leitung von Level-1i-Krankenhäusern sollte auch für qualifizierte Pflegefachpersonen möglich sein. 

Der Pflege müsse aber mehr Eigenständigkeit und Verantwortung zugetraut werden, forderte Berniger und führte aus: „Primärversorgungszentren und Level-1i-Krankenhäuser schließen eindeutig eine Versorgungslücke. Ihre Leitung sollte auch für qualifizierte Pflegefachpersonen möglich sein.“ Zudem müsse man in der Bildung zu internationalen Standards aufschließen, z.B. durch das geplante Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG). Einen Schlüssel für das Gelingen einer deutschen Krankenhausreform sieht Berniger in der Vernetzung von ambulanter Versorgung, Krankenhausversorgung, Reha und Langzeitpflege.

Das Transparenzgesetz war unnötig. 

VKD-Präsident Dr. Josef Düllings sprach stellvertretend für die Krankenhausdirektor*innen: Schon 2019 habe man ein Zukunftskonzept deutscher Krankenhäuser gefordert. Davon sei bislang wenig im Gesetz angekommen. Die Zunahme der Insolvenzen beobachte er mit Besorgnis: „Nach der Corona-Pandemie, einer massiv gestiegenen Inflation ohne hinreichenden Inflationsausgleich, den anstehenden Tariferhöhungen und einer seit Jahrzehnten zu niedrigen Investitionsförderung trifft es viele Häuser jetzt besonders hart“, konstatierte er. Das sei jedoch kein Managementversagen, sondern vielmehr „eine gesetzgeberisch induzierte Enteignung der Krankenhäuser.“

Düllings kritisierte auch das vom Bundestag „entgegen aller gut begründeten Kritik“ beschlossene Transparenzgesetz als „unnötig“, da es den Patienten kaum nütze. Für eine erfolgreiche Krankenhausreform formulierte er acht maßgebliche Prioritäten, darunter das Vorschaltgesetz, die Ermittlung der realistischen Umsetzungskosten der Reform, die Entbürokratisierung, die Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie Strukturqualität durch eine ganzheitliche Datennutzung über die gesamte Behandlungskette. 

Wir werden im Regen stehen gelassen. 

„Wir werden im Regen stehen gelassen“, beschrieb Ingo Morell, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die aktuelle Lage der Kliniken: Er bemängelte das fehlende Vorliegen eines umfassendes Reformentwurfs, der „zwischen Bund, Ländern und allen Beteiligten in einem demokratischen Verfahren“ entwickelt werde. Man warte auf das Ende der Dauerkrise, Entbürokratisierung und eine Zentrierung auf Patienten und Mitarbeitende.

„Das Transparenzgesetz wird die Bürokratie steigern und zu Höchstständen bringen“, warnte er. Mehr noch: „Es würde faktisch dazu führen, dass die Kompetenz- und Planungshoheit der Länder ausgehebelt wird.“ Ein Benefit für Politik und Patienten sei für ihn nicht erkennbar. Zudem bestehe die Gefahr, die Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land aus dem Blick verlieren. Auch das Ausbleiben der Tariferhöhung für Krankenhauspersonal hielt er für problematisch.

80 Prozent haben Liquiditätsprobleme

Wie DKG-Präsident Morell ausführte, habe sich die Liquiditätslage bei 80 Prozent der deutschen Kliniken massiv verschlechtert, 60 Prozent könnten sogar Weihnachtsgelder nicht mehr ohne Unterstützung zahlen. Mehr als ein Fünftel überlege deshalb, Leistungseinschränkungen vorzunehmen, wenn zu den regulären Hilfspaketen keine Hilfen für Inflations- und Tarifkosten hinzukommen.

Mit einem Anstieg der Insolvenzen um rund 20 Prozent bleibe somit abzuwarten, ob 2024 sogar systemrelevante Krankenhäuser schließen müssten, hieß es bei der Pressekonferenz. Abhilfe schaffen könne u.U. eine Refinanzierung der Kostensteigerungen durch GKV-Mittel ebenso wie eine Ambulantisierung.

Auftaktveranstaltung mit den Gesundheitsministern

Bundesgesundheitsminister Lauterbach verwies in der sich anschließenden Auftaktveranstaltung auf bereits erfolgte Fortschritte bei der Entwicklung des Referentenentwurfs, für den es international noch gar kein Vorbild gebe: „Es bleibt dabei, dass wir das Gesetz in der ersten Hälfte 2024 mit den Ländern gemeinsam beschließen werden“, kündigte er an. 2025 und 2026 würden die Bundesländer den Kliniken ihre Leistungsgruppen zuweisen, aber erst 2029 sei mit den Erfolgen einer vollständigen Umsetzung zu rechnen. 

Strukturdefizite müssen aufgeholt werden, um mit Reformen an die europäische Spitze zu kommen. 

Deutschland gebe mehr als jedes andere Land für die medizinische Versorgung aus, bemerkte der SPD-Politiker. Doch das spiegele sich derzeit nicht 1:1 in der Qualität wider. „Strukturdefizite müssen aufgeholt werden, um mit Reformen an die europäische Spitze zu kommen“, erklärte Lauterbach. Angesichts eines Bettenleerstandes von 30 Prozent gebe es in Deutschland ein hohes Ambulantisierungspotenzial.

Der Minister plädierte für einen optimistischen Ausblick: Mit dem Dreieck Entbürokratisierung, Entökonomisierung und Qualität könne man die Krankenhäuser wieder zu einem attraktiveren Arbeitsplatz umgestalten. Dazu gehörten auch Verbesserungen in der Notfallversorgung und das Medizinforschungsgesetz, durch welches die Durchführung von Studien entbürokratisiert und beschleunigt werde.

Krankenhäuser wieder zu attraktiven Arbeitsorten machen

Nicht zuletzt müsse die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden, um die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz nutzbringend einsetzen zu können: „Das wird die Arbeit im Krankenhaus interessanter machen“, prognostizierte Lauterbach. Trotz des Hypes um die Anwendungsmöglichkeiten von KI im Gesundheitswesen dürfte „die Grenze zwischen Entscheidungsassistenz und automatisierter Entscheidung nicht überschritten werden“, mahnte er und fügte hinzu: „Auch eine ePA nutzt nur, wenn sie ausgefüllt ist. Die Transformationskosten müssen bezahlt werden.“

Vorreiter für die anderen Bundesländer

Laumann kommentierte aus Sicht der Länder: „Nordrhein-Westfalen steht hinter den 13 Punkten des Eckpunktepapiers und möchte auch in Zukunft eine konstruktive Rolle einnehmen“. Er plädierte für das gemeinsame Erarbeiten der Reform – mit den Ländern, nicht gegen die Länder.

Die bisherige Form der Krankenhausplanung sei nicht in Ordnung gewesen, bemängelte er: „Sie bringt nicht die Qualität, die wir gerade bei spezialisierten Leistungen brauchen.“ In Zukunft werden es auf engstem Raum über die Grund- und Regelversorgung hinaus nicht länger „mehrere Anbieter geben, die das gleiche anbieten und sich gegenseitig Konkurrenz machen“, kündigte er an – vor allem mit Blick auf die Ballungsgebiete.

Ende 2024 wird NRW mit der Zuweisung der Leistungsgruppen zu den Krankenhäusern fertig sein. 

Aus Laumanns Sicht sei nun zu klären, welche Kliniken in Zukunft innerhalb der Grund- und Regelversorgung eigentlich genau welche Leistungen erbringen. Die Zentralisierung der bevorstehenden Strukturreform werde konfessionsübergreifend stattfinden und in Nordrhein-Westfalen schon 2024 umgesetzt. „Ende 2024 wird unser Bundesland mit der Zuweisung der Leistungsgruppen zu den Krankenhäusern fertig sein und damit zum Vorreiterland für die anderen Bundesländer“, so seine Ankündigung.

Wie seine Vorredner bewertete auch der nordrhein-westfälische Minister das Transparenzgesetz als „nicht hilfreich für das, was wir in den Ländern vorhaben.“ Es werde die Arbeit in den Ländern nur erschweren. Das Gesetz könne mit einer Zweidrittelmehrheit noch gestoppt werden, sagte er und stellte klar: „Nordhrein-Westfalen wird nicht zustimmen.“

Ein neues Kapitel nach dem DRG-System

Zur zukünftigen Finanzierung der Krankenhäuser fand Laumann, dass die Ablösung der diagnosebezogenen Fallpauschalen durch Vorschaltpauschalen eine gute Grundidee sei. Man müsse jedoch eine ortsnahe, erreichbare Struktur für die Patienten aufrechterhalten und Leistungsanreize für die Krankenhäuser schaffen. Die Krankenhausplanung müsse Ländersache bleiben, jedoch mit der Betriebskostenfinanzierung des Bundes zusammenpassen. 

Das Krankenhaus ist kein Selbstzweck, es hat eine dienende Funktion. 

„Nach vielen Jahren der DRGs schlagen wir ein neues Kapitel in der Krankenhauspolitik in Deutschland auf“, fasste der CDU-Politiker zusammen. Die deutsche Krankenhausstruktur als System müsse jetzt weiterentwickelt werden – aber mit der richtigen Idee: „Die Idee ist, dass unsere Krankenhäuser für die kranken Menschen da sind und nicht die kranken Menschen für die Krankenhäuser“, erklärte er und schloss ab: „Das Krankenhaus ist kein Selbstzweck, es hat eine dienende Funktion – die gute Versorgung muss im Mittelpunkt stehen.

Quelle: Anna Engberg (Freie Journalistin) 2023. Thieme