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Zum Thema Gesundheitskosten macht Sana-Chef Thomas Lemke diverse VorschlĂ€ge â auch zu einer möglichen Eigenbeteiligung fĂŒr Menschen ab â80 aufwĂ€rtsâ. âEine hochproblematische ethisch-moralische Diskussionâ, sagt er selbst.
Ăber die Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens wird derzeit heftig diskutiert. Nun hat Sana-Chef Thomas Lemke in der Debatte um stetig steigende Kosten einen neuen Akzent gesetzt. Um Spareffekte erzielen zu können, gelte es, die Kosten des Systems zu senken und oder ĂŒber den Zugang zu Leistungen nachzudenken, sagte Lemke im Podcast âTable.Todayâ.
Die Gesellschaft mĂŒsse sich fragen, âob wir in jeder Lebensphase, wo die Menschen sind, und da rede ich jetzt auch 80 aufwĂ€rts sozusagen, diesen Menschen am Ende des Tages die vollumfĂ€ngliche Medizin zukommen lassenâ. Konkret nannte der Sana-Vorstandsvorsitzende in dem Zusammenhang Implantate, HĂŒften und Kniegelenke. In den meisten anderen LĂ€ndern der Welt wĂŒrden medizinische Leistungen ab einem bestimmten Alter nur bei Eigenbeteiligung angeboten.Â
Wir werden da ranmĂŒssen.Â
Lemke rĂ€umte ein, dass dies eine hochproblematische ethisch-moralische Diskussion erfordern wĂŒrde, fĂŒgte aber hinzu: âWir werden da ranmĂŒssen.â Zugleich stellte er klar, dass es bei dieser Diskussion um medizinische Leistungen nicht um die Notfall- und klassische Standardversorgung gehe. DarĂŒber hinaus plĂ€dierte er unter anderem dafĂŒr, viel stĂ€rker mit Anreizen zu arbeiten als mit Sanktionen.
GroĂe Aufmerksamkeit
Die mediale Aufmerksamkeit nach diesen Aussagen ist groĂ, und auch Sana reagierte mit einer ergĂ€nzenden Stellungnahme. Der uneingeschrĂ€nkte Zugang zu medizinischen Leistungen sei in Deutschland ein hohes Gut und gesamtgesellschaftliches VerstĂ€ndnis, heiĂt es aus Ismaning. DafĂŒr stĂŒnden die Sana Kliniken und dafĂŒr setze sich CEO Lemke seit vielen Jahren ein: âLimitierte ZugĂ€nge zum Gesundheitswesen, wie es sie in anderen LĂ€ndern wie der Schweiz oder in GroĂbritannien mit jahrelangen Wartezeiten fĂŒr Operationen gibt, können wir in Deutschland nicht hinnehmen.â
Um das Gesundheitssystem jedoch auch weiterhin leistungsfĂ€hig zu halten und gleichzeitig den politisch gewollten Umbau der Krankenhauslandschaft in Deutschland voranzutreiben, seien âjetzt dringend Reformen und insbesondere eine auskömmliche Finanzierung der Kliniken notwendigâ.
UnterstĂŒtzung fĂŒr seinen Ansatz erhielt Lemke unter anderem von Dr. Gerald GaĂ, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Der Sana-CEO habe in dem Podcast eine Reihe von VorschlĂ€gen gemacht, schreibt GaĂ in einem LinkedIn-Beitrag, und es lohne sich genau zuzuhören. âAnders als vielfach kolportiertâ, favorisiere Lemke nicht LeistungskĂŒrzungen fĂŒr Ă€ltere Patienten, âsondern, ganz klar, eine umfassende Deregulierung und EntbĂŒrokratisierungâ, so GaĂ.
DarĂŒber hinaus gehe es um âeine kluge Patientensteuerung und natĂŒrlich die Fokussierung der Ressourcen auf die Patienten, die einen komplexen Hilfebedarf habenâ. Zudem mĂŒsse bei innovativen Medikamenten und Therapien, die besonders hohe Kosten verursachen, der Nutzen fĂŒr die verschiedenen Patientengruppen nachgewiesen werden, erklĂ€rt der DKG-Vorstandschef: âDas machen wir in der Selbstverwaltung im gemeinsamen Bundesausschuss seit vielen Jahren sehr verantwortungsvoll.â
Erinnerungen an Philipp MiĂfelder
Andere Ă€uĂerten, ebenfalls auf LinkedIn, ihre Bedenken. Die ehemalige Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Claudia Schmidtke, etwa hĂ€lt den Ansatz, medizinische Leistungen ab einem bestimmten Alter einzuschrĂ€nken und Arztbesuche durch Boni zu steuern, fĂŒr âhochproblematischâ. Auch der medizinische GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Klinikums Darmstadt, Dr. Jörg Noetzel, fragt, âwas ist das fĂŒr ein unethischer Vorschlag?!âÂ
Die Sinnhaftigkeit eines elektiven Eingriffs werde bereits durch eine medizinische Notwendigkeit entschieden, argumentiert Noetzel: âIm Zweifel muss es dann klarere Indikationsregeln geben, aber bitte nicht aufgrund des Alters eines Menschen, ihn von einer notwendigen Versorgung fernhalten oder einen Eingriff nur ermöglichen, wenn die sozialen VerhĂ€ltnisse es erlauben.â
Die Debatte erinnert an den frĂŒheren Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp MiĂfelder. Der mittlerweile verstorbene MiĂfelder hatte im Jahr 2003 Empörung mit der Frage ausgelöst, ob 85-JĂ€hrige noch auf Kosten der Solidargemeinschaft kĂŒnstliche HĂŒftgelenke bekommen sollten.
In dem Podcast schlug Lemke auĂerdem ein Bonus-Modell vor, um die Zahl von Arztbesuchen in Deutschland zu verringern. So könnten Versicherte etwa 100 bis 200 Euro pro Jahr erstattet bekommen, wenn sie nur zwei Mal oder weniger zum Arzt gehen, regte Lemke an. Zudem gelte es vor allem, die Kosten zu senken, die der Staat durch Strukturvorgaben selbst verursacht habe, so der Sana-Chef. Unter dem âDecknamen QualitĂ€tsverbesserungâ sei in den vergangenen zehn Jahren âein gigantischer Kostenaufwuchsâ produziert worden.
Quelle: dpa/Sana Kliniken/koj