Krankenhausreform „Too big to fail“ – Zum Erfolg verdammt?

Die Bund-Länder-Runde zur Krankenhausreform endete erneut mit Uneinigkeit. Während Lauterbach weiterhin die Zustimmungspflicht der Länder ablehnt, drohen diese mit einer Verfassungsklage. Gegenwind kommt auch von den Kassen.

Zusammen mit Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) machte die Hamburger Gesundheitsministerin Melanie Schlotzhauer (SPD) klar, welche vier Punkte im Gesetzentwurf seitens der Länder den Praxischeck nicht bestanden haben.

Am 17. April 2024 trafen sich Bund und Ländern zu einer erneuten Diskussion über die Krankenhausreform. Der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf sorgte allerdings nicht nur bei den Ländern für Probleme. Auch die Kassen wollen den Zugriff der Politik auf das Geld der Versicherten verfassungsrechtlich prüfen lassen.

Trotz all der Streitpunkte wiederholte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) beinahe gebetsmühlenartig, dass die Reform eine „einmalige historische Gelegenheit ist, unser Krankenhaussystem neu aufzubauen“ und alle Player sich einig seien, dass es keine Alternative gibt. Als „too big to fail“ bezeichnete der Minister daher die Reform und führte weiter aus: „Wir sind zum Erfolg verdammt.“ Gelinge es uns jetzt nicht, springe uns der Ball vom Fuß und ein ungeordnetes Krankenhaussterben sei nicht mehr abzuwenden, appellierte Lauterbach an alle Akteure.

Uneinigkeit zwischen Bund und Ländern

Dennoch täuscht Lauterbachs Statement nicht darüber hinweg, dass die Krankenhausreform weiterhin großes Konfliktpotenzial birgt. Das wurde allein auf Länderebene am 17. April gleich zwei Mal deutlich. Zum einen als Lauterbach mit der Hamburger Gesundheitsministerin Melanie Schlotzhauer (SPD) vor die Mikrofone trat und die Landespolitikerin klar machte, welche vier Punkte im Gesetzentwurf seitens der Länder den Praxischeck nicht bestanden haben. Die Länder fordern mehr Entbürokratisierung und eine Auswirkungsanalyse noch in diesem Jahr, die auch die finanziellen Auswirkungen der Reform auf die Kliniken zeigen soll. Zudem verlangte sie im Namen der Länder mehr sektorenübergreifende Versorgungsmodelle, so dass Krankenhäuser künftig mehr ambulante Leistungen erbringen können. Bei diesen Punkten zeigte sich der Minister offen. Der Forderung der Länder nach mehr Ausnahmeregelungen bei den Qualitätskriterien hingegen erteilte er eine klare Absage: „Da ist der Bund streng.“

Der Dissens wurde zum anderen noch einmal sehr deutlich, als kurz vor Beginn der Pressekonferenz eine Mitteilung aus dem Bayerischen Gesundheitsministerium Lauterbachs Bemühen um Einigkeit ebenfalls Lügen strafte. Denn Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hatten ein verfassungsrechtliches Gutachten in Auftrag gegeben, das als Ergebnis hat, dass „der vorliegende Entwurf erheblich in die Krankenhausplanungshoheit der Länder eingreift“. In der Mitteilung hieß es weiterhin, dass sogar das Risiko bestünde, dass das Gesetz – ohne ausdrückliche Zustimmung einer Stimmenmehrheit der Länder im Bundesrat – formell verfassungswidrig sei.

 

Wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach sein Vorhaben nicht korrigieren sollte, wird Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagen. 

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) betonte am 17. April mit Blick auf das Rechtsgutachten: „Wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach sein Vorhaben nicht korrigieren sollte, wird Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagen.“ Und auch die drei anderen Gesundheitsminister, die neben Bayern das Gutachten in Auftrag gegeben hatten, machten keinen Hehl daraus, dass sie – wie ursprünglich vereinbart – an der Zustimmungspflicht der Länder festhalten. Der Bundesgesundheitsminister begegnete der Drohkulisse gelassen und blieb seiner bisherigen Linie treu: Das Gesetz bleibt zustimmungsfrei.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Inwieweit dieser Konflikt das Gesetzesvorhaben verzögert, bleibt offen. Schlotzhauer betonte zwar, dass die Länder „wollen, dass das Gesetz gelingt“. Sie wünschte sich aber auch deutlich mehr Beweglichkeit vom Bund als es dieser gestern gezeigt habe.

Das spiegelt die Kritik von SPD-Landesgesundheitsminister*innen im Vorfeld des Treffens wider. Niedersachsens, Hamburgs und Mecklenburg-Vorpommerns Minister*innen hatten bereits vor dem Treffen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Bundesgesundheitsministerium (BMG) angekündigt, dass sie Verbesserungen am Entwurf erwarten würden. Sie kritisierten dabei sowohl das Verfahren, die Krankenhausreform als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz mit nachfolgenden Verordnungen umzusetzen, als auch zentrale Inhalte des Gesetzentwurfes. 

Den Referentenentwurf erst verspätet und dann zeitgleich auch den Medien vorzulegen und schlussendlich das Gesetz anders als angekündigt als nicht zustimmungspflichtig zu deklarieren, atmet den Geist des Misstrauens gegenüber den Ländern. 

Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi sagte dazu: „Alle sind sich einig, dass eine Reform zwingend notwendig ist.“ Er erkenne jedoch auch noch Optimierungspotenzial, was die Kommunikation angeht: „Das Verfahren, den Referentenentwurf erst verspätet und dann zeitgleich auch den Medien vorzulegen und schlussendlich das Gesetz anders als angekündigt als nicht zustimmungspflichtig zu deklarieren, atmet allerdings den Geist des Misstrauens gegenüber den Ländern.“ Auch Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese sagte: „Die Planungshoheit der Länder muss im Kern gewahrt bleiben darf nicht durch ein System von komplizierten und über das Transparenzverzeichnis potentiell für die Krankenhäuser diskriminierenden Ausnahmen und einschränkenden Sonderbestimmungen stranguliert werden.“

Kassen prüfen Klage

Gegenwind bekommt Lauterbach jedoch nicht nur von den Ländern, sondern auch von den Krankenkassen. Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) bezeichnete es in einem Interview mit der Ärzte Zeitung als „Tabubruch, dass der Gesetzgeber – zuerst zur Finanzierung des Innovationsfonds – diesen Direktzugriff (Anm. d. Red.: auf die Versichertengelder) geschaffen hat“. Die 25 Milliarden Euro Bundesmittel, die im Rahmen des Transformationsfonds aus dem Gesundheitsfonds genommen werden sollen, bezeichnet sie als „Art Nebenhaushalt für die Politik aus Beitragsmitteln“ und meldet verfassungsrechtliche Bedenken an. Elsner bescheinigte in dem Gespräch, dass der GKV-Spitzenverband eine verfassungsrechtliche Expertise beauftragt habe, die wir „uns dann genau anschauen“ werden und gibt damit zu, dass die Kassen eventuell auch erwägen, den Klageweg zu bestreiten.

Dem Motto des Ministers zur Reform „It´s too big to fail” steht zudem die Aussage des Vorstandsvorsitzenden der TK, Jens Baas, von gestern entgegen, der erklärte: „Die Reform nähert sich immer mehr dem Kipppunkt, an dem keine Reform das kleinere Übel ist.“

Zeitschiene kann nicht gehalten werden

Es ist also noch nichts in trockenen Tüchern – wie Lauterbach es gerne glauben machen will. Fakt ist, dass seine Zeitschiene, die er in der vergangenen Woche noch für realistisch gehalten hat, hinfällig ist. Der Minister bestätigte gestern, dass der von ihm angepeilte Termin für die Beratung des Referentenentwurfs im Kabinett kommenden Mittwoch nicht gehalten werden könne. Er baut darauf, dass die Länder – wie zugesichert – den 30. April als Rückmeldetermin für eine geeinte Stellungnahme einhalten; ebenso wie die Verbände. Daher zeigte er sich zuversichtlich, dass die Reform am 8. Mai ins Kabinett und dann noch vor der Sommerpause in die 1. Lesung in den Bundestag geht. Ein ambitionierter Zeitplan, der viele Unwägbarkeiten birgt.

Rechtsverordnungen vorziehen

Lauterbach wird zwar nicht müde zu erwähnen, dass das Gesetz per se zustimmungsfrei bleiben werde. Er räumt jedoch ein, dass die Rechtsverordnungen die Zustimmung der Länder benötigen und er gewillt sei, diese vorzuziehen. „Wir arbeiten schon jetzt gedanklich an den Rechtsverordnungen“, gibt er auf Nachfrage bekannt. Dennoch könnten die Verordnungen erst kommen, wenn das Gesetz beschlossen sei.

Schlotzhauer forderte u.a. für die Länder, dass die Rechtsverordnungen so weit wie möglich vorgezogen werden, da die Länder Planungssicherheit bräuchten. Dem Begehr stand Lauterbach positiv gegenüber und ließ verlautbaren, dass „der Bund sich vorstellen kann, hier früher tätig zu werden“. Per Rechtsverordnung sollen zum Beispiel die Leistungsgruppen festgelegt werden, aber auch die Qualitätskriterien. Dem Wunsch der Länder, die Ausschüttungen aus dem Transformationsfonds vorzuziehen, erteilte Lauterbach gestern eine Absage. Dafür sehe er keine Spielräume.

Einmal mehr erteilte Lauterbach der Frage nach weiteren kurzfristigen finanziellen Hilfen für die Kliniken eine Absage. Es werde kein Vorschaltgesetz geben. Die geplante rückwirkende Refinanzierung der Tarifsteigerungen ab 2024 sowie der Ausgleich des vollen Orientierungswertes in 2025 seinen „das Maximum, was der Bund tun kann“.

Quelle:  Alexandra Heeser (freie Journalistin) 2024. Thieme.