Im ersten Integrierten Notfallzentrum Deutschlands probt das Marienkrankenhaus in Hamburg die Zukunft. Nach einem Jahr hat sich die intersektorale Zusammenarbeit an einem gemeinsamen Tresen bewĂ€hrt â und die Notaufnahme deutlich entlastet. Doch noch lĂ€uft nicht alles reibungslos zwischen den Sektoren.
Das Integrierte Notfallzentrum steht Notfallpatienten rund um die Uhr offen.
Um sich die Zukunft der Notfallversorgung besser vorstellen zu können, lohnt sich der Blick nach Hamburg. Statt des ĂŒblichen Nebeneinanders von ambulanten und stationĂ€ren Versorgungsstrukturen fĂŒhrt im Marienkrankenhaus ein gemeinsamer Tresen zu einer besseren Patientensteuerung. Der Tresen ist Teil des ersten sogenannten Integrierten Notfallzentrums (INZ) in Deutschland. Das katholische Marienkrankenhaus und die KassenĂ€rztliche Vereinigung (KV) Hamburg sind die TrĂ€ger und kĂŒmmern sich rund um die Uhr darum, dass Notfallpatienten die fĂŒr sie richtige Versorgung erhalten â entweder ambulant oder stationĂ€r.Â
Die Zusammenarbeit vom Marienkrankenhaus und der KV ist schon ein Vorbild fĂŒr das, was wir im Bund anstreben.Ende Juni besuchte der Bundesgesundheitsminister das Integrierte Notfallzentrum am Marienkrankenhaus. Er sprach von einer âBlaupauseâ fĂŒr die anstehende Notfallreform.Â
Im Juni 2022 wurde das INZ eröffnet, die Bilanz nach einem Jahr spricht fĂŒr sich: Das Zentrum fĂŒr Notfall- und Akutmedizin (ZNA) konnte in diesem Zeitraum um 24 Prozent entlastet werden. Das war vor allem durch die Umleitung leichter PatientenfĂ€lle in andere Versorgungsstrukturen möglich. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach zeigte sich bei einem Besuch Ende Juni beeindruckt und nannte das INZ âBlaupauseâ fĂŒr die Notfallreform, die im Gesundheitswesen noch ansteht. âDie Zusammenarbeit vom Marienkrankenhaus und der KV ist schon ein Vorbild fĂŒr das, was wir im Bund anstrebenâ, sagte Lauterbach.
Jede Notaufnahme in Deutschland macht ein Millionen-Minus
Dass hier etwas passieren muss, steht auĂer Frage. Seit Jahren Ă€chzen Notaufnahmen unter immer mehr FĂ€llen. Von 2009 bis 2019 hat die Zahl der im Krankenhaus behandelten Notfallpatienten von 14,9 Millionen auf 19,1 Millionen zugenommen, was einem Plus von 28 Prozent entspricht. Dabei mĂŒssen lĂ€ngst nicht alle Patienten stationĂ€r versorgt werden. âDer GroĂteil der Patienten die wir hier versorgen, fast zwei Drittel, sind ambulante Patientenâ, sagt Dr. Michael WĂŒnning, Chefarzt im ZNA am Marienkrankenhaus. Eigentlich wĂŒrden diese FĂ€lle nicht in den derzeitigen Aufgabenbereich von KrankenhĂ€usern fallen â abgewiesen werden hilfesuchende Patienten natĂŒrlich trotzdem nicht.
Das hat seinen Preis: Die Rahmenbedingungen fĂŒr die Notfallversorgung sind ohnehin herausfordernd â Personalmangel, Schichtdienste, eine hohe Arbeitsbelastung fĂŒr das Krankenhauspersonal. Jeder ambulante Fall in der Notaufnahme sorgt fĂŒr eine weitere Arbeitsverdichtung. AuĂerdem rechnet sich die Notfallversorgung fĂŒr KrankenhĂ€user nicht. Bei 35 bis 45 Euro liegen die durchschnittlichen Kosten fĂŒr eine nicht-stationĂ€re Behandlung, die von den Krankenkassen ĂŒbernommen werden. Im Krankenhaus fallen fĂŒr die Vorhaltung der Leistungen jedoch durchschnittliche Kosten von 135 Euro an, zumindest war dies der Durchschnittswert vor der Inflation.
Das heiĂt, die Notfallversorgung ist defizitĂ€r. Jede Notaufnahme in Deutschland macht ein Minus im siebenstelligen Bereich. Deshalb hatten Michael WĂŒnning und Marienkrankenhaus-GeschĂ€ftsfĂŒhrer Christoph Schmitz schon vor Jahren beschlossen, die Notfallversorgung neu aufzustellen.
Enge Abstimmung zwischen den Sektoren
Bereits seit 2011 streben sie eine sektorenĂŒbergreifende Medizin an. Das krankenhauseigene Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) wurde damals in die Notaufnahme integriert. Notfallpatienten, die weniger Ressourcen bedĂŒrfen als in der klassischen schweren Notfallmedizin nötig sind, wurden dort behandelt. âIn diesem Bereich verschrĂ€nken sich die Sektoren, die eigentlich klar voneinander getrennt sind. Daher war es nur logisch, dass wir mit unseren Partnern das Ganze konsequent zu Ende denkenâ, erzĂ€hlt WĂŒnning. Der Chefarzt engagiert sich auch gesundheitspolitisch fĂŒr eine bessere Notfallversorgung â als beratendes Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft InterdisziplinĂ€re Notfall- und Akutmedizin (DGINA) sowie als Berater der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) im Themenbereich Triage.Â
Wollen wir nicht mutig voranschreiten, statt einfach abzuwarten, bis der Gesetzgeber etwas entscheidet?Â
Wohin es genau gehen sollte, wurde 2018 klar. In diesem Jahr veröffentlichte der SachverstĂ€ndigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und in der Pflege sein Gutachten zur bedarfsgerechten Steuerung der Gesundheitsversorgung. Darin wurde das Prinzip der INZ beschrieben, was als Vorlage in Hamburg diente. Noch im gleichen Jahr stand fest, dass die Notaufnahme des Marienkrankenhauses als INZ umgestaltet werden sollte. Das Vorhaben war mit den Behörden abgesprochen, erste Fördermittelbescheide fĂŒr den Umbau der Notaufnahme wurden ausgestellt.
Dass dies alles so zĂŒgig in die Wege geleitet wurde, hat mit einem Umstand zu tun: Christoph Schmitz beschreibt WĂŒnning und sich als ĂberzeugungstĂ€ter. Schon damals waren sie von dem Modell ĂŒberzeugt und wollten die VorschlĂ€ge des SachverstĂ€ndigenrats weiter vorantreiben. âDeshalb habe ich mich mit dem damaligen KV-Vorstand von Hamburg in Verbindung gesetzt und ihm gesagt: Wollen wir nicht mutig voranschreiten, statt einfach abzuwarten, bis der Gesetzgeber etwas entscheidet?â, erzĂ€hlt Schmitz.Â
Wir setzen an unserem INZ genau das um, was die Politik erreichen möchte â was sich aber bis jetzt sonst noch keiner zutraut.Â
Die GesprĂ€che mit der KV wurden ab 2021 gefĂŒhrt, insgesamt dauerte es gut ein Jahr, bis die Rahmenbedingungen schlieĂlich feststanden. Als die Regierungskommission fĂŒr eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung im Februar dieses Jahres ihre vierte Stellungnahme zur Reform der Notfall- und Akutversorgung vorlegte, formulierte sie darin unter anderem Voraussetzungen fĂŒr INZ, die bereits heute am Marienkrankenhaus in der Praxis angekommen sind. âWir setzen an unserem INZ genau das um, was die Politik erreichen möchte â was sich aber bis jetzt sonst noch keiner zutrautâ, stellt WĂŒnning fest.
Dass dies so ist, liegt unter anderem an der strikten Sektorentrennung des Gesundheitswesens. Geht es um zukĂŒnftige Versorgungsmodelle, kommt es dadurch zu einer starken Frontenbildung. WĂ€hrend KrankenhĂ€user sich schwertun, Patientenströme im eigenen Haus durch die KV steuern zu lassen, lautet ein gĂ€ngiger Vorwurf des ambulanten Sektors, dass Kliniken mit ambulanten FĂ€llen ihre Betten belegen. Auch in Hamburg waren viele GesprĂ€che mit allen Beteiligten nötig, um das erste INZ schlieĂlich aufzubauen. Und: Nicht nur eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den beiden Sektoren war eine Voraussetzung dafĂŒr, es brauchte auch die UnterstĂŒtzung durch die Landesregierung. Diese komplexe Absprache auf allen drei Ebenen ist bisher nur in Hamburg gelungen, betont WĂŒnning.
Bessere Patientensteuerung
Wie genau funktioniert nun die Patientensteuerung am INZ? Auch weiterhin erhĂ€lt jeder Patient am Marienkrankenhaus das Angebot fĂŒr eine medizinische Versorgung. Aber, wie es schon in der Stellungnahme der Regierungskommission heiĂt: Der Hilfesuchende definiert den Notfall, das System die Reaktion darauf. An dieser Stelle kommt der gemeinsame Tresen ins Spiel. Dort treffen alle Hilfesuchenden als erstes ein, und dort findet mit Hilfe der ErsteinschĂ€tzungssoftware SmED Kontakt+ nach festgelegten Standards die Triage statt: Ist die Person ein Fall fĂŒr die ZNA oder fĂŒr den ambulanten Bereich?
So funktioniert die Patientensteuerung am INZ.
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Ist der Patient als ambulanter Fall eingestuft, wird er anschlieĂend in der KV-Notfallpraxis im Krankenhaus behandelt oder erhĂ€lt ĂŒber die Terminservicestelle am Tresen innerhalb der nĂ€chsten 24 Stunden einen Termin bei einem niedergelassenen Hausarzt. Kann auf diesem Weg kein Termin gefunden werden, kommen die Patienten ans MVZ am Marienkrankenhaus.Â
Aus Sicht des Krankenhauses bedarf es am Tresen in Fallback-Situationen immer die EinschĂ€tzung eines Arztes fĂŒr klinische Notfall- und Akutmedizin.Â
In der Regel ist der Tresen durch Medizinische Fachangestellte der KV besetzt, doch werden Notfallmediziner hinzugezogen, wenn es um die generelle EinschĂ€tzung von Kindern geht oder die Bewertung der ErsteinschĂ€tzungssoftware in Frage gestellt wird. Das ist fĂŒr Michael WĂŒnning ein wichtiger Punkt: âWir sagen ganz klar: Aus Sicht des Krankenhauses bedarf es am Tresen in Fallback-Situationen immer die EinschĂ€tzung eines Arztes fĂŒr klinische Notfall- und Akutmedizin.â
Bei den Patienten kommt das INZ gut an
Das Zwischenergebnis nach einem Jahr Laufzeit fĂ€llt positiv aus. Die operative Zusammenarbeit zwischen den Sektoren funktioniert. AuĂerdem kommt das INZ bei den Patienten gut an: Es gibt eine schnelle EinschĂ€tzung, ob eine ernsthafte Erkrankung vorliegt. Und niemand beharrt darauf, als ambulanter Fall in der Notaufnahme behandelt zu werden, wenn als Alternative ein zeitnaher Termin bei einem niedergelassenen Arzt angeboten wird.Â
Wir haben in einem Jahr 24 Prozent aller Patienten herausfiltern können, die nicht in der Notaufnahme behandelt werden mussten.Â
Die Patientensteuerung am Tresen zeigt eine deutliche Wirkung. Von den insgesamt 42 000 im INZ behandelten Patienten wurden 28 000, das sind 67 Prozent, am Tresen eingeschĂ€tzt. Zwar wurden nicht alle dieser 28 000 Patienten bis zum Ende durchtriagiert â entweder, weil sie Symptome einer schwerwiegenden Erkrankung aufwiesen oder weil sich im weiteren Verlauf der Untersuchung die Notwendigkeit einer Behandlung in der ZNA herausgestellt hat. Aber ein GroĂteil der Personen, die am Tresen die ErsteinschĂ€tzung bis zum Ende durchlaufen hatten, wurde letztlich der ambulanten Versorgung zugeordnet. âWir haben in einem Jahr 24 Prozent aller Patienten herausfiltern können, die nicht in der Notaufnahme behandelt werden mussten. Aber ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft noch mindestens neun Prozent mehr erreichen könnenâ, meint WĂŒnning.
Rettungsdienst soll eingebunden werden
Seine EinschĂ€tzung beruht darauf, dass Patienten in der Notaufnahme grundsĂ€tzlich in drei, etwa gleich groĂe Kategorien eingeteilt werden können: Ein Drittel muss stationĂ€r behandelt werden, das sind beispielsweise Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder schwerem Trauma. Bei einem weiteren Drittel ist unklar, ob eine stationĂ€re Behandlung erforderlich ist. Das letzte Drittel fĂ€llt in die ambulante Versorgung und könnte daher auĂerhalb des Krankenhauses versorgt werden.
Um also die Zahl der ambulanten FĂ€lle aus der Notaufnahme noch weiter reduzieren zu können, soll in Zukunft der Rettungsdienst ins Hamburger Modell integriert werden. Denn ein Drittel aller Patienten wird ĂŒber diesen in die Notaufnahmen eingeliefert. Dazu finden aktuell GesprĂ€che statt. Aber Michael WĂŒnning gibt ebenfalls zu bedenken, dass auĂerdem die ErsteinschĂ€tzungssoftware am Tresen noch nachgeschĂ€rft werden muss, um eine genauere Einordnung der Patienten gewĂ€hrleisten zu können.
Schwachstellen der Zusammenarbeit
Selbst, wenn die aktuellen Zwischenergebnisse vielversprechend sind â in der Zusammenarbeit beider Sektoren wurden auch Schwachstellen sichtbar. Die digitale Vernetzung der Sektoren ist wichtig: Wird ein Patient aus der Notfallpraxis der KV an die ZNA weitergeschickt beziehungsweise sind Folgebehandlungen erforderlich, sollten ebenfalls dessen medizinische Daten verfĂŒgbar sein. Dem stehen bislang verschiedene HĂŒrden im Weg. Â
Zum einen unterscheiden sich die IT-Systeme der KV am Tresen, des Notfallinformationssystems und des MVZ voneinander. Da ist man bereits auf der Suche nach technischen Lösungen. Zum anderen erschweren fehlende rechtliche Rahmenbedingungen die intersektorale Zusammenarbeit. Es braucht eine schnelle und schlanke Lösung dafĂŒr, den Datenschutz fĂŒr Patienten von Anfang an ĂŒber alle Sektoren hinweg berĂŒcksichtigen zu können. Und, welches Problem ebenfalls juristisch noch nicht geklĂ€rt werden konnte: Möchte die KV-Notfallpraxis am Krankenhaus zum Beispiel Laborleistungen oder radiologische Leistungen einkaufen, ist das aktuell medicolegal nicht möglich.
Niedergelassene mĂŒssen tatsĂ€chlich Termine einstellen
Eine weitere Baustelle: Die Terminservicestelle der KV stöĂt an ihre Grenzen. Das System funktioniert nur, wenn niedergelassene Ărzte tatsĂ€chlich Termine einstellen. Ist dies nicht der Fall, können Patienten nicht entsprechend ambulant versorgt werden. Das verdeutlichen die bisherigen Erhebungen am Marienkrankenhaus: 94 Prozent der ambulanten FĂ€lle, die eigentlich extern versorgt werden sollten, landeten letztendlich im krankenhauseigenen MVZ. Nur fĂŒr sechs Prozent der FĂ€lle konnten Arzttermine ĂŒber das KV-System vermittelt werden. Das Problem ist ersichtlich, die KV arbeitet an der Verbesserung der Situation.Â
Unser Modell ist im Prinzip ein Brennglas auf die Sektoren sowie die Versorgungsproblematik in unserem Land.Â
Ein weiteres Manko besteht darin, dass es noch nicht möglich ist, Facharzttermine zu vermitteln. Dabei suchen hĂ€ufig gerade solche Patienten in der Notaufnahme Hilfe, die bereits seit Monaten auf Termine bei FachĂ€rzten warten. âUnser Modell ist im Prinzip ein Brennglas auf die Sektoren sowie die Versorgungsproblematik in unserem Landâ, kommentiert das Christoph Schmitz. Die Schwierigkeiten, die sich im Kleinen am INZ zeigen, kommen so auch im gesamten Gesundheitswesen vor. Das ist auch Michael WĂŒnning bewusst: âMan kann dieses Projekt INZ nie losgelöst von der Gesamtversorgungslage sehen. Wir versuchen, Probleme der Notfallversorgung an unserem Haus zu lösen â mit dem Wissen, dass wir nur ein Teil der VersorgungsrealitĂ€t sind, der dabei mitgedacht und geĂ€ndert werden muss.â
Zi warnt vor EngpÀssen in der Versorgung
Deshalb soll in Zukunft in einer Studie untersucht werden, inwieweit sich das INZ auf die Versorgungslage im unmittelbaren Umfeld auswirkt. âUnser Fokus als Krankenhaus liegt darauf, gute Erkenntnisse zu gewinnen, die die Politik nutzen kann, um Gesetze zu verbessernâ, sagt Schmitz. Das soll dazu beitragen, die Debatte um die Notfallversorgung mit Fakten zu versachlichen.
TatsĂ€chlich gibt es durchaus kritische Stimmen zu den INZ. Das Zentralinstitut fĂŒr KassenĂ€rztliche Versorgung (Zi) hatte im Mai 2023 berechnet, dass die regulĂ€re Versorgung im ambulanten Bereich beeintrĂ€chtigt wĂŒrde, sollten â wie von der Regierungskommission vorgeschlagen â deutschlandweit vor allem an HĂ€usern der Notfallversorgungsstufen zwei und drei, und bei regionalem Bedarf auch an HĂ€usern der Basis-Notfallversorgung, INZ errichtet werden. Denn um die Notaufnahmen zu entlasten, sind an diesen HĂ€usern KV-Bereitschaftspraxen vorgesehen. Laut Zi kĂ€me es dann allerdings zu EngpĂ€ssen in der ambulanten Versorgung, weil tĂ€glich rund 600 Praxen geschlossen werden mĂŒssten, um die Bereitschaftspraxen im Krankenhaus zu besetzen.Â
Wir versorgen Patienten, die eigentlich im ambulanten System versorgt werden mĂŒssten.Â
Zi-Vorstandschef Dr. Dominik von Stillfried warnte in diesem Zusammenhang vor einem gefĂ€hrlichen Sogeffekt weg von der Regelversorgung hin zur Notfallversorgung. âDie zwangslĂ€ufige Folge wĂ€re, dass die Notfallversorgung wieder ĂŒberlastet wird.â Die medizinische Notfallbehandlung mĂŒsse etwas Besonderes fĂŒr echte NotfĂ€lle bleiben, mahnte von Stillfried. Das spiegelt aber schon lange nicht mehr die RealitĂ€t in den KrankenhĂ€usern wider. FĂŒr Michael WĂŒnning fĂŒhren nicht die INZ zu einer Verschlechterung der ambulanten Versorgung, vielmehr werde durch sie lediglich aufgezeigt, wo bereits heute LĂŒcken im System bestehen: âWir versorgen Patienten, die eigentlich im ambulanten System versorgt werden mĂŒssten. Es ist richtig: Durch die Errichtung von INZ kommt es zur Allokation von Ressourcen, weg von den Praxen hin ins Krankenhaus â von Ărzten, die insgesamt betrachtet nicht ausreichen. Dass dies so ist, hat allerdings nichts mit den KrankenhĂ€usern zu tun.â
Umfangreicher Umbau geplant
Auch fĂŒr Christoph Schmitz gibt es keine Alternative zum INZ, denn es beende das Triage-Pingpong zwischen den Sektoren, das auf dem RĂŒcken der Patienten ausgetragen werde. âDer gemeinsame Tresen ist der zentrale Anlaufpunkt, der zum frĂŒhestmöglichen Zeitpunkt den fĂŒr den Patienten geeigneten Weg bahnt. Der Patient steht bei uns, wie von Minister Lauterbach und den LĂ€ndern gefordert, im Mittelpunkt â und zwar im besten VerhĂ€ltnis von Aufwand und Nutzen.â
Auf den bisherigen Erfolgen wollen sie sich im Marienkrankenhaus nicht ausruhen. Zum Start des INZ im vergangenen Jahr wurden BestandsrĂ€umlichkeiten umgewidmet und baulich leicht angepasst, um Tresen und KV-Notfallpraxis betreiben zu können. Im September wird nun ein umfangreicher Umbau bei laufendem Betrieb erfolgen. Die Kosten dafĂŒr liegen bei fast neun Millionen Euro. Dabei handelt es sich nicht um eine bloĂe Erweiterung der ZNA, sondern die AblĂ€ufe des INZ werden in der neuen Raumstruktur berĂŒcksichtigt.
Beirat soll Impulse geben
AuĂerdem wird gerade ein Beirat gegrĂŒndet. Dessen Mitglieder â es wurden namhafte Vertreter der Kassen, KV, Expertenkommission und Politik angefragt â sollen Impulse zur Weiterentwicklung des INZ geben. Der Beirat wird kritischer Ratgeber, sozusagen Sparringspartner, sein und den regelmĂ€Ăigen, monatlichen Austausch der Projektpartner ergĂ€nzen. Das Ziel: die moderne, sektorenĂŒbergreifende Notfallversorgung verfeinern.
Denn die Situation wird sich durch den FachkrĂ€ftemangel und aufgrund des demografischen Wandels weiter verschĂ€rfen. Deshalb muss gegengesteuert werden. Das INZ scheint eine gute Option zu sein. âAlle Notaufnahmen hatten im letzten Jahr eine Steigerung der Patientenkontaktzahlen zwischen fĂŒnf und sieben Prozent. Wir haben es durch unsere Strukturen geschafft, auf dem gleichen Stand zu bleiben, diese Steigerung abzufedernâ, sagt Michael WĂŒnning. FĂŒr ihn hat das Hamburger Konzept die BewĂ€hrungsprobe eindeutig bestanden.
Quelle: Aileen Hohnstein 2023. Thieme.
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