KHZG-Fördertatbestand 2 – Krankenhäuser und ihr Dilemma mit dem Patientenportal

Laut KHZG müssen Kliniken bis 2025 ein Patientenportal bereitstellen. Doch viele tun sich schwer bei der Umsetzung. Warum das so ist und was hilft, erklärt Dr. Klaus-Uwe Höffgen, CDO des Rheinland Klinikums.

Deutschlandweit beschäftigen sich Krankenhäuser mit der Umsetzung des KHZG (Krankenhauszukunftsgesetz). Diskutiert man mit den zuständigen Experten die sogenannten pönalisierten Fördertatbestände 2 bis 6, so erhält man fast einhellig die Rückmeldung, dass der Fördertatbestand 2 „Patientenportal“ der am schwierigsten umzusetzende ist. Warum eigentlich?

Die wesentlichen Gründe liegen in den Punkten

  • Strategische Rolle eines Patientenportals
  • Prozessschwächen der Krankenhäuser für die Orchestrierung des Portals
  • Interoperabilität zwischen Portal und anderen Systemen
  • Dauerhafte Finanzierung und Wirtschaftlichkeit

Strategische Rolle eines Patientenportals

Vergleicht man den Digitalisierungsgrad deutscher Krankenhäuser z. B. mit US-amerikanischen Kliniken, so fällt die Differenz im Bereich der „Patientenpartizipation“ besonders deutlich aus. Auch in der nationalen Reifegradmessung Digitalradar aus dem Jahr 2021 sind die Ergebnisse in diesem Bereich auffällig schwach. Nur wenige Kliniken haben funktionale oder gar attraktive Patientenportale im Einsatz. Gründe dafür sind das Fehlen einer Portalstrategie, oder konkreter Inhalte, die über das Portal transportiert werden sollen.

Größere und private Klinikketten haben bei den Portalen meist die Nase vorn: sie haben eine klare Strategie und zielen auf Patientenbindung. Neben wertvollen Informationen über die Klinikleistungen, Vor- und Nachsorgemöglichkeiten, Präventionsthemen etc. bieten sie auch eine Haus- (oder Ketten-) eigene Patientenakte an. D.h., der Patient erhält Zugriff auf alle wichtigen medizinischen Informationen in seiner Akte, einfach und übersichtlich. Aber: das soll es doch eigentlich auch woanders geben. Die von den gesetzlichen Krankenversicherungen angebotene elektronische Patientenakte (ePA), gerade noch durch eine Opt-Out Regelung gesetzlich „geboostet“, soll genau das erfüllen. Warum sollte der Patient das also in zweifacher Ausführung bei zwei unterschiedlichen Anbietern haben?

Am ehesten vertretbar wäre die Idee eines umfassenden Portals, wenn das Konzept der Gesundheitsregionen Fuß fassen würde. Für die Region könnte man ein Portal anbieten mit einer Patientenakte, aber auch den konkreten Angeboten der Region, von ambulanten Services über stationäre, Reha- und Pflegeeinrichtungen usw. Ein Schritt in diese Richtung könnte das gerade in Bayern entstehende überregionale Krankenhaus-Portalangebot werden.

Aber was machen die anderen Krankenhäuser, die sich aktuell im Karussell von landesspezifischen oder der bundesweiten Krankenhausplanung, der ungewissen finanziellen Zukunft sowie weiterer unsicherer Rahmenbedingungen befinden? Einen richtig großen Wurf landen, mit einem ambitionierten Patientenportal, dessen strategische Ausrichtung möglichst flexibel sein muss, weil z. B. die weitere Ausgestaltung der ePA erhebliche Implikationen haben könnte? Klingt wenig verlockend. Aber nichts tun ist dank KHZG auch keine Lösung, dann droht ab 2026 die Pönalisierung für den FTB 2. Etwas für die Patientenpartizipation zu tun ist allein schon aus Digitalradarsicht dringend anzuraten, und aus Marketing-Gesichtspunkten der Klinik sowieso. Somit sollte vor einem entsprechenden Portalprojekt eine klare strategische Positionierung festgelegt werden, so schwer sie jetzt auch zu finden sein mag.

Prozessschwächen der Krankenhäuser

Bildlich gesprochen ist ein Patientenportal ein Fenster in die „gute Stube“ eines Krankenhauses. Das Portal erlaubt einen Blick auf wichtige Prozesse im Haus, z. B. bei Terminbuchung, Dokumentenaustausch, Vorbereitung der Patientenaufnahme. Ein Krankenhaus, das hier noch über die klassischen Silostrukturen der einzelnen Fachkliniken verfügt mit dezentrale Aufnahmestrukturen über Ambulanzen, Sprechstundenzentren, Kliniksekretariate etc., hat beim Portal erhebliche Schwierigkeiten, diese Schwächen zu kaschieren.

Die Darstellung eines Tagesplans für den Patienten sowie die Integration seines Tagebuchs in auswertbare Strukturen der Behandlungsdokumentation sind weitere Hürden, die das KHZG detailliert aufgebaut hat.

 

Rheinland Klinikum

Dr. Klaus-Uwe Höffgen

Somit ist die Prozessschwäche einer der wichtigsten Gründe (neben der Interoperabilität, die im nächsten Abschnitt beschrieben wird), warum viele Krankenhäuser aktuell noch vor einem Portal zurückschrecken. Es gilt die Prozesse grundlegend zu überarbeiten, Silostrukturen abzubauen, die Sicht des Patienten und des entsprechenden Patientenpfades einzunehmen und dann Prozessoptimierung zu betreiben.

Immerhin sind die zögernden Krankenhäuser positiver unterwegs als all jene, die das Portalprojekt mit der Gesetzesvorgabe als Leistungsverzeichnis im Stil eines klassischen IT-Projekts angegangen sind. Solche Projekte scheitern garantiert, was der Markt in den letzten Wochen leider auch schon mehrfach gezeigt hat. Sieht man KHZG als Booster für die Digitalisierung und hat verstanden, dass Digitalisierung immer mit Prozessoptimierung und erst viel später mit IT zu tun hat, dann ist man auf dem richtigen Weg. Das gilt auch für das Thema Patientenportal.

Über den Autor

Dr. Klaus-Uwe Höffgen ist Chief Digital Officer (CDO) des Rheinland Klinikums Neuss. Vor seiner Zeit im Krankenhaus war er unter anderem Global Head of IT beim WestLB-Konzern, Vice President Consulting bei Gartner Deutschland und Director IT – CIO bei Lufthansa Global Business Services.

Interoperabilität

Von den Portalprojekten der vergangenen drei Jahre sind einige recht krachend gescheitert. In diesen Fällen hakte es meistens an der Anbindung entsprechender Kernsysteme, die z. B. an Terminkoordination oder Dokumentenaustausch beteiligt sind. Auch wenn es inzwischen Standards und entsprechende Erklärungen der Hersteller gibt, reicht das eben noch nicht aus, die durchaus komplexen Auswirkungen von Terminabsagen und –Umplanungen übergreifend abzuwickeln. Die Anstrengungen der Marktteilnehmer bzgl. Interoperabilität sind sichtbar und werden entsprechende Probleme absehbar reduzieren. Allerdings muss sich ein Krankenhaus die Frage des Timings stellen: vielleicht ist das Warten auf eine gewisse Marktreife keine schlechte Strategie.

Für die Bereitstellung einer umfassenden und leicht bedienbaren Patientenakte wird von vielen Herstellern und Beratern die Einrichtung eines „clinical data repositorys“ (CDR) im Rahmen des Portalprojekts empfohlen. Von der technischen Seite ist das plausibel, weil ohne ein Repository die Patientenakte und die damit verbundenen Interoperabilitätsanforderungen kaum realisiert werden können. Damit ist das Projekt allerdings ein „dickes Brett“ geworden, das man „bohren muss“. Lohnt sich das?

Finanzierung und Wirtschaftlichkeit

Die aktuelle wirtschaftliche Lage der meisten Krankenhäuser ist prekär. Die steigende Zahl der Insolvenzen ist allen Beteiligten bewusst, und viele sehen darin auch eine längst überfällige Bereinigung der Krankenhaus Landschaft. Allerdings läuft diese Bereinigung sehr unreglementiert und ungesteuert ab – was im deutschen Gesundheitswesen der sonst typischen Regelungswut eher entgegensteht. Auf jeden Fall ist die Wirtschaftlichkeit von Projekten keine Luxusfrage, sondern existentiell.

Für das Portalprojekt ist gesorgt – KHZG sei Dank. Was jedoch fehlt ist die Klärung der dauerhaften Kosten, wenn die drei Jahre Wartung über KHZG-Finanzierung abgelaufen sind. Spätestens dann stellt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit. Wenn man den oben gezeichneten Weg eines Portals mit CDR-Anbindung gegangen ist, hat man gleich zwei Systeme mit entsprechenden laufenden Kosten. Für die Wirtschaftlichkeit muss also ein entsprechend hoher Nutzen gegenüberstehen. Dieser ist aber heute noch schwer absehbar, da er z. B. abhängig ist von der Entwicklung der ePA, der Krankenhausplanung oder der Zukunft von Gesundheitsregionen.

Fazit

Angesichts der diskutierten Schwierigkeiten für die Umsetzung eines multifunktionalen Patientenportals ist die Entwicklung einer entsprechenden Strategie schwierig. Das KHZG setzt zeitlich enge Schranken und erwartet eine Umsetzung trotz der aktuell schlechten Markterfahrungen insbesondere bzgl. Interoperabilität. Der Patient möchte sicher mehr digitale Services nutzen und erwartet eine entsprechende Entwicklung auf Seiten der Krankenhäuser. Das muss aber nicht heißen, dass Portal und Repository in einem Schritt umgesetzt werden, was an die Verszeile von Reinhard May erinnert: „Ich übe den Fortschritt und das nicht faul, nehme zwei Schritt auf einmal und fall‘ aufs Maul“.

Wirtschaftlich und aus taktischer Vorsicht ist eher anzuraten, die detaillierten Vorgaben des KHZG mit einem „möglichst schmalen Projekt“ zu erfüllen. Die Zeit wird zeigen, ob die ePA dann ein brauchbares Werkzeug für den Patienten geworden ist und das Krankenhaus-Portal die Lücken abdeckt, die die ePA eben nicht erfüllt. An der Patienten-Partizipation grundsätzlich zu arbeiten ist dringend geboten, das zeigen nicht nur die internationalen Vergleiche. Aber es sollte mit Augenmaß passieren!

Erstmalig erschienen in Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement Ausgabe 06/2023.

Quelle: Dr. Klaus-Uwe Höffgen (Rheinland Klinikum Neuss) 2024. Thieme