Eigenes PDMS – Millionenauftrag – Sana rüstet Intensivstationen mit „Mona“ auf

Sana macht sich beim Datenmanagement unabhängig. Für sein eigenes PDMS kauft der Konzern jetzt bei Clinomic mehr als 200 Terminals des Systems „Mona“. Das Millionengeschäft gehört zu Sanas Großprojekt, das am Ende alle alten KIS ersetzen soll.

Seit „Mona“ im Einsatz ist, hat sich auf der Intensivstation im Sana Krankenhaus Hürth viel verändert. „Mona“, kurz für „Medical On-Site Assistant“, ist ein Assistenz- und Telemedizinsystem, das bei der Digitalisierung der Sana Kliniken eine zentrale Rolle spielt.

Prof. Dr. Gisbert Knichwitz und sein Team arbeiten in Hürth schon seit der Corona-Zeit mit dem System, haben für verschiedene Funktionen diverse Testphasen durchlaufen und Mona im Oktober 2023 offiziell im Pilotbetrieb eingeführt. Zunächst ist dadurch seitdem die nahezu papierlose Intensivstation entstanden. Weil sämtliche Vitaldaten der Patienten von allen Überwachungsgeräten automatisch in digitale Akten fließen, ist die Papierkurve Vergangenheit. 

Mona entlastet deutlich den Intensivalltag, sowohl für die Pflege als auch für die Ärzte

Jetzt geht Sana den nächsten Schritt. Im Sommer 2023 hat sich der Konzern am Mona-Hersteller Clinomic beteiligt. Das von Intensivmedizinern der Uniklinik RWTH Aachen gegründete Start-up sammelte damals im Rahmen einer Finanzierungsrunde mit bestehenden und neuen Investoren insgesamt 16 Millionen Euro ein. Seitdem ist Sana Minderheitsgesellschafter und hat nun einen Mona-Großauftrag bekanntgegeben – „für einen einstelligen Millionenbetrag“, wie es auf Nachfrage von kma heißt. Der Auftrag umfasse die Bereitstellung und Anbindung von mehr als 200 Mona-Terminals. Perspektivisch werde eine Vielzahl von Intensivstationen damit ausgestattet.

Prof. Dr. Gisbert Knichwitz ist Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Sana Krankenhaus Hürth und am Sana Dreifaltigkeits-Krankenhaus Köln.

Deren Teams profitieren von dem, was in Hürth entwickelt wurde. Gisbert Knichwitz ist Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Sana Krankenhaus Hürth sowie am Sana Dreifaltigkeits-Krankenhaus Köln, und gleichzeitig ist er Fachgruppenleiter Anästhesie und Intensivmedizin aller Sana Kliniken. „Mona entlastet deutlich den Intensivalltag, sowohl für die Pflege als auch für die Ärzte“, sagt er. Durch den Wegfall der Papierkurve bleibe insbesondere mehr Zeit für die Patienten.

Allein die Pflegekräfte sparten pro Schicht bis zu 30 Minuten Dokumentationszeit, so Knichwitz. Niemand muss mehr alle fünf Minuten handschriftlich Vitalwerte von Patienten in Papierakten eintragen. Und auch für die Ärzte ist das nächtliche stundenlange Schreiben von Papierkurven weggefallen. „Unser Aufwand für die Bürokratie ist deutlich gesunken – das ist eine totale Erleichterung“, betont Knichwitz.

Das System strukturiert den Arbeitsalltag

Das neue System, das pro Bett aus einem in der Wand montierten Gelenkarm und einem Monitor besteht, unterstützt das medizinische und pflegerische Personal von der Patientenaufnahme bis zur Entlassung. Mit den Terminals werden die Patientendaten komplett dokumentiert – verabreichte Medikamente etwa, klinische Messungen, Befunde oder Verfahren. „Gleichzeitig strukturiert das System jetzt den Arbeitsalltag von Pflegekräften und Medizinern“, erklärt Knichwitz.

Dafür wird in einer digitalen To-do-Liste festgehalten, welche Aufgaben als nächstes zu erledigen sind. Welches Medikament muss gegeben werden? Wann steht ein Angehörigengespräch an? Bei wem wird die Sedierung verringert? Und wo muss ein Katheter gelegt werden? „Bislang haben wir das in die jeweilige Papierkurve eingetragen, und dann hat sich jeder auf eigenen Zetteln notiert, was für ihn relevant ist“, sagt Knichwitz: „Jetzt organisiert Mona das alles.“ 

Alle erhalten nur die für sie wichtigen Infos 

Dabei werden die Informationen je nach Berufsgruppe individuell dargestellt. Das reduziert die Informationsmenge auf das jeweils Wesentliche, was Unklarheiten mit Blick auf den Workflow-Status vermeidet. „Alle erhalten nur die für sie wichtigen Infos“, erklärt Knichwitz. Mussten dafür in den Papierakten bislang zahlreiche Blätter bewegt werden, ist jetzt auf einen Blick sichtbar, wo was zu tun ist – „heute blättert Mona für uns“.

Mona soll auch Therapievorschläge machen

Künftig soll sie noch viel mehr leisten. Jetzt, wo das Basissystem läuft, wird es mit Wissen gefüttert. Leitlinien werden eingepflegt, Routinen hinterlegt, und es entsteht ein enormer Wissens- und Datenpool. Auf dessen Grundlage soll Mona demnächst unter anderem auch dem Personal Hinweise geben und Therapievorschläge machen – zum Beispiel, wenn bei einem Patienten mit Anzeichen für Verwirrung die Temperatur steigt und unter Umständen eine Sepsis droht.

Das, was da in Hürth entstanden ist und noch weiterentwickelt wird, ist ein eigenes Patientendatenmanagementsystem (PDMS) für Sana. „Damit wir in Deutschland künftig die Patientenversorgung gerade im Akutbereich bedarfsgerecht sicherstellen können, brauchen wir eine digitale Unterstützung mit einem sektorübergreifenden Datenökosystem aus einem Guss“, erklärt Sana-Vorständin und Chief Transformation Officer Stefanie Kemp. In diesem Sinne treibe der Konzern die Digitalisierung seit Jahren voran.

Mit Mona macht sich das Unternehmen beim Datenmanagement von den verschiedenen Geräteherstellern unabhängig. „Es ist ein Open-Source-System, mit dem sich alle vorhandenen Geräte verknüpfen lassen“, erklärt Knichwitz – „ohne Schnittstellenprobleme und Gebühren“. Nach demselben Prinzip feilt Sana unter dem Projektnamen „Impetus“ derzeit an einer neuen Plattform, die die unterschiedlichen veralteten KIS im Konzern ersetzen soll. Beide Entwicklungen laufen parallel, greifen ineinander, und entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für das, was in Hürth passiert.

Gisbert Knichwitz hat Mona für sechs der zwölf Betten auf seiner Intensivstation eingeführt – im Bereich mit den schwereren Fällen. „Das System läuft stabil, seit Oktober 2023 auch ohne Doppeldokumentation“, sagt er. Im laufenden Jahr sollen die übrigen Betten angeschlossen werden. Parallel startet Mona im Laufe des ersten Halbjahres an drei weiteren Sana-Standorten, in den nächsten zwei Jahre sollen es insgesamt 14 Häuser sein.

Spracheingabe und telemedizinische Konzile

Überall geht es wie in Hürth mit der automatischen Datenaufzeichnung los. Im nächsten Schritt planen Knichwitz und Co. nach der papier- bereits die tastaturlose Intensivstation. Mona hat acht Mikrofone, beherrscht nahezu alle Sprachen und kann sogar Lippenbewegungen lesen. Nach dem Einloggen soll das System künftig die Stimmen von Pflegekräften und Ärzten erkennen und Angaben wie „Ich habe das Medikament Ketamin gegeben“ direkt erfassen können.

In einem weiteren Schritt werden über die integrierte Kamera telemedizinische Konzile möglich. Wie und dass das funktioniert, hat Knichwitz während der Corona-Pandemie bereits ausführlich getestet und erlebt: „Das läuft supergut.“ Die Telemedizin war der ursprüngliche Ansatz der Mona-Macher von Clinomic, den die Sana-Leute dann um ihre PDMS-Ideen erweitert haben. 

Ambitioniertes MedTech-Start-up

Das Medizintechnik-Unternehmen Clinomic mit Sitz in Aachen wurde 2019 von Intensivmedizinern der Uniklinik RWTH Aachen gegründet. Neben Dr. Arne Peine und Dr. Lukas Martin gehört auch Univ.-Prof. Dr. Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care des Aachener Universitätsklinikums und ehemaliger DIVI-Präsident, zu den Gründungspartnern. Georg Griesemann ist seit Mai 2023 CEO. Das Unternehmen, das seit 2022 als Clinomic Group firmiert, hat sich die Digitalisierung des Krankenhauses auf die Fahnen geschrieben. Nach Firmenangaben arbeiten mehr als 60 Ingenieure, Entwickler, Datenwissenschaftler und Ärzte für das Start-up. Der „Mona“-Großauftrag von Minderheitsgesellschafter Sana ist die bisher größte Order für die mehrfach prämierte Lösung der Aachener. 

In Hürth wird derweil die Entwicklung fortgesetzt. Knichwitz weitet den Mona-Einsatz auf die Anästhesie im OP aus und hat als nächstes auch die Zentrale Notaufnahme im Blick – „alle Bereiche, in denen permanent Unmengen an Vitaldaten erfasst werden“, sagt er. Die Beschäftigten jedenfalls seien schnell überzeugt gewesen. „Anfängliche Berührungsängste sind verschwunden, als der Zeitgewinn klar wurde“, erinnert sich der Chefarzt. Und auch die Eingewöhnungsphase sei überschaubar: „In etwa einem Monat ist jeder mit dem System per Du.“ 

Unsere Pflegekräfte sind eigentlich ein Entwicklerteam.

Für die kleine Intensivstation des Hauses wurden mehr als 50 Beschäftigte geschult, meist mehrfach. Neben Ärzten und Pflegeteam gehörten auch das Controlling, Therapeuten und Konsiliarärzte dazu. Und sie alle sind zusätzlich in Projektgruppen für Monas Weiterentwicklung gefragt. Mehr als 300 Ideen aus dem Team seien gesammelt und zur Hälfte auch schon umgesetzt worden, betont Knichwitz – zum Beispiel für ein Apothekenprogramm, das die Wirkung von Medikamenten abgleicht, oder für spezielle Fenster in der Software zur Darstellung von Allergien oder Patienten-Testamenten.

„Unsere Pflegekräfte sind eigentlich ein Entwicklerteam“, sagt Gisbert Knichwitz und man hört ihm an, wie wichtig ihm die eigene PDMS- und KIS-Werkstatt ist. Er sieht noch viele Perspektiven, großes Potenzial. Zusammen mit der künftigen intersektoralen Sana-Plattform, die parallel entsteht, soll Mona mittelfristig auch automatische Arztbriefe schreiben, und langfristig könnten zudem viele Untersuchungsgeräte überflüssig werden. „Letztlich wird es im Krankenhaus mehr Tablets und viel weniger stationäre Computer geben“, ist Knichwitz überzeugt. Das Projekt ist groß, und er ist noch lange nicht fertig.

Quelle: Jens Kohrs (Freier Journalist) 2024. Thieme