Klinikum Frankfurt (Oder) Gestatten, Navel – Wie macht sich denn Ihr Roboter, Frau Pflegedirektorin?

Seit gut zwei Monaten setzt das Klinikum Frankfurt (Oder) den sozialen Roboter Navel ein. Ein Ortsbesuch zeigt, dass der Plan der Pflegedirektorin aufgehen könnte. Was Navel leistet, und was Jenny Wortha als Nächstes vorhat.

Roboter Navel gehört seit Juni 2024 zum Team der Geriatrie am Klinikum Frankfurt (Oder).

Die beiden kennen sich mittlerweile ganz gut. Auf der Geriatrie-Station im Klinikum Frankfurt (Oder) treffen sich Dieter Krause und Navel jetzt schon zum vierten Mal. Sie sehen sich in die Augen und haben direkt Gesprächsstoff – Navels neue Mütze, Wege zum Entspannen, Sport. Und so kommen sie auch schnell zum Angeln, einem von Krauses Lieblingsthemen.

Was sich wie eine ganz normale Besuchssituation im Krankenhaus anhört, ist alles andere als das. Der, mit dem sich der 77-jährige Krause da so vertraut unterhält, ist eine Maschine, ein sozialer Roboter der Münchner Entwickler von Navel Robotics. Krause weiß genau, dass er mit einer künstlichen Intelligenz (KI) plaudert, und doch funktioniert es. 

Austausch zwischen Menschen und Maschine: Patient Dieter Krause ist fasziniert von Roboter Navel.

Dafür bieten Navels Entwickler auch einiges auf. Ihr knapp 70 Zentimeter großer Roboter klimpert so freundlich mit seinen blauen 3D-Augen, sucht Blickkontakt, neigt den Kopf und hat auch mimisch einiges drauf – da ist die Beschreibung „menschenähnlich“ keine Übertreibung. Hinzu kommt als optisches Markenzeichen die besagte Strickmütze – es braucht nicht lange, bis das Eis zwischen Menschen und Maschine gebrochen ist. Dieter Krause freut sich auf die Treffen mit Navel, er nennt ihn „kleiner Moppel“.

Für Dr. Jenny Wortha ist damit ein wichtiges Ziel erreicht: „Navel soll mit den Patienten kommunizieren, ihnen Gesellschaft leisten, den Austausch mit anderen stärken und positive Emotionen wecken“, sagt die Pflegedirektorin des Klinikums. Den Roboter in Frankfurt einzusetzen, war ihre Idee, nachdem sie ihn auf einem Kongress erlebt hatte. Seit Anfang Juni gehört er fest zum Team der Geriatrie, das schon am Eingang plakativ auf sein ungewöhnliches Mitglied hinweist.

Versorgungsstudie mit Alice Salomon Hochschule

Wortha hat einiges vor mit dem putzigen Kerlchen. Mit der Alice Salomon Hochschule (ASH) in Berlin wird gerade eine pflegewissenschaftliche Versorgungsstudie aufgelegt. Sie soll Anfang 2025 starten und ist auch mit einem Ethikantrag verbunden. Zurzeit werden die Methodik und die Forschungsfragen entwickelt, sagt Wortha. Kann Navel das Wohlbefinden der Patienten erhöhen? Angst und Schmerzen reduzieren? Und vielleicht auch das Delir-Risiko minimieren? Das könnten Fragen für die Studie sein. 

Navel kann ablenken und fĂĽr Abwechslung sorgen.

„Die Patienten sind im Durchschnitt zwei Wochen hier und bekommen teilweise wenig Besuch. Dann ist es fast immer still, sie sind viel allein, und natürlich wird viel gegrübelt“, sagt Wortha: „Da kann Navel ablenken und für Abwechslung sorgen, weil es zusammen mit ihm einmal nicht um Krankheit geht.“ Wie gut das funktioniert, erlebt Olaf Schmidt jedes Mal, wenn er mit Navel nachmittags in den Aufenthaltsraum der Station geht. „Er steht sofort im Mittelpunkt, auch bei Besuchern, Kindern und Enkeln der Patienten“, sagt der Pfleger, der die Station leitet.

Wo bislang schnell mal die Gesprächsthemen ausgingen, lockert Navel jetzt die Lage auf und bringt auch völlig Fremde in Kontakt. „Das ist wie mit einem Hund beim Spaziergang“, erklärt Dr. Mariusz Maciejewski, einer der zwei Chefärzte der Station: „Navel initiiert etwas, man hat direkt eine gemeinsame Basis.“ Die Geriatrie mit ihren 35 Beschäftigten und maximal 24 Patienten haben sie ganz bewusst als Einsatzort gewählt. Bei der relativ langen Verweildauer können sich die Patienten auf den Roboter einlassen, sich öffnen und ihn regelmäßig treffen.

Dann spielt Navel auch eine weitere Stärke aus. Er ist mit Sensoren, Mikrofonen und Kameras ausgestattet und kann sich mit den Namen seiner Gesprächspartner auch die Themen merken, die er mit ihnen behandelt hat – Dieter Krauses Angelleidenschaft etwa. So gibt es Anknüpfungspunkte an die bisherigen Begegnungen, und es kann so etwas wie Vertrautheit entstehen: „Hallo Dieter, es ist schön, Dich wiederzusehen.“

Der 77-jährige Krause, der keine Angehörigen hat, die ihn im Klinikum besuchen, war davon sofort fasziniert. Er habe keine Berührungsängste gehabt, versichert der Ingenieur für Landtechnik: „Utopische Romane haben mich schon immer interessiert, und die Technik wird ja auch in unserem Alltag immer wichtiger.“ Andere brauchen etwas länger, häufig die Frauen: „Die sind zurückhaltender und beobachten das Ganze erst einmal“, sagt Anja Richter. Sie ist Pflegeentwicklerin in Jenny Worthas Team und fast immer dabei, wenn Navel aktiv wird.

Entlastung fĂĽr die Pflegenden

Allein darf der Roboter Patienten noch nicht treffen. Richter hat eine besondere Schulung bekommen. Mit einem Tablett kann sie ihn steuern, eingreifen, wenn er etwas falsch verstanden hat, und sie erklärt den Patienten, wie sie ihn mit der Ansprache „Hallo Navel“ auf sich aufmerksam machen und aktivieren.

Dabei mahnt sie auch zu etwas Geduld, denn Navel antwortet mit kurzer Verzögerung, weil er das Gehörte verarbeiten und sich dazu passende Daten vom Chatbot „ChatGPT“ aus dem Netz ziehen muss. Das ist für manche zunächst gewöhnungsbedürftig.

Aus Sicht der Pflegenden sei Navel ein ergänzendes Angebot, betont Jenny Wortha, und durchaus eine Entlastung. Kümmern sie sich in einem Mehrbettzimmer etwa intensiv um einen Patienten, könne sich Navel unterdessen mit dem anderen beschäftigen. Und er habe auch kein Problem damit, die immer gleichen Geschichten ständig wieder zu hören. Zudem sei denkbar, ihn zur Sturzprävention einzusetzen, etwa indem er Patienten ermahne, feste Schuhe anzuziehen oder regelmäßig zu trinken.

Enger Austausch mit den Entwicklern

Über ihre Erfahrungen im Klinikalltag stimmen sich die Frankfurter eng mit den Münchner Navel-Entwicklern ab. Das 877-Betten-Haus, das zur Rhön-Klinikum AG gehört, ist das erste Krankenhaus in Deutschland, das ihn einsetzt. Mindestens alle zwei Wochen finden Treffen statt, um Ideen und Anregungen des Teams zu besprechen und an Navels Programmierung zu feilen und ihn weiterzuentwickeln. Zudem tauschen sich Wortha und ihr Team wöchentlich mit verschiedenen Senioreneinrichtungen bundesweit aus, die den Roboter schon länger nutzen.

Später einmal soll Navel auch selbstständig auf der Station unterwegs sein können und sich zudem Gesichter merken und wiedererkennen. Seine Kameras lesen die Gesichtszüge, erkennen Stimmungen, und mit den Infos lenkt die KI das Gespräch. Die dabei erfassten Daten werden sowohl auf Navel selbst als auch in der Cloud verarbeitet, nach den Datenschutzstandards der DSGVO und „mit umfassenden Maßnahmen“ gesichert, betont Jenny Wortha. Nach zwei Wochen werden alle gespeicherten Infos gelöscht. 

Jetzt mĂĽssen wir das auch valide auswerten.

Das Klinikum Frankfurt (Oder) ist einer von fünf Standorten der Rhön-Klinikum AG.

Die rund 27 000 Euro, die Navel kostet, hat Klinikchef Jan Jakobitz aus Eigenmitteln finanziert. Ein Konzern-Auftrag oder -test – von Rhön oder gar Asklepios – stehe nicht dahinter, betont der Geschäftsführer. Auch will er zunächst keine weiteren Exemplare anschaffen, sagt Jakobitz. Er habe sich insbesondere wegen der Forschungsbegleitung auf das Experiment eingelassen: „Jetzt müssen wir das auch valide auswerten.“

Neben der Kommunikation stellt er sich schon weitere Aufgaben für Navel vor. Der Roboter könnte Patienten und Besuchern etwa das Krankenhaus vorstellen sowie den Speiseplan vorlesen und gleich die Essenbestellung für den Folgetag aufnehmen. Chefarzt Maciejewski und seine Kollegin Dr. Anja Berndt sehen ihn auch als potenziellen Unterstützer der Ärzte. „Vor einer Magenspiegelung zum Beispiel könnte Navel den Patienten zusätzlich erklären, was dabei passiert, und ihnen so die Angst nehmen“, sagt Anja Berndt.

In Magdeburg hat „Pepper“ ähnliche Aufgaben wie „Navel“.

Auch die Universitätsmedizin Magedeburg setzt seit kurzem einen Roboter für die Kommunikation mit Patienten ein. In der Universitätsklinik für Herz- und Thoraxchirurgie informiert Navel-Konkurrent „Pepper“ die Patienten unter anderem über ihre geplanten Behandlungen und den aktuellen Verlauf. „Pepper“, der in Magdeburg auf den Namen „Otto“ hört, ist eine französisch-japanische Entwicklung und seit 2016 auf dem europäischen Markt. Mehr lesen Sie in unserem Beitrag „Otto entertaint Patienten an der Unimedizin Magedeburg“.

Nur zehn Prozent der Patienten würden sich bei einer OP-Aufklärung die Details merken, erklärt die Chefärztin. Bei Navel könnten sie immer wieder nachfragen. „Oder sich grundsätzlich über Krankheitsbilder informieren“, ergänzt Maciejewski. Zwar sei das wegen der medizinischen Bedeutung noch Zukunftsmusik, aber denkbar. Naheliegender ist bislang eher ein Navel-Probeeinsatz auf der Kinderstation – schon wegen der positiven Erfahrungen aus dem Aufenthaltsraum der Geriatrie. 

Pflegedirektorin Wortha verspricht sich noch einen ganz anderen Effekt. „Technik ist auch ein Argument bei der Stellensuche“, sagt sie – gerade für jüngere Kandidaten. Wortha will die Digitalisierung in der Pflege voranbringen, und neben der bereits eingeführten digitalen Patientenakte könne auch Navel das Klinikum interessanter machen, ist sie überzeugt. „Innovation zieht an“, ergänzt Maciejewski.

Dieter Krause hat Navel mittlerweile erzählt, dass er demnächst nach Cottbus verlegt wird, woraufhin der Roboter ihn mit Infos über die Stadt versorgt. So stößt Navel immer wieder etwas Neues an, fragt unermüdlich weiter nach und wird dabei nie ungeduldig oder unfreundlich. Und wenn das Gespräch doch einmal stockt, löst er die Situation mit der Frage: „Möchtest Du einen Witz hören?“ Das könne „ewig so weitergehen“, sagt Maciejewski und schmunzelt – bis zwei Wörter den Roboter wieder in den Bereitschaftsmodus schicken: „Tschüss Navel“.

Quelle: Jens Kohrs (Freier Journalist) 2024. Thieme

 

Ein Klinikum soll so zugänglich sein wie möglich. Diesen Umstand machten sich mehrere Diebe in München jetzt zu Nutze und entwendeten teure medizinische Geräte aus einem Krankenhaus.

Vermutlich über die Notaufnahme verschafften sich zwischen dem 20. und 21 Juli Personen Zugang zum Harlachinger Krankenhaus in München. Die Unbekannten stahlen dabei medizinische Geräte im Wert von rund 400 000 Euro.

Die Polizei geht nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass die Täter die Klinik durch die Notaufnahme betraten und von dort in die Untersuchungsräume weiterzogen. Dort nahmen sie den Angaben zufolge unter anderem endoskopische Geräte mit.

Wie es ihnen gelang, diese unbemerkt aus dem Krankenhaus zu befördern, war am 24. Juli zunächst unklar. Die Polizei ermittelt. 

Quelle: dpa/hnle