Klinikmarkt „Wie will Helios noch wachsen, Herr Möller?“

Robert Möller soll Helios neu aufstellen. Im Gespräch schildert der CEO, warum der Konzern trotz Krise im Markt wächst, die geplante Vorhaltefinanzierung kleine Kliniken nicht sichert – und warum Behandlungsqualität entscheidend für weiteres Wachstum ist.

Soll Helios in die Zukunft führen: CEO Robert Möller leitet seit Herbst 2023 Deutschlands größten privaten Klinikkonzern.

Die Fußstapfen sind groß, die Aufgaben ebenso. Seit September 2023 ist Robert Möller neuer CEO von Helios. Er löste Francesco de Meo ab, der über viele Jahre Helios zum größten privaten Klinikkonzern Deutschlands aufgebaut hat. De Meo sah zukünftiges Wachstum für Helios vor allem im Auslandsgeschäft – und überwarf sich damit mit Fresenius-Vorstandschef Michael Sen. Der tritt bei Akquisitionen derzeit massiv auf die Bremse, um den verschuldeten Dax-Konzern zu sanieren. In der neuen Fresenius-Konzernstrategie „#FutureFresenius“ nimmt Helios daher eine wichtige Rolle ein.

Herr Möller, die wirtschaftliche Lage für Krankenhäuser in Deutschland ist aktuell schwierig. Die DKG warnt vor einer Insolvenzwelle: Wie bewerten Sie die Situation?

Robert Möller: Ich habe keinen Einblick bei unseren Wettbewerbern. Was ich aus der Debatte jedoch wahrnehme, ist, dass die aktuelle Situation der Kliniken angespannter ist als in früheren Jahren. Zu den Gründen für die schwierige Entwicklung zählen sicherlich die hohe Inflation, die Tarifentwicklung, teilweise extreme Steigerungen bei Sachkosten und der wahrnehmbare Rückgang stationärer Patientenzahlen: Alle diese Faktoren zusammen machen es besonders schwierig für Häuser, die darauf nicht flexibel reagieren können.

Und wie ist die Lage für Helios?

Wir sind zufrieden mit dem Verlauf des Jahres 2023. Die stationären Fallzahlen haben sich positiv entwickelt, in einigen Bereichen sogar über das Vor-Pandemie-Niveau. Unsere Ergebnisse liegen innerhalb des selbst gesteckten Erwartungskorridors. Margen- und Ergebnisentwicklung ermöglichen einen positiven Ausblick für 2024. Die Helios-Gruppe war einmal mehr in der Lage, sich von der Entwicklung des Gesamtmarktes abzuheben. Damit rechnen wir auch für das laufende Jahr, trotz der zu erwartenden zusätzlichen Belastungen, etwa durch anstehende Tarifsteigerungen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir im Schnitt mehr wachsen als der gesamte Klinikmarkt. 

Wir wollen vor allem durch eine überlegene medizinische Performance wachsen. 

Kann Helios sogar vom herrschenden Konsolidierungsdruck profitieren?

Mit über 80 Krankenhäusern im gesamten Bundesgebiet verfügen wir bereits über eine gute Größe, am Markt agieren zu können. Diese Größenvorteile können wir zum Beispiel durch Prozessstandards oder auch im Einkauf als großer Nachfrager am Markt geltend machen. Das hilft uns gerade in Zeiten schwieriger Rahmenbedingungen. Wir wollen vor allem durch eine überlegene medizinische Performance wachsen, indem wir eine überdurchschnittliche Versorgung anbieten und Patienten durch ein besseres Angebot gewinnen.

Kommen die kleineren Kliniken im Helios-Portfolio schwieriger zurecht?

Zur Helios-Gruppe zählen kleine und sehr große Häuser, unter anderem sechs Maximalversorger. Wir setzen, wo immer möglich, auf die Zusammenarbeit in regionalen Clustern. Die arbeitsteilige Organisation im regionalen Verbund hilft vor allem den kleinen Häusern. Wir organisieren das Versorgungsangebot entlang des Versorgungsbedarfs. Nicht jedes Krankenhaus kann und muss die gleiche Versorgungstiefe anbieten. Kein Krankenhaus im Helios-Verbund arbeitet aber völlig allein.

Ist Ihre spanische Kliniktochter Quirónsalud immer noch wichtig für das Gesamtergebnis der Gruppe?

Quirónsalud ist nach wie vor wichtig und trägt einen guten und relevanten Teil zum Helios-Gesamtergebnis bei. 

Robert Möller ist seit September 2023 CEO der Helios Health GmbH und damit verantwortlich für die private Klinikgruppe. Gleichzeitig rückte Möller in den Vorstand des börsennotierten Gesundheitskonzerns Fresenius auf, zu dem Helios gehört. Möller (Jahrgang 1967) ist Nachfolger von Francesco de Meo, der Helios über lange Zeit führte und im September 2023 von Fresenius abrupt abberufen worden war.

Möller ist mit kurzen Unterbrechungen schon seit 2014 für den Krankenhauskonzern tätig und war zunächst bis 2017 Geschäftsführer im Helios Hanseklinikum Stralsund. 2019 übernahm der studierte Humanmediziner und Facharzt für Innere Medizin die Geschäftsführung verschiedener Helios-Regionen. 2022 wurde Möller, der berufsbegleitend ein Masterstudium Health Care Management absolviert hat, CEO der Helios Kliniken GmbH. 

In welchen Punkten unterscheidet sich der spanische Gesundheitsmarkt vom deutschen, und wo könnte der deutsche Markt lernen?

Der spanische Gesundheitsmarkt unterscheidet sich tatsächlich vom deutschen in zentralen Punkten. Ein wichtiger Unterschied ist, dass sich die spanische Bevölkerung stärker privat absichert, um sich die beste Behandlung leisten zu können. Dieses private Zusatzangebot wird in Spanien stark angenommen.

Zudem sind Klinikneugründungen weniger mit regulatorischen Hindernissen versehen. Darüber hinaus – und das ist ein wichtiger Punkt – haben spanische Krankenhäuser einen leichteren Zugang zum ambulanten Markt. Das heißt, sie können selbst unkomplizierter ambulante Angebote machen und so die teure Infrastruktur besser auslasten.

Etwas weiter sind unsere spanischen Krankenhäuser auch bei der Digitalisierung wichtiger Prozesse, etwa bei der Patientenaufnahme. Aus diesen Erfahrungen können wir bei Helios in Deutschland wichtige Anregungen übernehmen und unsere Prozesse hierzulande noch innovativer gestalten. 

Ich halte viele Grundideen der Reform für richtig. Es ist beispielsweise ein richtiger Gedanke, das Angebot für komplexe Behandlungen an Orten mit besonderer Expertise zu zentralisieren. 

Sind Sie immer noch ein Befürworter der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestrebten Reform der Krankenhausfinanzierung?

In der Tat halte ich viele Grundideen der Reform für richtig. Es ist beispielsweise ein richtiger Gedanke, das Angebot für komplexe Behandlungen an Orten mit besonderer Expertise zu zentralisieren und so ein besseres und vergleichbareres medizinisches Ergebnis zu gewährleisten. Helios hat diesen Weg schon lange eingeschlagen, weil so die medizinische Qualität steigt. Und darum geht es doch. Wir müssen eine Anziehungskraft in Richtung medizinischer Exzellenz erzeugen.

Ich halte die Zusammenarbeit in regionalen und inhaltlichen Clustern für richtig. Das ist und bleibt meine Überzeugung. Politisch sehe ich eine große Herausforderung darin, bei der Umsetzung die unterschiedlichen Voraussetzungen und Interessen der Bundesländer angemessen zu berücksichtigen.

Was ich nicht teile, ist die Sichtweise, dass das deutsche Gesundheitswesen von einer Ökonomisierung bedroht sei. Das Gegenteil ist ja richtig. Verbesserungen in der Effizienz kommen in erster Linie den Patienten zugute, deren Versorgung sich verbessert. Wirtschaftliche und gut strukturierte Prozesse schaffen die Grundlage dafür, aus eigener Kraft in den medizinischen Fortschritt zu investieren und so ein innovatives Umfeld zu schaffen. Das ist die Basis für eine überdurchschnittliche Behandlungsqualität. 

Helios in Zahlen

Helios ist nach eigenen Angaben Europas größter privater Gesundheitsdienstleister mit insgesamt rund 127 000 Mitarbeitenden. Zum Unternehmen gehören unter dem Dach der Holding Helios Health die Helios Gruppe in Deutschland sowie Quirónsalud in Spanien. In Deutschland betreibt das Tochterunternehmen der Fresenius SE derzeit mehr als 80 Akutkrankenhäuser, vom kleinen Grundversorger über mittelgroße Krankenhäuser bis hin zu sieben Maximalversorgern mit jeweils bis zu 1400 Betten. Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschafte Helios einen Umsatz von 12,32 Milliarden Euro, davon 7,3 Milliarden Euro in Deutschland.  

Was halten Sie von Vorhaltepauschalen?

Wir werden die damit einhergehenden Veränderungen bei Helios managen, wie alle früheren regulatorischen Veränderungen auch. Allerdings wird in der öffentlichen Debatte der falsche Eindruck vermittelt, dass die geplante Vorhaltefinanzierung die Existenz wirtschaftlich angeschlagener Krankenhäuser sichert. Eine Vorhaltefinanzierung ist gerade keine Existenzsicherung für Grundversorgungskrankenhäuser in Flächenländern. Sie kann auch Erlösverluste durch abnehmende Patientenzahlen nicht ausgleichen.

Zudem wird die aktuelle Reform die DRG-Vergütung nicht überwinden. Der Ersatz von Fallpauschalen durch Vorhaltebudgets – zunächst beschränkt auf 60 Prozent der DRG-Vergütung – bedeutet noch nicht die Abkehr von der leistungsbezogenen Vergütungssystematik.

Im flankierenden Krankenhaustransparenzgesetz geht es mir zu sehr um Strukturqualität und zu wenig um Behandlungsergebnisse. Wir müssen bei der Berichterstattung von Qualität in Zukunft stärker auf Ergebnisqualität abstellen. 

Mich stört, dass die medizinischen Erfolge von Einrichtungen, die ohne die finanzielle Absicherung öffentlicher Träger auskommen, in der Öffentlichkeit tendenziell mit Skepsis betrachtet werden. 

Wie stark dürfen Krankenhäuser und das öffentliche Gesundheitswesen in Zeiten der Krise alimentiert werden?

Zunächst einmal tun wir gut daran, die Krankenhausgrundversorgung solidarisch zu finanzieren. Mich stört aber, dass die medizinischen Erfolge von Einrichtungen, die ohne die finanzielle Absicherung öffentlicher Träger auskommen, in der Öffentlichkeit tendenziell mit Skepsis betrachtet werden. Alle Krankenhäuser in Deutschland arbeiten auf der Grundlage einer für alle gleichen Finanzierungssystematik.

Dass einige Häuser auf dieser Grundlage ihren Betrieb nicht sicherstellen können, hat sicher oft auch mit Investitionsdefiziten der Länder zu tun, oft aber auch mit der Ausrichtung von Eigentümern und Management. Ich kann keine ethische Überlegenheit darin erkennen, im Ernstfall öffentliche Gelder in Anspruch zu nehmen, ohne das eigene Verhalten zu ändern. In Wiesbaden eröffnen wir in Kürze mit den Helios HSK-Kliniken eines der modernsten Krankenhäuser des Landes. Den Löwenanteil der Investitionen haben wir selbst erwirtschaftet.

Die Inanspruchnahme staatlicher Energiehilfen in Höhe von rund 300 Millionen Euro hat dazu geführt, dass Fresenius den Aktionären für 2023 keine Dividende zahlen darf und Boni gestrichen werden: Planen Sie, die Finanzhilfen zurückzuzahlen?

Nein. Die Gelder wurden gesetzeskonform beantragt und bewilligt. An die damit verbundenen Auflagen halten wir uns.

Wo können und müssen Krankenhäuser sparen?

Wir arbeiten bei Helios kontinuierlich an unseren Prozessen, um uns vor allem im nicht-patientennahen Bereich schlanker aufzustellen. Unsere Versorgungsinfrastruktur möchten wir immer leistungsfähiger und effizienter machen. Davon profitieren vor allem die Patienten. Ein stringent organisiertes und gut strukturiertes Behandlungsangebot ist nicht nur günstiger, sondern in der Regel auch besser.

Wir müssen sorgsam mit unseren Ressourcen umgehen. Dazu gehört auch ein innovatives und in Teilen KI-getriebenes Gebäudemanagement. Es liegen große Reserven in Bereichen wie der automatisierten Be- und Entlüftung oder dem Herunterfahren von Beleuchtung, wo sie nicht gebraucht wird. Wir haben einen 100-Punkte-Plan erstellt und an alle Häuser gegeben. Darin enthalten sind Themen wie die Dämmung von Fenstern und Türen bis hin zur automatischen Temperaturregelung. Wichtig ist auch ein systematisches Verbrauchs-Reporting, damit Handlungsfelder frühzeitig sichtbar werden. Im vergangenen Jahr konnten die Helios-Kliniken so 17 Prozent ihres Energiebedarfs einsparen. 

Wir werden unsere Position in Spanien und Deutschland weiter ausbauen. 

Ihr Vorgänger Francesco De Meo wollte (international) expandieren. Fresenius Konzernchef Michael Sen setzt auf Fokussierung. Er hat unter anderem die Kinderwunsch-Klinikkette Eugin verkauft und die Aktivitäten der Digitaltochter Curalie eingestellt – ein Entwickler von Gesundheits-Apps und angeblich ein Prestigeprojekt: Wie stehen Sie zu diesen Verkäufen?

Wir werden unsere Position in Spanien und Deutschland weiter ausbauen. Das Wachstum wird aber auf Grundlage eines weiter verbesserten Angebots, weiter steigender Attraktivität und – damit einhergehend – zunehmender Akzeptanz gründen. Für Eugin haben wir einen Käufer gefunden, der inhaltlich besser zur Ausrichtung der Kliniken passt. Für Fresenius wiederum ist dies Teil der im vergangenen Jahr angekündigten Strategie #FutureFresenius, sich auf Kerngeschäfte zu konzentrieren und Randgeschäftsfelder zu veräußern, auch um dadurch mehr finanzielle Flexibilität zu gewinnen.

Zum Thema Digitalisierung: Wir werden auch künftig die Entwicklung digitaler Angebote vorantreiben, aber innerhalb der Helios-Klinikgruppe. Dafür haben wir uns auch personell verstärkt und neue Digital-Units eingerichtet. Wir haben innerhalb der Gruppe einen starken Fokus auf die digitale Transformation. 

Wie kommen Sie mit der Verzahnung ambulanter und stationärer Angebote voran, und was ist hier Ihr Ziel bis 2025?

Wir sind hier gut aufgestellt. Wir betreiben deutschlandweit mehr als 600 Kassenarztsitze und sind damit der größte klinische Anbieter ambulanter Leistungen. Krankenhäuser brauchen die ambulanten Strukturen und müssen in der Lage sein, ihren Patienten diese Möglichkeiten anzubieten. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch den Ausbau der tagesklinischen Versorgung. Das ist in der Sache richtig. Wir dürfen die Nacht im Krankenhaus nicht überbewerten.

Woher soll künftiges Wachstum kommen?

Helios wird weiter organisch wachsen, indem wir eine überdurchschnittliche Performance an den Tag legen und für qualitätsbewusste Patienten noch attraktiver werden. Wir werden weiter investieren und den Innovationsgrad hochhalten. Unter anderem wollen wir uns noch stärker dem Thema KI zuwenden. Wir werden das Arbeiten in regionalen Versorgungsclustern vorantreiben. Wachstum entsteht nach meiner festen Überzeugung vor allem durch überdurchschnittliche Behandlungsergebnisse.

Quelle: Sabine Rößing (Freie Journalistin) 2024. Thieme