Am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf werden seit 2019 neue Arbeitszeitmodelle für die Pflege getestet, erforscht und in der Praxis umgesetzt. Das Projekt „Arbeiten 5.0“ setzt auf Flexibilisierung der Arbeitszeiten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Wie können bestehende Pflegekräfte gehalten und neue gewonnen werden? Ein Schlüssel dafür sind flexible Dienstzeiten, weiß man am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Hier fördert das Modell „Arbeiten 5.0“ die Flexibilisierung der individuellen Arbeitszeitgestaltung sowie die Zusammenarbeit der Berufsgruppen.
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Anpassung von Dienstzeiten an die individuellen Bedürfnisse der Pflegefachkräfte durch flexibilisierte und freiwillige Schichtdienstzeiten innerhalb des etablierten Drei-Schicht-Systems. Dazu zählen Gleitzeit, Kurzdienste, verlängerte Tages- und Nachdienste, mobiles Arbeiten und Arbeiten im Tandem mit der Ärzteschaft.
Inzwischen können alle der rund 90 bettenführenden Stationen an dem Projekt teilnehmen. Mehr als 60 innovative Arbeitszeitmodelle werden in der Praxis eingesetzt, die sich möglichst nachhaltig etablieren sollen. Auch die Tageskliniken, die Ambulanzen und weitere Einrichtungen sollen noch in das Modell einbezogen werden. Die Techniker Krankenkasse Hamburg fördert das breit angelegte Projekt noch bis 2027, eine wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch das Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg.
Dienstzeiten werden gepuzzelt
„Die neuen Dienstzeiten sind an den Prozessen auf den Stationen gekoppelt, um die Arbeitsspitzen abzupuffern“, erläutert die Koordinatorin des Projektes, Ulrike Mühle. Schon ein „Klassiker“ sei der Kurzdienst von vier Stunden, der das Drei-Schicht-Systems auf den Stationen ergänzt. Den könnten viele Pflegefachkräfte, die in Teilzeit arbeiten, optimal nutzen, um ihre Stundenzahl zu erhöhen.
Die Kurzdienste dienen auch dazu, verschieden lange Dienstzeiten bei gleicher Personalgröße auf den Stationen sinnvoll auszugleichen. Die unterschiedlich langen Schichten werden dann so lange mit kürzeren ab vier Stunden und längeren bis zu zehn Stunden „gepuzzelt“, bis der Dienstplan voll besetzt ist, berichtet Mühle. Mehrbedarf in Stoßzeiten und Lücken im Dienstplan können, wie bei krankheitsbedingten Ausfällen auch, durch Poolkräfte ausgeglichen werden, die ebenfalls nach individuellen Arbeitszeitmodellen arbeiten können.
Es muss möglich sein, dass jede Pflegekraft Arbeitszeiten bekommt, die es ihr ermöglichen, am UKE zu bleiben.
Der Kurzdienst spreche sehr viele Mitarbeitende an, auch Pflegefachkräfte in Elternzeit und Studierende. „Aber beispielsweise auch frühere Kollegen, die in Rente sind, kommen jetzt aufgrund dieser Kurzdienste noch mal zurück und unterstützen uns“, führt Mühle weiter aus. Für alle diese Mitarbeitenden oder potenziell Mitarbeitenden ergäben sich ganz neue Möglichkeiten, ihre Stundenzahl aufzustocken oder überhaupt ihre Mitarbeit anbieten zu können, sagt die Gesundheits- und Krankenpflegerin: „Es muss möglich sein, dass jede Pflegekraft Arbeitszeiten bekommt, die es ihr ermöglichen, am UKE zu bleiben.“
Zugleich könnten die Arbeitsspitzen auf den Stationen durch einen zusätzlichen Kurzdienst aufgefangen und so Prozesse auf den Stationen optimiert werden. Das beträfe zum Beispiel den Frühdienst von 8 Uhr bis 12 Uhr, wenn die Visite stattfindet oder auf den Normalstationen die Grundversorgung der Patienten. In ruhigeren Tageszeiten wird dafür die Personalstärke, falls erforderlich, etwas reduziert.
So werden laut SVR-Gutachten rare Fachkräfte nachhaltig eingesetzt
Ende April übergab der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege (SVR) sein Gutachten „Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“ an Bundesgesundheitsminister Prof. Lauterbach. Er formuliert folgende Empfehlungen:
- Erprobung innovativer Arbeitsorganisationsmodelle: Dazu gehören insbesondere Modelle zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung, zur verlässlichen Dienstplangestaltung, zur Vermeidung von Unterbesetzung und zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- Gezielte Unterstützung von Beruf(wieder)einsteiger*innen durch Einarbeitungs- und Mentoringprogramme, Stufenmodelle zur schrittweisen Steigerung der Arbeitszeit und gezielte Weiterbildungsangeboten zur Erneuerung von Fachkenntnissen.
- Weiterentwicklung von Führungsstrukturen und -qualifikationen, um Führungspositionen attraktiv zu machen und die Teamführung dahingehend zu verbessern, dass eine hohe Arbeitszufriedenheit erreicht wird.
- Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung in der Langzeit- und Akutpflege.
- Etablierung attraktiver lebenslanger Karrieremöglichkeiten zur Stärkung interprofessioneller Zusammenarbeit zwischen Berufsgruppen und zur Nutzung der Potenziale eines geeigneten Skill-Mixes innerhalb der Berufsgruppen.
- Eine Substitution von Leistungen zwischen Ärzt*innen und qualifizierten Pflegefachpersonen durch die klar definierte Verantwortungsübertragung ganzer Aufgabenkomplexe.
- Den Einsatz von hochschulisch qualifizierten Pflegefachpersonen auf Bachelor- und Masterniveau in der ambulanten und stationären Langzeitpflege und in der Primärversorgung gezielt auszubauen.
- Die Implementierung von Rollen für Advanced Practice Nurses (APN) im Rahmen der Regelversorgung.
Fokus auf Arzt-Pflege-Tandem
„Es geht uns aber auch darum, die interprofessionelle Visite mit den Ärzten zu verstetigen, und eine morgendliche Kurzbesprechung von Stationsleitung, Ärzten und weiteren Berufsgruppen wie die Physiotherapie fest zu verankern“, sagt Mühle. In dem herkömmlichen Drei-Schicht-System sei das oft aus Zeitmangel nicht der Fall. Durch die konsequente Einhaltung dieser interprofessionellen Zusammenarbeit könnten Informationsverluste auf den Stationen vermieden werden.
Das diene auch der partizipativen Grundidee des Arzt-Pflege-Tandems, das ist Mühle wichtig. Es geht dabei auch um Wertschätzung und Arbeiten auf Augenhöhe. „Das ist zwar nicht immer einfach, im Alltag umzusetzen. Mit dem Projekt haben wir einen Vorstoß gemacht, vielleicht auch ein wenig für das Thema sensibilisiert. Da muss aber auch noch sehr viel getan werden, damit wir als gemeinsames Behandlungsteam für die Patientenversorgung an einem Strang ziehen“, ist sie überzeugt. Das gelte auch für die langfristige Umsetzung der flexiblen Arbeitszeitmodelle auf den Stationen.
Der Trend geht aber ganz klar dahin, dass Pflegefachkräfte gerne längere Dienste machen möchten.
Grenzen setzte auch schon der nichtwissenschaftliche Personalrat des UKE, was die Arbeitszeiten betrifft. 12-Stunden-Dienste, die in nach einer Erprobungsphase sehr gerne von Pflegefachkräften weiter genutzt worden wären, konnten beim Personalrat des UKEs nicht durchgesetzt werden. Nach geltendem Arbeitszeitgesetz sind Schichten von nur maximal zehn Stunden netto plus 45 Minuten Pause zulässig. Mühle bedauert das: „Der Trend geht ganz klar dahin, dass Pflegefachkräfte gerne längere Dienste machen möchten“, weiß die Gesundheitswissenschaftlerin. Gerade 12 -Stunden-Dienste seien für viele Pflegekräfte attraktiv, weil sie Arbeitswege einsparen können. Das sei insbesondere für Mitarbeitende wichtig, die außerhalb Hamburgs wohnen.
Administratives Arbeiten außerhalb der Station
Angesichts von Wohnungsknappheit und hohen Mieten in Hamburg könnte der Bedarf an weniger Arbeitswegen durchaus wachsen. In dem Projekt wird auch bereits ein Konzept für mobiles Arbeiten entwickelt. Zum einen soll Homeoffice ermöglicht werden, dass insbesondere für Pflegekräfte mit weiterführenden Qualifikationen gedacht ist. Es soll aber auch ausgelotet werden, inwieweit Pflegekräfte administrative Aufgaben im Homeoffice erledigen können.
Auch auf dem UKE-Campus selbst soll mehr mobiles Arbeiten für Pflegefachkräfte außerhalb der Station ermöglicht werden, etwa die Erledigung ihrer tagtäglichen Dokumentationsaufgaben. „Es ist es weniger belastend, als sich auf der Station neben mehreren Kollegen zu konzentrieren. Auch hier wollen wir Pflegefachkräften zur Entlastung mehr Flexibilität ermöglichen“, sagt Mühle.
Wie gut sich die einzelnen Maßnahmen auf die Beschäftigung und Gewinnung von Pflegefachkräften am UKE auswirkt, wertet das HCHE aus. Nach Abschluss des Projektes soll es viele gute Antworten auf die ganz große Frage geben, wie das UKE dem Fachkräftemangel in der Pflege beheben kann. Dazu werden derzeit noch umfassende Befragungen unter den Mitarbeitenden dazu durchgeführt, wie häufig die neuen Arbeitszeitmodelle tatsächlich in Anspruch genommen werden, und wie sich dadurch bestimmte Parameter wie „Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit“ oder „Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit“ verändert haben.
Für die Projektzeit bis Ende 2027 stehen laut dem UKE zudem weitere Schwerpunktthemen an, darunter die Förderung der Gesundheit internationaler Pflegefachpersonen und die Identifikation und der Abbau von „Zeitfressern“ im Klinikalltag.
Quelle: Inga Pabst (Freie Journalistin)
Ein Klinikum soll so zugänglich sein wie möglich. Diesen Umstand machten sich mehrere Diebe in München jetzt zu Nutze und entwendeten teure medizinische Geräte aus einem Krankenhaus.
Vermutlich über die Notaufnahme verschafften sich zwischen dem 20. und 21 Juli Personen Zugang zum Harlachinger Krankenhaus in München. Die Unbekannten stahlen dabei medizinische Geräte im Wert von rund 400 000 Euro.
Die Polizei geht nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass die Täter die Klinik durch die Notaufnahme betraten und von dort in die Untersuchungsräume weiterzogen. Dort nahmen sie den Angaben zufolge unter anderem endoskopische Geräte mit.
Wie es ihnen gelang, diese unbemerkt aus dem Krankenhaus zu befördern, war am 24. Juli zunächst unklar. Die Polizei ermittelt.
Quelle: dpa/hnle