Health and Medical University – So feilt Helios in Erfurt an seiner nĂ€chsten Uniklinik

In ThĂŒringen nimmt der Wandel des Helios Klinikums Erfurt zum UniversitĂ€tsklinikum konkrete Formen an. Wie sich der Maximalversorger fĂŒr die nĂ€chsten Jahre aufstellt und was sich das Haus von der neuen Rolle erhofft.

Die PlĂ€ne gibt es schon lĂ€nger, jetzt geht es auf die Zielgerade. Aus dem Helios Klinikum Erfurt soll schon bald ein UniversitĂ€tsklinikum werden. Die nichtstaatliche medizinische Hochschule HMU (Health and Medical University) will in Kooperation mit dem Maximalversorger eine medizinische FakultĂ€t grĂŒnden und sowohl universitĂ€re als auch fachhochschulische StudiengĂ€nge anbieten. Im April 2023 sollen die ersten Medizin-Studierenden der HMU in der thĂŒringischen Landeshauptstadt starten.

„Die konkreten Vorbereitungen laufen“, sagt Prof. Dr. Thomas Steiner, Ärztlicher Direktor des Helios Klinikums, im GesprĂ€ch mit kma. Der Kooperationsvertrag ist geschlossen, und die Verantwortlichen rechnen mit 200 bis 230 Immatrikulationen pro Jahr. Insgesamt streben sie bis zu 1200 Studierende an. SpĂ€testens im FrĂŒhjahr 2025, wenn die ersten angehenden Mediziner ihr fĂŒnftes Semester beginnen, werden sie dann auch im Klinikum prĂ€sent sein.

Vorrang bei den LehrauftrÀgen

Bis dahin ist noch einiges zu tun. „Zeitnah“ erwartet Steiner aus dem ThĂŒringer Ministerium fĂŒr Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft etwa die Info, welche Kriterien zu erfĂŒllen sind, damit sich sein Haus kĂŒnftig auch wirklich UniversitĂ€tsklinikum nennen darf. „DafĂŒr werden zunĂ€chst die regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen, und dann mĂŒssen wir prĂŒfen, ob wir sie erfĂŒllen können“, erklĂ€rt Steiner. 

Es wird zu einem relevanten Stellenaufbau kommen mĂŒssen.

Gleichzeitig laufen erste Planungen, wie die kĂŒnftige Lehre strukturiert wird. Alle habilitierten Ärzte des Klinikums können sich auf eine HMU-Professur fĂŒr ihr Fachgebiet bewerben. Dabei werde angestrebt, dass entsprechend qualifizierte Mediziner des Hauses die verfĂŒgbaren LehrauftrĂ€ge erhalten. Zwingend sei das allerdings nicht. Die Fachvertreter, wie Lehrstuhlinhaber in nichtstaatlichen Hochschulen genannt werden, könnten auch externe Mediziner sein.

Bewerbungen nehmen bereits zu

Auf kommende Stellenausschreibungen und die Berufung neuer ChefĂ€rzte werde sich die kĂŒnftige Medizinerausbildung allerdings schon auswirken, sagt der Ärztliche Direktor. Er erlebt die aktuelle Situation als „Start in ein neues Zeitalter“ und rechnet fĂŒr Lehre und Forschung mit einem „relevanten Stellenaufbau“ im Ă€rztlichen Bereich. Schon jetzt erhalte das Haus Bewerbungen von Ärzten, die fĂŒr sich gute Chancen sehen, die neuen Strukturen aktiv mitgestalten zu können. „Das ist ja auch eine Karrieremöglichkeit“, sagt Steiner.

Auch intern wirke die Kooperation mit der HMU „wie ein Push“. Steiner registriert viel Begeisterung, „auch wenn wir uns der großen Aufgabe bewusst sind“. Obwohl die VerĂ€nderungen vorrangig den Ă€rztlichen Bereich betreffen, erwartet er ebenso indirekte Vorteile fĂŒr die Pflege. So wĂŒrden die Studierenden in ihrem ersten Studienabschnitt Pflegepraktika ĂŒber insgesamt sechs Wochen absolvieren, wodurch auch eine gewisse UnterstĂŒtzung fĂŒr die PflegekrĂ€fte zu erwarten sei.

Angebot soll Studierende mit Heimatbezug anziehen

Bislang ist das rund 60 Kilometer entfernte Jena der einzige Hochschulmedizin-Standort in ThĂŒringen, und das Erfurter Helios Klinikum ist Akademisches Lehrkrankenhaus des UniversitĂ€tsklinikums Jena (UKJ). Diesen Status will das 1300-Betten-Haus in den nĂ€chsten Jahren auch behalten, bis die klinische Ausbildung der HMU-Studierenden beginnt.

Dass die zusĂ€tzlichen Mediziner dringend gebraucht werden, steht fĂŒr Steiner außer Frage. „Wir haben einen massiven Ärztemangel, besonders in lĂ€ndlichen Gebieten, aber auch in den KrankenhĂ€usern“, sagt Steiner, „und gerade in ThĂŒringen ist der Mangel besonders groß.“ Viele, die in dem Bundesland bislang ihre Ausbildung absolvierten, wĂŒrden anschließend nicht bleiben. Deshalb sei die Hoffnung groß, mit dem Angebot der HMU, die ihre StudienplĂ€tze frei und ohne Numerus-Clausus-BeschrĂ€nkung vergibt, auch lokale und regionale Bewerber mit Heimatbezug anzuziehen.

Vor allem Versorgungsforschung

Mit dem UKJ jedenfalls erwartet Steiner auch in Zukunft „ein konstruktives Miteinander“. Er selbst hat 15 Jahre lang in Jena gearbeitet und dort bereits „viel Lehre gemacht“. Auch in Erfurt will sich der Chefarzt der Urologie wieder als Fachvertreter/Lehrstuhlinhaber bewerben. Das gesamte Projekt liege ihm „extrem am Herzen“, betont Steiner.

Mit Blick auf die kĂŒnftige Forschung in Erfurt sieht er den Schwerpunkt auf der Versorgungsforschung. Da biete der Helios-Verbund mit seinen mehr als 80 Kliniken und den deshalb höheren Behandlungszahlen durchaus einen kleinen Vorteil. Die Grundlagenforschung dagegen werde in einer privaten UniversitĂ€t ohne staatliche Finanzierung und Förderung entsprechend geringer ausfallen.

In jedem Fall seien Lehre und Forschung im angehenden UniversitĂ€tsklinikum Erfurt klar von der klinischen Patientenversorgung getrennt, betont Steiner – mit eigenen Budgets und StellenplĂ€nen, fĂŒr die entweder Helios oder die HMU die nötigen Ressourcen bereitstellen mĂŒssen. Der Kooperationsvertrag regelt die Details, gesellschaftliche Beteiligungen werde es nicht geben.

Viertes Haus mit Uni-Ambitionen

Das Klinikum Erfurt ist der mittlerweile dritte Maximalversorger des Klinikkonzerns Helios, der mit der HMU-GrĂŒnderin Ilona Renken-Olthoff kooperiert. FĂŒr die Bildungsunternehmerin ist die Health and Medical University mit Sitz in Erfurt die mittlerweile dritte medizinische FakultĂ€t. In Hamburg betreibt sie bereits die MSH Medical School Hamburg, die eine Kooperation mit den Helios Kliniken Schwerin geschlossen hat, und in Berlin sind ihre MSB Medical School Berlin und das Helios Klinikum Berlin-Buch Partner.

Ein anderes Helios-Haus hat die HĂŒrden lĂ€ngst genommen, die Thomas Steiner und seinem Team demnĂ€chst bevorstehen: das Helios UniversitĂ€tsklinikum Wuppertal, das mit der UniversitĂ€t Witten/Herdecke zusammenarbeitet.

Quelle: Jens Kohrs 2022. Thieme