Auf- und Absteiger des Monats – Katholische Stiftungen in Münster vor Megafusion

In Münster wollen die Marienhaus-Gruppe und die St. Franziskus-Stiftung fusionieren. Dadurch wird ein führender freigemeinnütziger Gesundheitsanbieter entstehen. Der gemeinsame Jahresumsatz beträgt rund zwei Milliarden Euro.

Jeden Monat analysiert der Börsenexperte Hartmut Schmidt die finanzielle Lage deutscher Krankenhäuser anhand von Jahresabschlüssen*. *© Geschäftsberichte, elektronischer Bundesanzeiger

Bei der Marienhaus-Gruppe zeigt das 2019/2020 initiierte Restrukturierungsprogramm Erfolge. Nun ist für 2023 die Zusammenlegung der Aktivitäten mit der St. Franziskus-Stiftung Münster geplant. Aus den beiden katholischen Unternehmen wird dann ein führendes freigemeinnütziges Krankenhaus-, Altenhilfe- und Gesundheitsunternehmen in Deutschland, mit einem Umsatz von rund zwei Milliarden Euro.

Die Marienhaus GmbH in Waldbreitbach wurde 2011 gegründet. Sie befindet sich zu 94 Prozent im Eigentum der Marienhaus-Stiftung und zu 6 Prozent im Eigentum der St. Franziskus Umweltstiftung. Die GmbH ist Trägerin von 13 Akutkrankenhäusern mit 14 Standorten (Umsatzanteil rund 81 Prozent), einer Reha-Einrichtung (ein Prozent), 18 Alten- und Pflegeheimen (zehn Prozent) sowie weiteren Einrichtungen (Hospize, MVZ, Schulen für Gesundheits- und Pflegeberufe, Zentralapotheke u.a.).

Die Ertragszahlen des Unternehmens für das Jahr 2021 lagen deutlich über den Planungen und auch dem Ist 2020: Zwar schrumpfte der Umsatz gegenüber 2020 um 3,9 Prozent auf 873 Millionen Euro infolge der Schließung der Krankenhäuser in Losheim und Bensheim, der Corona-Pandemie und der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal, die zu Leistungsausfällen im Marienhaus Klinikum Ahrweiler führte. Der Case Mix (CM) sank um 9,8 Prozent auf 96 000 und wurde durch Corona-Ausgleichszahlungen von 95 Millionen Euro (Vorjahr: 110 Millionen Euro) nicht vollständig kompensiert. EBITDA, EBIT und EBT stiegen aber aufgrund der Erfolge der 2019/2020 durchgeführten Strukturmaßnahmen um ein, 4,1 und 5,3 Prozent auf 42,3, 26,5 und 23,9. 

Das EAT von 21,3 Millionen Euro lag dabei deutlich über dem Plan von 15 Millionen Euro. 

Der Cashflow aus operativer Geschäftstätigkeit schrumpfte zwar deutlich von plus 85,6 auf minus 5,1 Millionen Euro. Dies basierte allerdings ausschließlich auf Veränderungen des Nettoumlaufvermögens (Net Working Capital). Im Vorjahr profitierte das Unternehmen von reduzierten Zahlungszielen der Krankenkassen. Vor allem aufgrund deutlich erhöhter Forderungen steigerte sich das Vermögen von 546 auf 590 Millionen Euro, mit einem von 25 auf 20 Prozent reduzierten Liquiditätsanteil. Allerdings ist das Vermögen zu 40 Prozent unverändert sehr hoch eigenfinanziert und mit 25 Prozent (2020: 23 Prozent) leicht steigend bankenfinanziert. Die Bilanzqualität ist gut, wobei zu berücksichtigen ist, dass das Unternehmen seit 2017 die erhaltenen Fördermittel in Höhe von 170 Millionen Euro mit dem geförderten Anlagevermögen verrechnet. Insofern gibt es in der Gewinn-und-Verlustrechnung keine Erträge aus Zuwendungen zur Finanzierung von Investitionen, Aufwendungen aus der Zuführung zu Verbindlichkeiten aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und Erträge aus der Auflösung von Sonderposten und Verbindlichkeiten.

Die Perspektiven sind auf Stand-Alone-Basis auf den ersten Blick nicht schlecht. Angesichts des zunehmenden Kostendrucks plant das Unternehmen für 2022 mit einem EAT von 13,5 Millionen Euro (Vorjahr: 21,3 Millionen Euro). Allerdings dürfte das keine Rolle mehr spielen. Denn die Marienhaus Stiftung und die St. Franziskus-Stiftung Münster planen nach eigenen Aussagen das operative Geschäft beider Gruppen im Jahre 2023 zusammenzuführen. Durch diesen Schritt wollen beide Stiftungen als gleichberechtigte Partner ein führendes freigemeinnütziges Krankenhaus-, Altenhilfe- und Gesundheitsunternehmen in Deutschland schaffen. Das neu zu bildende Unternehmen wird zirka doppelt so groß wie das heutige Marienhaus sein und die Fallschwere wird zunehmen. Das zeigen die Zahlen der Franziskus-Stiftung-Einrichtungen: Die St. Franziskus-Stiftung betrieb 2019 unter anderem 15 Krankenhäuser und neun Einrichtungen der Behinderten- und Seniorenhilfe und erwirtschaftete (bei einem CMI von 1,013; Marienhaus nur 0,739) einen (konsolidierten) Umsatz von 992,6 Millionen Euro.

Alexianer: Gute Marktpositionierung

Deutlich vorangetrieben wird der Konzentrationsprozess im freigemeinnützigen Bereich auch von der Alexianer GmbH. Sie befindet sich im Eigentum der Stiftung der Alexianerbrüder. Der Konzern ging aus der Zusammenführung der Alexianer Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH Münster als Dachgesellschaft der Provinz Aachen und der Gesellschaft der Alexianerbrüder mbH Berlin als Dachgesellschaft der Provinz Neuss hervor. Er überschritt 2020 nach dem Erwerb der Katharina-Kasper-Gruppe erstmals die Milliarden-Euro-Umsatzmarke. Die Alexianer sind in den Bereichen Somatik, Psychiatrie, Senio¬ren/Pflege sowie Eingliederungshilfe tätig. Hauptumsatzträger sind die Krankenhäuser mit einem Umsatzanteil von 72 Prozent. Der Bereich Senioren/Pflege trägt sieben Prozent und die übrigen Einrichtungen, unter anderem Werkstätten für Menschen mit Behinderung, steuern den Rest zum Umsatz bei. 2021 wuchs der Konzern wiederum sehr stark, um 27,5 Prozent auf einen Umsatz von 1 677 Millionen Euro. Zurückzuführen war dies auf ein organisches Umsatzplus, Corona-Ausgleichszahlungen sowie (unterjährig vorgenommene) Neukonsolidierungen. Während das EBITDA (vor dem Ertrag aus der Auflösung von Sonderposten) um 7,7 Prozent auf 94,4 Millionen Euro stieg, reduzierten sich EBIT und EBT aufgrund eines überdurchschnittlichen Anstiegs der Abschreibungs- und Zinsaufwendungen um 12,8 und 18,9 Prozent auf 43,2 und 35,6 Millionen Euro. 

 

Das Unternehmen will weiterhin strategische Projekte zum organischen und anorganischen Wachstum vorantreiben.

 

Trotz der deutlich von 1 706 auf 1 818 Millionen Euro angestiegenen Bilanz verschlechterte sich die Bilanzqualität kaum. Das Vermögen ist zu 32 Prozent (2020: 30 Prozent) eigenfinanziert, zu unverändert 20 Prozent fördermittelfinanziert und zu 16 Prozent (2020: 15 Prozent) bankenfinanziert. Aufgrund des negativen Cashflows aus operativer Geschäftstätigkeit von minus 36 Millionen Euro reduzierte sich die Liquidität von 388 auf 293 Millionen Euro bzw. von 23 auf 16 Prozent des Vermögens (im Vorjahr profitierte der Cashflow von plus 148 Millionen Euro von reduzierten Zahlungszielen der Krankenkassen). 2022 ist mit einem weiteren Umsatzanstieg zu rechnen, unter anderem auch aufgrund der ganzjährigen Erfassung der Akquisitionen 2021 und der Übertragung des Marienhospital Aachen. Das Unternehmen will weiterhin strategische Projekte zum organischen und anorganischen Wachstum vorantreiben. Die Wachstumsperspektiven darüber hinaus sind damit gut. So besitzt das Unternehmen beispielsweise einen 25-Prozent-Anteil an den St. Augustinus-Kliniken, mit der zusammen der Umsatz auf über zwei Milliarden ansteigen würde.

St. Augustinus-Kliniken: 2022 zweistellig negativ?

Die St. Augustinus-Kliniken, eine Gründung der Neusser Augustinerinnen und der Neusser Alexianerbrüder, ist eine Managementholding und in der Somatik (Umsatzanteil 2021 rund 53 Prozent), Psychiatrie (19 Prozent), Senioren- (14 Prozent) und Behindertenhilfe (12 Prozent) tätig. Das Unternehmen zeigte 2021 eine Ertragsentwicklung, die besser als geplant war: Bei einem leichten Umsatzanstieg um 1,3 Prozent auf 376 Millionen Euro reduzierten sich EBITDA (vor dem Ertrag aus der Auflösung des Sonderpostens), EBIT und EBT zwar um 31,5, 56,6 und 63,3 Prozent auf 21,6, 7,7 und 5,6 Millionen Euro. Geplant war allerdings coronabedingt ein Ergebnis knapp im einstelligen Millionenbereich. Grund für diese „erfreuliche“ Entwicklung war zum einen eine Stabilisierung der Leistungsentwicklung in allen Bereichen. Zum anderen konnten Corona-Ausgleichszahlungen von 15,2 Millionen Euro vereinnahmt werden (Vorjahr: 24,3 Millionen Euro). Da damit für 2022 nicht mehr gerechnet wird, erwartet das Management für 2022 ein Ergebnis, das knapp zweistellig im roten Bereich liegen soll. 

In Verbindung mit einer um zwei Millionen erhöhten Bilanzsumme von 472 Millionen Euro hat sich die Finanzierungsstruktur zwar weiter verbessert: Die Eigenkapitalquote erhöhte sich von 48 auf 49 Prozent – inklusive Fördermittel von 47 auf 49 Prozent – und die Bankverbindlichkeiten betragen unverändert 25 Prozent des Vermögens. Die Liquidität hat sich jedoch aufgrund des negativen Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit von knapp 30 Millionen Euro deutlich verringert, von 75 auf 43 Millionen Euro. 2020 profitierte der Cashflow von der Reduzierung der Zahlungsziele der Kassen und war mit 42 Millionen Euro positiv. Dies ist laut Management der Grund dafür, dass sich die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der Gruppe 2021 deutlich eingetrübt hat. Da nicht davon auszugehen ist, dass sich dieses Bild 2022 zum Positiven verändert hat, ist es sicherlich keine reine Spekulation, dass die Alexianer ihren 25-Prozent-Anteil an den St. Augustinus-Kliniken über kurz oder lang auf die Mehrheit aufstocken werden.

St. Elisabeth Gruppe: Gute Zahlen, gute Perspektiven

Weiterhin sehr gut entwickelte sich 2021 das Geschäft der St. Elisabeth Gruppe, einem katholischen Betreiber von fünf Krankenhäusern (darunter zwei Fachkrankenhäuser für Rheumatologie und Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) und sechs Einrichtungen in der Pflege, Reha und Bildung. Der Umsatz stieg um 9,4 Prozent auf 552 Millionen Euro, zurückzuführen auf eine Steigerung der Leistung (der Case Mix erhöhte sich um ein Prozent) und der Preise und Ausgleichsbeträge aus den Vorjahren. Der Ertrag erhöhte sich auf allen Ebenen der Gewinn- und Verlustrechnung überdurchschnittlich: Das EBITDA (vor Ertrag aus der Auflösung des Sonderpostens) stieg um 44,5 Prozent auf 65,9 Millionen Euro, und das EBIT und EBT um 46 und 32,6 Prozent auf 19,9 und 17,2 Millionen Euro. Die Bilanzqualität ist anhaltend gut: Das von 493 auf 509 Millionen Euro gestiegene Vermögen ist gegenüber 2020 unverändert zu 47 Prozent eigen-, zu 14 Prozent fördermittel- und nur zu einem Prozent bankenfinanziert. Da zudem die Liquidität im Jahre 2021 um 24 auf nunmehr 89 Millionen Euro anstieg, kann das Management angesichts der guten Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage gelassen in die Zukunft blicken.

 Quelle: Hartmut Schmidt 2023. Thieme.