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Bewerbung? – Will Laumann der neue Bundesgesundheitsminister werden?

Ab 1. April tritt der Krankenhausplan in NRW in Kraft. Gesundheitsminister Laumann fordert von der Politik mehr Mut. Die FDP sagt, die Umsetzung sei unterschĂ€tzt worden, wĂ€hrend die SPD fragt: Ist das Laumanns Bewerbung fĂŒr Berlin?

Kurz vor Inkrafttreten des neuen Krankenhausplans in Nordrhein-Westfalen hat Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) seine tiefgreifende Reform als „Pionierarbeit“ fĂŒr Deutschland bezeichnet. Die SPD-Opposition im Landtag mutmaßte sofort, dass Laumann sich fĂŒr die neue Bundesregierung in Berlin empfehlen wolle, wo Union und SPD derzeit ĂŒber eine Koalition verhandeln.

Bewerbung fĂŒr Berlin?

„Das waren ja hier zwei astreine Bewerbungsreden als Bundesgesundheitsminister“, sagte der SPD-Abgeordnete Rodion Bakum zu zwei Reden Laumanns in einer Aktuellen Stunde im Landtag. Auf Laumanns Einwurf von der Regierungsbank, dass das ja gar nicht stimme, sagte Bakum: „Sie werden es nicht machen. Ich bin ĂŒberrascht.“ Jahrelang habe Laumann erzĂ€hlt, was SPD-Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach alles falsch gemacht habe. „Und jetzt kneifen Sie.“

Bakum hatte auch noch einige persönliche Worte fĂŒr den beliebten Politiker Laumann: «Ich kann ganz persönlich sagen, wenn Sie dem Ruf nach Berlin folgen, ich werde Sie vermissen – die KrankenhĂ€user womöglich nicht, weil sie viele Baustellen verlassen.» 

Wir brauchen mehr Politikerinnen und Politiker, die mal was anpacken 

Große VerĂ€nderungen seien immer damit verbunden, dass manche Menschen Nein dazu sagten und andere sich auf den Weg machten, hatte Laumann zuvor in der Debatte gesagt – und generell mehr Mut zu VerĂ€nderungen in der Politik gefordert. „Ich glaube, dass wir zurzeit in Deutschland eine Lage haben, nicht nur in der Gesundheitspolitik, wo wir mehr Politikerinnen und Politiker brauchen, die mal was anpacken, die mal was verĂ€ndern, wie diejenigen, die vor jedem Widerstand Angst haben (…)“. 

Ruinösen Klinikwettbewerb beenden

Zuvor hatten Laumann Spekulationen der SPD ĂŒber ein mögliches Scheitern der großen Krankenhausreform entschieden zurĂŒckgewiesen. Die neue Planung, wonach sich die KrankenhĂ€user in NRW stĂ€rker spezialisieren mĂŒssen, sei fĂŒr alle Beteiligten Neuland. Der ruinöse Wettbewerb unter den KrankenhĂ€usern um Fachpersonal und Patienten solle damit beendet werden. Patienten sollten fĂŒr medizinische Behandlungen kĂŒnftig Fachpersonal, Technik und eine ausreichende Erfahrung der jeweiligen Kliniken vorfinden. 

Der NRW-Krankenhausplan tritt in den meisten Leistungsbereichen morgen (1. April) in Kraft. FĂŒr bestimmte Leistungsgruppen etwa in der Kardiologie und der OrthopĂ€die sind Übergangsfristen bis Ende des Jahres vorgesehen, damit die Kliniken genug Zeit fĂŒr die Umstellung oder Schließung von Abteilungen haben. Gleichzeitig soll eine ortsnahe Notfallversorgung erhalten bleiben. Auch Intensivmedizin muss flĂ€chendeckend vorgehalten werden. 

SPD spricht von chaotischem Vorgehen

Die SPD-Opposition warf Laumann vor, den Kliniken zu wenig Zeit fĂŒr die Umstellung gelassen zu haben. Erst vor knapp vier Monaten hĂ€tten die Kliniken ihre Feststellungsbescheide darĂŒber erhalten, welche Leistungen sie kĂŒnftig anbieten dĂŒrfen, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Lisa-Kristin Kapteinat. Das sei ein kurzer Zeitraum fĂŒr eine der grĂ¶ĂŸten Umstrukturierungen der Krankenhauslandschaft in NRW.

Das Resultat des „chaotischen Vorgehens“ seien fast 100 Klagen und knapp 30 EilantrĂ€ge von KrankenhĂ€usern vor Gerichten gegen die Feststellungsbescheide, sagte Kapteinat. 

Es sei nicht verwunderlich, dass es bei 6200 Einzelentscheidungen auch Klagen dagegen gebe, sagte Laumann. „Wir werden nicht alle 100 Klagen verlieren, aber wir werden auch nicht alle 100 Klagen gewinnen.“ In vielen FĂ€llen wĂŒrden die Klagen auch in die nĂ€chste Instanz vor das Oberverwaltungsgericht gehen. Laut OVG in MĂŒnster sind bislang elf Eilverfahren eingegangen, darunter nach frĂŒheren Angaben drei Verfahren, die das Land vor das OVG getragen hat.

CDU: Blaupause fĂŒr den Bund

Der CDU-Gesundheitspolitiker Marco Schmitz rechnete vor, dass weniger als zwei Prozent der Einzelentscheidungen juristisch angefochten worden seien. Eine vergleichbare Krankenhausreform werde im Übrigen auch auf Bundesebene umgesetzt. „Nordrhein-Westfalen ist Blaupause fĂŒr das, was bundesweit kommen soll.“

Der SPD-Abgeordnete Thorsten Klute nannte das „SelbstbeweihrĂ€ucherung“. Auch die SPD halte die Ziele der Krankenhausreform im Grundsatz fĂŒr richtig, aber die vielen Klagen zeigten, dass das von der Landesregierung immer wieder betonte Einvernehmen mit den KrankenhĂ€usern nie richtig bestanden habe. 

FDP: Laumann hat Umsetzung unterschÀtzt

Auch die FDP-Gesundheitspolitikerin Susanne Schneider sagte die Grundidee der Spezialisierung sei zwar richtig, doch bei der Umsetzung hapere es an Transparenz und klaren Kriterien. Laumann habe unterschÀtzt, wie komplex die Umsetzung sei und wie nötig eine breite Abstimmung gewesen wÀre. 

Die AfD stellte sich hinter Laumanns Reform. „Es ist ein guter erster Schritt“, sagte AfD-Fraktionschef Martin Vincentz. Es sei richtig gewesen, auch unpopulĂ€re Entscheidungen zu treffen, so der ausgebildete Arzt Vincentz. Das Problem des FachkrĂ€ftemangels sei damit aber auch nicht gelöst, und es gebe Nachbesserungsbedarf bei der Kinderheilkunde und der Geburtshilfe. 

Geburtshilfe in Not

Die sinkende Zahl der Geburtsstationen in NRW ist ein wunder Punkt in der Kliniklandschaft. SPD-Politikerin Kapteinat prognostizierte negative Dominoeffekte durch die Krankenhausreform. So werde in ihrer Heimatstadt Castrop-Rauxel nach aktuellem Stand die Geburtsstation schließen. Die entsprechenden Leistungen seien dem Krankenhaus zwar zugeteilt worden. Allerdings fielen laut Feststellungsbescheid zwei andere lukrative Bereiche weg. Damit sei die oft ĂŒbliche Querfinanzierung der chronisch unterfinanzierten Geburtshilfe nicht mehr möglich. 

Laumann teilte die Sorge um die Schließung von Geburtsabteilungen. Mit der neuen Krankenhausplanung sei keiner Klinik eine Geburtsstation verweigert worden, betonte er. Abteilungen unter 1100 Geburten im Jahr seien aber oft unterfinanziert. Das sei der Grund, warum die KrankenhĂ€user die Geburtskliniken abstoßen wollen. Zugleich kĂŒndigte Laumann Finanzhilfe an: Das Land werde 25 Millionen Euro auf alle Geburtskliniken unter 1100 Geburten verteilen. 

Elf Eilverfahren am OVG

Im juristischen Streit um den NRW-Krankenhausplan sind am Oberverwaltungsgericht (OVG) in MĂŒnster bislang elf Eilverfahren eingegangen. Dabei geht es um Entscheidungen aus der Vorinstanz an den Verwaltungsgerichten DĂŒsseldorf, Gelsenkirchen und Minden, bei denen entweder das Land oder die Kliniken zuvor erfolgreich waren.

KlĂ€ger sind KrankenhĂ€user aus Mönchengladbach, Neuss, Moers, Herne, Recklinghausen, Datteln, Gelsenkirchen und Ostwestfalen. Das teilte das Gericht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Wann das OVG in den FĂ€llen entscheidet, ist nach Auskunft einer Sprecherin derzeit offen, weil zwar die Beschwerden in MĂŒnster eingegangen sind, aber die BegrĂŒndungen noch fehlen. 

Gegen die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in der ersten Instanz können die Unterlegenen, also das Land oder die Klinik je nach Ausgang, Beschwerde beim OVG einlegen. Unter den jetzt acht eingelegten Beschwerden kommen drei vom Land NRW. Außerdem gibt es nach dem Eilverfahren noch das sogenannte Hauptsacheverfahren, bei dem sich die Richter dann grĂŒndlicher mit den Argumenten beider Seiten beschĂ€ftigen.

Insgesamt gibt es vor den Verwaltungsgerichten laut NRW-Gesundheitsministerium 28 EilantrÀge und 95 Klagen gegen die Krankenhausplanung.

Quelle: dpa/gnj

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