„FerienFreiZeit“ – 64 Tage Urlaub – Das neue Arbeitszeitmodell am Klinikum Westfalen

Das Thema Arbeitszeit lässt Klinikmanager kreativ werden. Jetzt bietet das Klinikum Westfalen ein Modell an, das mit 64 Tagen Urlaub lockt. Es greift ab Januar 2024 und könnte zum Vorbild für alle Knappschaft Kliniken werden. Das Knappschaftskrankenhaus Dortmund ist mit 489 Betten das größte Haus des Klinikums Westfalen.

Ein paar Tage bleiben ihnen noch. Bis zum 31. Oktober können sich die Beschäftigten des Klinikums Westfalen für das neueste Arbeitszeitmodell ihres Hauses bewerben: 64 freie Tage im Jahr verspricht das Angebot „FerienFreiZeit“ und fordert im Gegenzug den Verzicht auf 13 Prozent des Lohnes. Das Angebot gilt seit Anfang des Monats, und es greift erstmals im kommenden Jahr.

Alle Ferientage definitiv frei

Wer es nutzt, bekommt für den Lohnverzicht an allen Ferientagen in Nordrhein-Westfalen frei, inklusive der Brückentage. Zusätzlich zu den tariflichen 30 Urlaubstagen gewährt das Klinikum, das zu den Knappschaft Kliniken zählt, also bis zu 34 freie Tage. „Das gilt verbindlich“, betont Sprecherin Susanne Janecke: „Es wird keine Anrufe und keine Bitten zum Einspringen geben.“ In den ersten zwei Wochen nach der Veröffentlichung seien bereits 25 Anträge eingegangen.

Über jeden Antrag wird individuell entschieden

Die „FerienFreiZeit“ ist eine Idee von Pflegedirektor Klaus Böckmann. Sie ist für Eltern mit schulpflichtigen Kindern konzipiert, aber sie gilt für alle Beschäftigten an den vier Standorten des Klinikums Westfalen. Über jeden Antrag wird im Einzelfall entschieden, je nachdem, wie die personelle Lage am jeweiligen Einsatzort ist, denn der fortlaufende Betrieb muss gewährleistet sein. Eine Zusage gilt zunächst für ein Jahr, erneute Bewerbungen sind möglich. Gibt es an einer Stelle zu viele Interessenten, „werden wir ins Gespräch gehen müssen“, sagt Janecke, und dann werden wohl soziale Gesichtspunkte den Ausschlag geben. Allerdings werde nicht mit zahlreichen „Problemfällen“ gerechnet. 

Ein solches Modell, geregelt in einer Betriebsvereinbarung, gebe es bisher an keinem Krankenhaus, sagt Janecke, „und wir wissen auch von keinem Industrieunternehmen“. Mit der ungewöhnlichen Maßnahme will Pflegedirektor Böckmann einerseits die Zufriedenheit der Beschäftigten erhöhen und andererseits neue Pflegekräfte gewinnen oder zurückholen. Im November beginnt die Dienstplanung für 2024, dann werden die dafür Zuständigen zunächst deutlich mehr Arbeit damit haben.

Pilotprojekt für alle Knappschaft Kliniken

Ihre Erfahrungen und der weitere Verlauf im nächsten Jahr werden nicht nur im Klinikum aufmerksam verfolgt: „Das Angebot ist ein Pilot für alle Knappschaft Kliniken“, erklärt Janecke. Zu dem Netz zählen neun Beteiligungsgesellschaften mit insgesamt rund 6600 Betten. Das Klinikum Westfalen hat allein vier Standorte: das Knappschaftskrankenhaus Dortmund, das Hellmig-Krankenhaus Kamen, die Klinik am Park Lünen und das Knappschaftskrankenhaus Lütgendortmund. Zusammen haben sie 1120 Betten und rund 3000 Mitarbeitende, davon etwa 1500 in der Pflege. Träger des Klinikums sind die Deutsche-Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (59,8 Prozent) sowie die Stadt Kamen und die Stadt Lünen, die jeweils 20,1 Prozent halten.

Neun Monate arbeiten, drei Monate frei

Den Beschäftigten des Klinikums Westfalen stehen schon jetzt diverse flexible Arbeitszeitmodelle zur Verfügung, nicht nur im Pflegepool des Hauses, bei dem Janecke zufolge bereits „mehr als 100 Varianten“ gezählt werden. Eine Besonderheit ist auch das Angebot „1/2 ganzes Jahr“: Bei dem Projekt, das es seit zwei Jahren gibt, können Pflegefachkräfte sechs Monate lang die Hälfte ihres Gehaltes ansparen und dann das zweite halbe Jahr im vollen Umfang von ihrer Tätigkeit freigestellt werden. In dieser Freizeitphase zahlt ihnen das Klinikum die angesparte Hälfte ihres Gehaltes weiter aus. Etwa 20 Beschäftigte haben dieses Modell genutzt, so Janecke. 

Für Oktober 2024 gehen wir von deutlich mehr Bewerbungen aus. 

Weil die Auszeit einigen zu lang erschien und sie zudem mit einem großen Gehaltsverzicht verbunden ist, gilt neuerdings zusätzlich das Angebot „1/4 ganzes Jahr“. Nach demselben Modell können Pflegefachkräfte neun Monate lang ein Viertel ihres Gehaltes ansparen und dann das letzte Vierteljahr von ihrer Tätigkeit freigestellt werden. Wie beim „1/2 ganzes Jahr“ wird ihnen in der Freizeitphase der angesparte Teil des Gehaltes weiter ausbezahlt.

Die Aufmerksamkeit haben Pflegedirektor Böckmann und sein Team mit ihrer Initiative bereits sicher. Insbesondere die „FerienFreiZeit“ ist vor allem als Erleichterung für Eltern gedacht. Da viele ihre Planungen für 2024 bereits abgeschlossen haben, dürfte die Neuerung bei der nächsten Bewerbungsphase noch einen zusätzlichen Schub bekommen, prophezeit Janecke: „Für Oktober 2024 gehen wir von deutlich mehr Bewerbungen aus.“

Quelle: Jens Kohrs (Freier Journalist) 2023. Thieme