Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hat zusammen mit der Regierungskommission das lang erwartete Krankenhauskonzept vorgestellt. Im Kern wird die Finanzierung aus Vorhaltepauschalen je nach Versorgungslevel und Leistungsgruppe sowie aus Fallpauschalen bestehen.
Patientinnen und Patienten in deutschen KrankenhĂ€usern sollen in Zukunft weniger nach wirtschaftlichen und stĂ€rker nach medizinischen Gesichtspunkten behandelt werden. Das ist das Ziel umfangreicher ReformvorschlĂ€ge, die Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach am 6. Dezember in Berlin vorstellte. âDie Medizin wird wieder in den Vordergrund der Therapie gestellt und folgt nicht der Ăkonomieâ, versprach der SPD-Politiker.
âDie KrankenhĂ€user haben gravierende Problemeâ, sagte Lauterbach. Das Hauptproblem sei die Bezahlung der Kliniken ĂŒber die Fallpauschalen. Das sind pauschale SĂ€tze fĂŒr vergleichbare Behandlungen â âegal wie aufwendig der Fall behandelt wird, egal, wo er behandelt wird, ob er gut behandelt wird oder nicht so gut behandelt wirdâ, wie Lauterbach erlĂ€uterte. Als Ergebnis kĂ€men die Kliniken in âein Hamsterradâ, möglichst viele Behandlungen auf möglichst billige Weise durchzufĂŒhren. âSomit hat man mit diesem System eine Tendenz zu billiger Medizin.â
2-SĂ€ulen-Modell âVorhaltung und DRGâ
Nach den VorschlĂ€gen der Regierungskommission Krankenhausversorgung, die seit Mai dieses Jahres an den VorschlĂ€gen arbeitet, sollen die Kliniken stattdessen in Zukunft nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen (Leveln) und Leistungsgruppen. Neben der fallabhĂ€ngigen VergĂŒtung nach DRG-Fallpauschalen (60 Prozent) sollen zukĂŒnftig fĂŒr das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik feste BetrĂ€ge (40 Prozent) flieĂen.
VergĂŒtung von Vorhalteleistungen
Die Regierungskommission empfielt, kĂŒnftig einen festen Beitrag als Vorhaltekosten zu definieren. Diesen erhalten die KrankenhĂ€user je nach ihrer Zurordnung in Versorgungsstufe und Leistungsgruppe.
Krankenhaus-Versorgungsstufen (Level)
Anders als heute sollen KrankenhÀuser in drei konkrete Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden.
- Grundversorgung: medizinisch und pflegerische Basisversorgung, z.B. grundlegende chirurgische Eingriffe und NotfĂ€lle. Sie mĂŒssen flĂ€chendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren. Sie werden daher unterteilt in KrankenhĂ€user, die Notfallversorgung sicherstellen (Level I n) und solche, die integrierte ambulant/stationĂ€re Versorgung anbieten (Level I i). KrankenhĂ€user des Levels I i soll eine SchlĂŒsselrolle auf dem Weg zur Ăberwindung der zu hĂ€ufig noch stationĂ€rer-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen. Sie sollen aus dem DRG-System herausgenommen und ĂŒber Tagespauschalen vergĂŒtet werden. Gesetzliche Ănderungen sollen ermöglichen, dass diese HĂ€user auch von qualifizierten Pflegepersonen geleitet werden können.
 - Regel- und Schwerpunktversorgung: KrankenhÀuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten.
 - Maximalversorgung: z.B. UniversitÀtskliniken
FĂŒr jedes Level sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten. Damit wĂŒrden erstmals einheitliche Standards fĂŒr die apparative, rĂ€umliche und personelle Ausstattung gelten â und damit die BehandlungsqualitĂ€t maĂgeblich erhöht werden.
Definierte Leistungsgruppen
Die lediglich grobe Zuweisung von Fachabteilungen (wie âInnere Medizinâ) zu KrankenhĂ€usern soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (z. B. âKardiologieâ). Behandlungen sollen kĂŒnftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Voraussetzung fĂŒr die Zuteilung ist die ErfĂŒllung genau definierter Strukturvoraussetzungen fĂŒr die jeweilige Leistungsgruppe, etwa bezĂŒglich personeller und apparativer Ausstattung. Je nach KomplexitĂ€t wird fĂŒr jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an KrankenhĂ€usern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an KrankenhĂ€usern höherer Level (II und III oder nur III). Die BehandlungsqualitĂ€t fĂŒr die Patientinnen und Patienten wird so maĂgeblich verbessert. FĂŒr jede Leistungsgruppe wird ein Vorhalteanteil festgelegt.
Die Umsetzung soll laut Regierungskommission nicht sofort erfolgen, sondern in einer Ăbergangsphase von fĂŒnf Jahren schrittweise vollzogen werden.
Reform soll die Katastrophe verhindern
Der Koordinator der Regierungskommission, der langjĂ€hrige Chefarzt der Schlosspark-Klinik Berlin, Prof. Dr. Tom Bschor, warnte, âdass die Krankenhausversorgung kollabieren wird, mit katastrophalen Konsequenzen, wenn wir jetzt nicht grundlegend reformierenâ. So mĂŒsse die âĂberversorgungâ in bestimmten Bereichen und die âUnterversorgungâ beispielsweise aktuell in der Kinder- und Jugendmedizin gestoppt werden. Lauterbach nannte die angespannte Situation in den Kinderkliniken ânur exemplarisch fĂŒr das, was das Krankenhaussystem aktuell insgesamt erleidetâ.
Bschor mahnte, es gebe âschlicht nicht mehr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um Behandlungen mit fragwĂŒrdiger Indikation durchzufĂŒhrenâ. Lauterbach ergĂ€nzte: âViele PflegekrĂ€fte, aber auch viele Ărztinnen und Ărzte, verlassen die KrankenhĂ€user, weil sie diesen ökonomischen Druck nicht ertragen wollen.â Laut Bschor könne es so nicht weitergehen. Er verwies darauf, dass viele Babyboomer vor der Rente stĂŒnden. Der Personalbedarf in Kliniken mit ihrem 24-Stunden-Betrieb sei hoch. Mit dem Ălterwerden der Gesellschaft seien mehr Patientinnen und Patienten zu erwarten.
Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Mitglied der Kommission, rĂ€umte ein, dass in den letzten 20 Jahren âauf allen Seitenâ Fehler gemacht wurden. âDass das Hamsterrad so schnell lĂ€uft, liegt auch daran, dass wir Mediziner das befeuert habenâ, so Karagiannidis. âWir wussten, dass das System, so wie wir es verfeinert haben, auf Dauer nicht tragfĂ€hig istâ, sagte CharitĂ©-AufsichtsrĂ€tin und Kommissionsmitglied Irmtraud GĂŒrkan. âWir mĂŒssen uns jetzt darauf besinnen, was der Auftrag der KrankenhĂ€user ist, nĂ€mlich die Daseinsvorsorge.â
Was wird aus den privaten TrÀgern?
Auf die Frage ob private HĂ€user bestehen bleiben, antwortete Lauterbach, dass das neue VergĂŒtungssystem fĂŒr private TrĂ€ger weniger interessant sei. âDas ist der Preis einer solchen Reformâ. FĂŒr den GroĂteil der Gesundheitsversorgung werde es ein Plus-Minus-Null-GeschĂ€ft. Karagiannidis fĂŒgte hinzu, dass Gerechtigkeit bei diesem Konzept eine groĂe Rolle spielt. Es dĂŒrfte nicht an einzelnen TrĂ€gern ausgerichtet werden. âGewinne im Krankenhaus zu machen wird extrem schwierig in den nĂ€chsten Jahrenâ, so der Leiter des ECMO-Zentrums der Kliniken Köln.
Quelle: dpa/BMG/gnj
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