Krankenhausreform – Der Gesetzentwurf ist da – jetzt geht’s ans Feintuning

Am 24. April soll er in die Kabinettsabstimmung, jetzt ist er in den Ressorts: der Referentenentwurf zur Krankenhausreform. Doch nicht immer gilt: Ende gut, alles gut. Das Herzstück der Krankenhausreform liegt zwar vor, es hagelt jedoch reichlich Kritik – auch auf dem DRG Forum.

Rede von Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf dem DRG Forum: Die orangen Warnwesten mit der Aufschrift #jetzthandeln verteilte die DKG zum stillen Protest an die Teilnehmenden.

Mitte März 2024 ging der Referentenentwurf zur Krankenhausreform in die Ressortabstimmung. Zeitnah soll mit den Bundesländern gesprochen werden. Im April startet dann die Länder- und Verbändeanhörung, die zum üblichen Ablauf eines Gesetzesvorhabens gehört. Dennoch beklagen vor allem die Länder, dass sie den Referentenentwurf bis heute nicht aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) bekommen haben.

Das nach wie vor angespannte Bund-Länder-Verhältnis wird jedem Zuhörer auf dem DRG Forum spätestens bei der Rede der Bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach bewusst, die für die erkrankte Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Kerstin von der Decken, einspringt und deutlich Kritik am Vorgehen Lauterbachs äußert. Gleichzeitig sind sich alle Kongress-Teilnehmenden in allen Sessions einig, wie wichtig ein gelungener Dialog für den Prozess sei. Es kommen immer wieder Seitenhiebe von unterschiedlichen Akteuren Richtung Lauterbach, dass die Reform nicht top down gelingen kann und alle Beteiligten einbezogen werden müssen.

Die Timeline für das KHVVG – laut Bundesgesundheitsminister:

  • 22. März 2024: Bundesrat beschließt Transparenzgesetz
  • 11. April 2024: Anhörung Spitzenverbände im BMG
  • 11. April 2024: Anhörung Kommunen im BMG
  • 17. April 2024: Anhörung Länderminister:innen im BMG
  • 24. April 2024: Beschluss des KHVVG im Bundeskabinett
  • September 2024: Voraussichtliche Fertigstellung der Arbeit an dem Leistungsgruppen-Grouper
  • 01. Januar 2025: Inkrafttreten des KHVVG
  • Ende 2025: Pionierländer sollen Leistungsgruppen erstmalig zuordnen
  • 2027 und 2028: Konvergenzphase
  • Ab 2029: Komplettumsetzung der Reform

Bereits 2025 sollen Anträge für den Krankenhaustransformationsfonds gestellt werden können, die Förderung und damit die Auszahlung der Gelder soll ab dem 01.01.2026 beginnen.

Reformentwurf: Weg vom Mengenwettbewerb hin zum Qualitätswettbewerb

Scheinbar passend zum DRG Forum hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) Mitte März seinen Referentenentwurf veröffentlicht und ist damit am 21. März bei der Eröffnung des Forums erstmals in den öffentlichen Diskurs gegangen. f&w Chefredakteur Florian Albert ist froh, dass die Diskussionen nun auch fundiert auf Grundlage des Papiers geführt werden können: „Die Zeit des Spekulierens ist vorbei, jetzt wird es ernst mit der Krankenhausreform“. Lauterbach selbst erhofft sich von dem DRG Forum „wichtige, interessante Anregungen – auch gerne Kritik“. Er stellt aber auch klar, dass „das jetzige System so nicht weitergehen kann“. Klare Worte, die nicht jedem gefallen. 

Die Zeit des Spekulierens ist vorbei, jetzt wird es ernst mit der Krankenhausreform. 

Viele Überraschungen gibt es in dem 186 Seiten umfassenden Referentenentwurf nicht. Der Minister hält an seinen drei Zielen fest: Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Schließung von Qualitätsdefiziten. Die bisherigen Fallpauschalen, mit denen die Kliniken pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Betrag bekommen, sollen der Vorhaltefinanzierung weichen, die bereits in den vorherigen Papieren genannt wurde. Die Vorhaltepauschalen sollen künftig 60 Prozent der Vergütung ausmachen und werden für das Vorhalten von Personal, notwendiger Medizintechnik etc. gezahlt. Dafür werden die Fallpauschalen gesenkt. Der Transformationsfonds soll hälftig von den Ländern und vom Bund gefüllt werden. Für die Bundesmittel sieht Lauterbach die gesetzlichen Krankenkassen in der Pflicht.

Dass hier noch weiterer Diskussionsbedarf besteht, wird in mehreren Sessions deutlich. Dennoch sei es gut, dass jetzt endlich der Entwurf vorliege, bringt es Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des Uniklinikums Schleswig-Holstein, auf den Punkt. Auf dessen Grundlage könne man nun in den Diskurs gehen. Dieser Aufforderung kommen die Teilnehmenden des DRG Forums auch an beiden Tagen nach.

Neue Aspekte im Referentenentwurf

Neu im Referentenentwurf taucht das Wörtchen „Mindestvorhaltezahlen“ auf. Kritiker befürchten noch mehr Bürokratie und einen bleibenden Run um Fallzahlen, weil diese für die sogenannten Mindestvorhaltezahlen weiter erlösrelevant bleiben. Werden diese unterschritten, droht im nächsten Jahr der Verlust der Erlaubnis zur Leistungsabrechnung. Befürworter wie der GKV-Spitzenverband sehen in den Mindestvorhaltezahlen eine Notwendigkeit, um „Gelegenheitsbehandlungen zu verhindern“.

Minister Lauterbach betont in seiner Eröffnungsrede zudem, dass man im Referentenentwurf auch den Wunsch der Länder aufgegriffen habe, die Sicherstellungszuschläge noch einmal zu erhöhen sowie Qualitätskriterien für bedarfsrelevante, kleine Häuser auszusetzen. Zudem findet er klare und versöhnliche Worte und räumt mit vermeintlichen Missverständnissen auf.

Drohende Insolvenzgefahr?

Man sucht in dem Gesetzentwurf jedoch vergebens eine Lösung für das unmittelbare Problem der drohenden Krankenhausschließungen. Das kritisieren zumindest die Gegner am Eröffnungstag des DRG Forums. Auch finanzielle Soforthilfen – wie von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gefordert – findet man im Referentenentwurf nicht. Einem Vorschaltgesetz erteilt der Minister erneut eine klare Absage. Die Mittel, die fließen, müssen die Reform unterstützen und nicht gegen sie laufen, erklärt er.

Seiner Meinung habe der Bund keine Möglichkeiten, einzelne Kliniken beispielsweise bei den Betriebsausgaben zu unterstützen. Der Minister betont, dass die Länder diese Reform genauso benötigen wie die Kliniken. Denn: „Wir haben weder das Personal noch die Ressourcen noch den Bedarf für über 1700 Krankenhäuser.“ Für ihn ist daher die Spezialisierung und die Zentralisierung absolut notwendig, denn diese Anzahl an Krankenhäusern könne nicht weiter betrieben werden. 

Wir haben weder das Personal noch die Ressourcen noch den Bedarf für über 1700 Krankenhäuser. 

Lauterbach wischt das Thema der akuten Insolvenzgefahr, das von der DKG derzeit immer wieder in den Vordergrund gerückt wird, vom Tisch und verweist darauf, dass das BMG durchaus Krankenhäuser finanziell entlastet: Neben den Sicherstellungszuschlägen gibt es Liquiditätshilfen bei den Mindererlösen der Pflege, auch wenn diese kein „frisches Geld“ ins System bringen. On top verspricht der Minister öffentlich den rückwirkenden Ausgleich der Tarifsteigerungen des Jahres 2024. Zudem betont er, dass Gelder aus dem Struktur- und dem Transformationsfonds fließen werden, und sieht hier auch die Träger in der Pflicht. Der Landesbasisfallwert steigt 2025 und im gleichen Jahr soll man auch schon Gelder aus dem Transformationsfonds beantragen können. „Ich würde glauben, dass wir damit einen großen Teil der Häuser retten können, die benötigt werden.“ Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dies am ehesten dort gelingen werde, wo die Länder mitmachen. 

Ich würde glauben, dass wir damit einen großen Teil der Häuser retten können, die benötigt werden. 

Auf die Frage von Albert, ob man Insolvenzen im Rahmen des Strukturwandels akzeptieren müsse, gibt der Minister keine eindeutige Antwort: „Es kommt auf das Haus an.“ Insolvenz sei auch nicht gleich Insolvenz, sie könne auch produktiv sein, wenn es im Rahmen dieser zum Beispiel zu einer Umstrukturierung komme.

Kritik am Lauterbachschen Referentenentwurf

Konsens besteht zwischen allen Parteien, dass es weniger Krankenhäuser bedarf und eine Reform dringend notwendig ist. Dennoch kommt der Referentenentwurf nicht überall gut an. Die Opposition – allen voran Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) – mahnt auch im Namen der Länder auf dem DRG Forum, dass die Reform nur im Schulterschluss von Bund, Ländern und Leistungserbringern zu einem Erfolg führen wird. Sie wirft Lauterbach vor, dass er „ein weiteres Mal die Länder nicht vorab einbezogen“ habe und ihm die Schlagzeile in der Bild-Zeitung wichtiger wäre „als das kollegiale Zusammenarbeiten mit den Ländern“.

Sie erinnert, dass der Minister den Ländern den Entwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) für Dezember letzten Jahres zugesagt habe – und „dann passierte lange nichts“. „Bis heute haben die Bundesländer keinen neuen Entwurf des Gesetzes von Ihnen vorgelegt bekommen. Wir haben ihn über die Presse bekommen“, prangert Gerlach die Kommunikation des BMG an. „Das ist stillos und zerstört Vertrauen, das ist politischer Wortbruch.“ Doch Gerlach ist nicht allein mit ihrer Kritik. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, nannte die Finanzierungsvorschläge bereits am Wochenende zuvor in der Bild am Sonntag „völlig unausgegoren“, sie würden vor Ort zu weiterer Verunsicherung führen. 

Das ist stillos und zerstört Vertrauen, das ist politischer Wortbruch. 

Die Kritik der Kassen auf dem DRG Forum ist ebenfalls nicht neu. AOK-Bundesverbandschefin Carola Reimann begrüßte nach Bekanntwerden des Referentenentwurfes prinzipiell eine stärkere Leistungskonzentration und Spezialisierung. Sie kritisierte jedoch, dass so eine „Mammutaufgabe“ nur gemeinsam von allen Akteuren getragen werden könne. Zudem mahnte sie an, dass die verbindliche Definition der Leistungsgruppen nachgelagert werde, die „schnelle Gießkannen-Finanzierung mit der Refinanzierung von Tariferhöhungen einfach fortgesetzt“ wird.

Sie warnte zudem davor, dass die schnellen Einsparungen des BMG im dreistelligen Millionenbereich ab 2025 „komplett illusorisch“ seien. Dass die Bundesmittel allein durch die gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden sollen, sei „unfair“ und „kontraproduktiv“. Reimann bekam Anfang der Woche Schützenhilfe von IKK-Verbands-Geschäftsführer Jürgen Hohnl, der ebenfalls die Finanzierung der Transformation durch die gesetzlichen Kassen kritisierte: „Aus unserer Sicht bleibt es kritisch, dass die Umgestaltung der Krankenhausstrukturen über den Gesundheitsfonds und damit über die Beitragszahlenden finanziert werden soll. Wenn auch der Minister den Ländern erfreulicherweise das Schlupfloch verbauen möchte, ihren Anteil am Transformationsfonds aus den (viel zu geringen) Investitionsmitteln umzubuchen.“

Auch DAK-Chef Andreas Storm bezeichnete die Lauterbachschen Finanzierungspläne als „klassische Umverteilung von unten nach oben“ und fand es inakzeptabel, dass die Privatversicherten und die Beamten bei der Finanzierung der Krankenhausreform nicht mit herangezogen werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte das BMG sogar explizit auf, die Reform aus Steuermitteln zu bezahlen. „Bund, Länder und Gemeinden müssen hierfür gemeinsam mit Steuermitteln einstehen“, appellierte Bundesvorstandsmitglied Anja Piel an den Minister. 

Aus unserer Sicht bleibt es kritisch, dass die Umgestaltung der Krankenhausstrukturen über den Gesundheitsfonds und damit über die Beitragszahlenden finanziert werden soll. 

Wenn auch das Gros der Ampelkoalition die Pläne Lauterbachs verteidigt und die Reformvorschläge als dringend geboten sieht, gibt es selbst innerhalb der SPD-Fraktion Vorbehalte gegen Lauterbachs Finanzierungsvorschlag bezüglich des Transformationsfonds. Diesen sieht der GKV-Spitzenverband im Übrigen als „verfassungsrechtlich schwierig“ an.

Während die Deutsche Krankenhausgesellschaft und andere die Vorhaltepauschale in toto ablehnen, ist sie für die Kassen durchaus richtig und wichtig. Dr. Simon Loeser, Unternehmensbereichsleiter Stationäre Versorgung der AOK Rheinland/Hamburg, sieht in ihr eine „Prämie für das bedarfsgerechte Gesundschrumpfen der stationären Leistungsmenge“, das erforderlich sei. Er ist sich sicher, dass fast jedes Krankenhaus mit einer schlau konzipierten Vorhaltefinanzierung das Jahresergebnis verbessern kann. „Das gilt jedoch langfristig nur, wenn das Landesvorhaltebudget von der Menge entkoppelt wird“, kritisiert er den Referentenentwurf, der das noch nicht berücksichtigt.

Ebenfalls Kritik von mehreren Seiten hagelt es, da Auswirkungsanalysen, die noch vor dem Inkrafttreten der Reform skizzieren sollen, wie sich die geplanten Leistungsgruppen und die Vorhaltefinanzierung auf die Versorgung auswirken könnten, nicht geplant sind. Diese stehen laut Gesetzentwurf erst in fünf Jahren auf dem Plan.

Ärzte und Kliniken laufen Sturm

Kritik kam wie nicht anders zu erwarten auch auf dem DRG Forum seitens der DKG, die vor Beginn an die Teilnehmenden rote Warnwesten als stillen Protest verteilte. Es verwundert daher kaum, dass Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, auf der Podiumsdiskussion zu Beginn des DRG Forums keinen Hehl daraus macht, dass sein Verband den Reformentwurf in dieser Fassung nicht gutheißt und der kalte Strukturwandel aus seiner Sicht nicht durch den Gesetzentwurf gestoppt werde. „Es ist schon fünf nach zwölf. Lauterbach hat wieder keine Perspektive eröffnet für die kommenden Jahre“, beklagt der DKG-Chef.

Er signalisiert an den Minister aber auch, dass die „Reformbereitschaft da ist und dass die Träger alle einverstanden sind, diesen Transformationsprozess mitzugehen“. Gaß bemängelt jedoch einmal mehr, dass es einen „planvollen Transformationsprozess“ braucht und keinen kalten Strukturwandel, wie er sich derzeit abzeichnet.

Neben den Krankenhäusern sehen auch die niedergelassenen Ärzte skeptisch auf Lauterbachs geplante Krankenhausreform. Die Notwendigkeit erkennen auch sie an. Sie sind sich aber auch einig – das ergeben zumindest eine Studie der Stiftung Gesundheit und eine Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, dass die Reform erhebliche Effekte auf die hausärztlichen Praxen, aber auch auf die belegärztliche Leistungserbringung und das ambulante Operieren haben wird. Der Hausärzteverband Baden-Württemberg kritisierte bereits in der vergangenen Woche, dass die „Reformvorschläge nicht zum Ziel haben, eine gute medizinische Versorgung sicherzustellen, sondern den finanziellen Engpass der Kliniken zu beseitigen“. Auch eine fehlende Einbeziehung der Hausärztinnen und Hausärzte wird bemängelt. Damit sind sie – wie das DRG Forum eindrücklich zeigt – nicht allein.

Quelle: Alexandra Heeser (freie Journalistin) 2024. Thieme.