Doch kein Vermittlungsausschuss? – Krankenhausreform bleibt umstritten − „Es ist kompliziert!“

Während die DKG seit Wochen vor Leistungseinschränkungen warnt und fallzahlunabhängige Vorhaltepauschalen fordert, zeichnet Prof. Karl Lauterbach öffentlich ein rosiges Bild für die Kliniken. Auf dem Krankenhausgipfel ging es in die nächste Runde.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach will bei der Reform nicht Geld einsparen, sondern es für bessere Ergebnisqualität zielgenauer einsetzen.

Es ist und bleibt kompliziert. Die Positionen divergieren, der Zeitplan ist eng – oder um es mit den Worten von Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zu sagen: „unrealistisch“. Bereits am 18. Oktober soll das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) in die 2. Lesung in den Bundestag. Nach der 3. Lesung soll das Gesetz dann am 22. November im Bundesrat verhandelt werden.

Geht es weiter so, sieht Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, die Gefahr, dass das Gesetz in den Vermittlungsausschuss überwiesen werde. „Es ist keineswegs ausgemacht, dass die Reform die Ziellinie auch wirklich erreichen wird“, warnte er bei seiner Eröffnungsrede beim gestrigen Krankenhausgipfel. Gleichzeitig betonte er, dass die Kliniken das nicht wollen: „Wir brauchen die Krankenhausreform mit dauerhaft wirksamen inhaltlichen Kompromissen. Wir sind nicht gegen die Reform und auch nicht gegen Veränderungen der Krankenhauslandschaft. Wir wollen heute erneut für gute Ergebnisse werben, die kurzfristig den kalten Strukturwandel beenden.“

Besonders hob Gaß auf echte Entbürokratisierung und Deregulierung ab, um die Kliniken in die Lage zu versetzen, „das knappe Fachpersonal auch wirklich für die Patientenversorgung einsetzen zu können.“ Für die DKG müsse die Reform auch von einem Kulturwandel begleitet werden – weg von der Misstrauenskultur der vergangenen Jahre. 

Wir brauchen die Krankenhausreform. Wir wollen dafür werben, dass es gute Ergebnisse gibt und der kalte Strukturwandel beendet wird. 

„Deutschlandreise des Gesundheitsministers – ein Sommermärchen“

Mit diesem Titel versah der DKG-Chef seine Einlassung zum Thema und prangerte an, dass der Gesundheitsminister öffentlich auf seinem X-Account allein in der vergangenen Woche drei Kliniken besucht und dabei allen besuchten Krankenhausstandorten eine rosige Zukunft zugesagt habe.

Während Lauterbach im brandenburgischen Bad Belzig bei seinem Besuch mantraartig betonte, dass die Vorhaltepauschalen 60 Prozent der heutigen Einnahmen garantiere, ist sich Gaß sicher, dass sich die Versprechen des Ministers für die allermeisten Grundversorger nicht erfüllen werden. Denn: „Kleine Häuser wie in Bad Belzig werden weder die vorgesehenen Mindestzahlen noch die Strukturvorgaben vorweisen können, um zu überleben.“ Auch seine Besuche am Uniklinikum in Mainz und in Alsterdorf in einer Fachklinik seien Augenwischerei. Der DKG Chef-Lobbyist befürchtet ein „Gesundschrumpfen“ und sieht im Fallzahlkorridor eine Gefahr für die Reform.

Daher brauche es fallzahlunabhängige Vorhaltepauschalen. Sonst sehe er die Gefahr einer Wartelistenmedizin – gerade auch bei Fachkliniken. Denn diese können nur von der Reform zum jetzigen Stand profitieren, wenn sie 19,9 Prozent weniger Pateinten behandeln. Aber selbst Unikliniken seien laut Gaß nicht durchweg Gewinner der Reform.

Krankenhausplanung à la NRW

Um die Krankenhausreform doch noch auf die Zielgerade zu bringen, forderte die DKG bereits im Juli den „Drei Punkte Plan“ und erneuerte gestern die zentralen Zielsetzungen – allem voran die Anpassung des Gesetzes an das Konzept der Krankenhausplanung von NRW. „Wir brauchen eine Krankenhausplanung, die die Versorgung der Patienten sicherstellt. Die vom Bund über das NRW-Konzept geplanten Verschärfungen und Einschränkungen müssen zurückgestellt werden“, appellierte Gaß an die Anwesenden, endlich an einem tragfähigen Kompromiss zu arbeiten und die Akteure, allen voran auch die Krankenhausträger als Praktiker, einzubinden. „Wenn sich alle 16 Länder auf das Modell von NRW einigen können, dann kann Karl Lauterbach zu Recht sagen, dass er wirklich was erreicht hat“, führte er weiter aus.

Podiumsdiskussion: Nicht alle glauben an die Reform

In der anschließenden Podiumsdiskussion mit dem parlamentarischen Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Dr. Edgar Franke, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Tino Sorge, dem stellvertretenden Parteivorsitzenden der Linken, Ates Gürpinar, und dem DKG-Chef gab es nicht viel Neues. Letzterer erneuerte seine Vermutung, dass mit den Vorhaltepauschalen und dem Fallzahlkorridor der Anreiz der Kliniken dahingehen werde, „19,9 Prozent weniger Leistung zu erbringen“, denn sie müssen weiter ökonomisch denken.

Der Vertreter des BMG, Edgar Franke, gab Gaß teilweise Recht und räumte ein, dass die Vorjahreszahlen als Maßstab für die Vorhaltepauschalen gelte und es keine völlige Entökonomisierung gebe. Zudem müsse der Fallzahlkorridor noch in den ausstehenden Gesprächen diskutiert und differenziert werden. Sein Chef, Bundesgesundheitsminister Lauterbach, hingegen sprach in seiner Rede davon, dass 20 Prozent weniger Eingriffe „ein Segen für die Versorgung“ seien und die stationäre Versorgung nicht gefährden würde. Entgegen Gaß Befürchtungen ist sich Lauterbach sicher, dass „wir in den Krankenhäusern weit von einer Wartelistenmedizin entfernt“ sind.

Für den Medienwissenschaftler Ates Gürpinar sind die Tweets und Posts des Bundesgesundheitsministers in erster Linie gekonnte PR. Er befürwortete in der Diskussion generell Vorhaltepauschalen. Der jetzige Gesetzentwurf sei davon aber weit entfernt und die Vorhaltepauschalen seien nur eine „nachgelagerte DRG“. Er stellte sich an die Seite der DKG und warnte davor, dass mit der derzeitigen Reform auch für die Sicherstellung wichtige Krankenhausstandorte nicht überleben werden. Gürpinar kritisierte, dass die ganze Reform in die falsche Richtung gehe und hofft auf ein gänzlich anderes Gesetz.

Tino Sorge sieht „rot“ für die Reform und glaubt nicht uneingeschränkt noch daran, dass es zu einem politischen Konsens kommt. Er prangerte die fehlende Planbarkeit der Länder an und forderte unter anderem Öffnungsklauseln für Ausnahmen von den Leistungsgruppen und grundsätzlich mehr Flexibilität für die Länder. Derzeit befänden sich Bund und Länder in einer Art Kampf, aber auch die Opposition habe den Wunsch nach einem Konsens. Der CDU-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt befürchtet jedoch, dass die Reform im Vermittlungsausschuss lande und, „wenn der Minister dann den Ländern nicht entgegenkommt“, diese ganz scheitere. Er beschwerte sich über Lauterbachs Vorgehen: „Das ist nicht die Art, wie man mit dem Parlament umgeht.“ Schützenhilfe bekam er von Nonnemacher, die ebenfalls Lauterbachs Alleingänge und den Umgang monierte.

Noch könnte der Vermittlungsausschuss vermieden werden

Lauterbach selbst glaubt noch an eine Einigung und hofft, den Vermittlungsausschuss umschiffen zu können. Denn in dem Gremium säßen viele fachfremde Parlamentarier, was einer Lösung – laut seiner über 20-jährigen Erfahrung – nicht dienlich sei: „Oft sind die Ergebnisse dann etwas fachfremder als sie es gewesen wären, wenn man sich vorher schon mit den Ländern geeinigt hätte.“

Zusammenfassung: Lauterbach will Vermittlungsausschuss bei der Krankenhausreform vermeiden und zeigte sich bereit, auf die Wünsche der Bundesländer einzugehen.

Vielleicht zeigte sich der Bundesgesundheitsminister auch deshalb bei der DKG gestern versöhnlich. Man werde „kluge und sinnvolle Einlassungen“ der Länder und der Verbände aufgreifen und diese vor die geplante zweite und dritte Lesung im Bundestag in das KHVVG einbauen. Da gehören Sicherstellungszuschläge in den ländlichen Regionen genauso dazu wie das dauerhafte Aussetzen von Qualitätskriterien bei versorgungsrelevanten Kliniken auf dem Land. Des Weiteren solle es für verschiedene defizitäre Bereiche Zuschläge geben – unabhängig der Versorgungsrelevanz: Intensivmedizin, Notfallversorgung, Traumatologie, Schlaganfälle und Geburtshilfe.

„Wir haben zwei oder drei Probleme bei den Leistungsgruppen“

Auch den Grouper versprach Lauterbach zeitnah – ebenso wie das Folgenabschätzungstool für die Kliniken, das noch Ende September vorliegen solle. Der Grouper beinhaltet die Definition der derzeit 65 Leistungsgruppen auf Bundesebene und ist damit maßgeblich für die Verteilung der geplanten Vorhaltepauschalen.

Dass es noch Probleme mit zwei, drei Leistungsgruppen gebe, räumte Lauterbach gestern anlässlich seines Status Quo-Berichts bei der DKG ein. Bei Leistungsgruppen, wie der speziellen Geriatrie oder Kinderchirurgie, gebe es Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Aber auch die Leistungsgruppe Notfallversorgung dürfte problematisch werden – das kam auch in der Diskussion durch. Sollte eine Umsetzung nach den BMG-Vorstellungen nicht möglich sein, „dann wird das nicht stattfinden“ und wir würden uns näher an den NRW-Korpus orientieren.

Quelle: Alexandra Heeser (Freie Journalistin) 2024. Thieme

 

Ein Klinikum soll so zugänglich sein wie möglich. Diesen Umstand machten sich mehrere Diebe in München jetzt zu Nutze und entwendeten teure medizinische Geräte aus einem Krankenhaus.

Vermutlich über die Notaufnahme verschafften sich zwischen dem 20. und 21 Juli Personen Zugang zum Harlachinger Krankenhaus in München. Die Unbekannten stahlen dabei medizinische Geräte im Wert von rund 400 000 Euro.

Die Polizei geht nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass die Täter die Klinik durch die Notaufnahme betraten und von dort in die Untersuchungsräume weiterzogen. Dort nahmen sie den Angaben zufolge unter anderem endoskopische Geräte mit.

Wie es ihnen gelang, diese unbemerkt aus dem Krankenhaus zu befördern, war am 24. Juli zunächst unklar. Die Polizei ermittelt. 

Quelle: dpa/hnle