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LiquiditĂ€tsbeschaffung – Stefan Starke und die Jagd auf die verlorenen Millionen

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Nach intensiven Jahren an der Spitze von KrankenhĂ€usern ist Stefan Starke jetzt CEO eines Start-ups. Mit Adexto will er das Forderungsmanagement professionalisieren. Es geht um Milliarden, sagt er – „die Kliniken schöpfen ihr Potenzial nicht aus“.

Bis Ende 2024 war er noch in Essen unter Vertrag und hat mit 35 Jahren als einer der jĂŒngsten kaufmĂ€nnischen Direktoren der Republik die Finanzen der dortigen UniversitĂ€tsmedizin gemanagt. Im April hat sich der Arbeitsalltag von Stefan Starke grundlegend verĂ€ndert: Seitdem ist er Start-up-CEO und leitet von Hamburg aus das Unternehmen Adexto.

Nach mehr als 15 Jahren ist fĂŒr ihn also erst einmal Schluss mit operativer Verantwortung in unterschiedlichsten KrankenhĂ€usern. Seine Position als GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Hospital Management Group (HMG), fĂŒr die er auch in Essen im Einsatz war, hat er aufgegeben. 

Kliniken verzichten auf mehr als zwei Milliarden Euro an LiquiditÀt. 

DafĂŒr hat er sich jetzt mit Adexto einiges vorgenommen. Das von dem ehemaligen Helios-CFO Jörg Reschke im Oktober 2024 gegrĂŒndete Unternehmen sieht sich als Klinikdienstleister fĂŒr kurz- und mittelfristige LiquiditĂ€tsbeschaffung durch schnellere Abrechnungsprozesse und ein professionelles nachhaltiges Forderungsmanagement.

Aktuell zĂ€hlt das Start-up 15 feste BeschĂ€ftigte, in der Hauptsache Gesundheitsökonomen und Kaufleute im Gesundheitswesen, die bislang grĂ¶ĂŸtenteils remote fĂŒr die Kunden arbeiten. Mit der Expertise in den Bereichen Forderungsmanagement sowie bei allen Abrechnungsprozessen sei das Team „in der GrĂ¶ĂŸe einmalig“, schwĂ€rmt Starke.  Zu den Kunden gehören ihm zufolge HĂ€user „aller TrĂ€gerarten und Versorgungsstufen bis hin zu Unikliniken“.

Verwaltungsprozesse kommen zu kurz

Der CEO ist ĂŒberzeugt, dass die Dienstleistung in zahlreichen Kliniken einen Nerv trifft. Die originĂ€ren Verwaltungsprozesse seien in den vergangenen 20 Jahren „deutlich zu kurz gekommen“, sagt Starke – und meint insbesondere den gesamten Prozess von der Aufnahme eines Patienten, bis schließlich irgendwann die Rechnung fĂŒr die Versorgung bezahlt ist.

Die Adexto-GrĂŒnder seien davon ausgegangen, dass die Kliniken aufgrund ihrer Prozesse und des fehlenden Know-hows auf mehr als zwei Milliarden Euro an LiquiditĂ€t verzichten, erklĂ€rt Starke: „Und unsere Erfahrungen der letzten Monate zeigen, dass hier deutlich mehr Potenziale in den Kliniken liegen, die bei weitem nicht genutzt werden.“ 

Wir wollen die Organisation befÀhigen, dass sie selbst am Ball bleibt. 

Jedes Haus Schritt fĂŒr Schritt zu analysieren, stehe bei jedem Auftrag am Anfang, beschreibt Starke. Wie sind zum Beispiel die Rechnungslaufzeiten von der Entlassung der Patienten bis zur Übermittlung an die KostentrĂ€ger sowie dem letztendlichen Geldeingang auf dem Bankkonto? Und was passiert, wenn eine Rechnung verschickt wurde? „Das ist so komplex, weil viele Berufsgruppen beteiligt sind“, sagt er, „deshalb sind die Schnittstellen und die Kommunikation untereinander das Wichtigste.“

Vier bis acht Monate intensive Begleitung

Mit dem Ergebnis der Analyse können die Kliniken entweder selbst ihre Hausaufgaben machen oder sich weiter unterstĂŒtzen lassen. „Unser Ziel ist es, bei einem Zustand rauszugehen, der nicht sofort wieder zu dem Ursprungszustand zurĂŒckfĂ€llt, nur weil wir weg sind“, betont Adexto-Prokuristin Lumnije Jetullahu.

Sie hat in ihrer frĂŒheren Funktion als GeschĂ€ftsfĂŒhrerin bei einem privaten Krankenhauskonzern einen Abrechnungsservice geleitet und fĂŒhrt in dem Start-up jetzt operativ den Bereich LiquiditĂ€ts- und Forderungsmanagement. Je nach UnterstĂŒtzungsgrad dauert die intensive Begleitung „mit signifikanten LiquiditĂ€tseffekten“ in der Regel vier bis acht Monate – „wir wollen die Organisation befĂ€higen, dass sie selbst am Ball bleibt“.

In einigen FĂ€llen bleibt das Team auch wesentlich lĂ€nger an Bord – etwa, wenn es langfristig Leistungen ĂŒbernimmt, die die Kliniken mit ihren eigenen Ressourcen nicht stemmen können. „Zum Beispiel in den Bereichen Mahnwesen, Privatliquidation oder auch bei der KV-Notfallabrechnung“, sagt Jetullahu.

Das Hauptproblem der Kliniken sei die KomplexitĂ€t. Obwohl die stĂ€ndig zunehme, seien die entsprechenden Verwaltungsbereiche ĂŒber Jahre extrem ausgedĂŒnnt worden und dadurch seien auch fachliche Kompetenzen verloren gegangen, sagt Starke. Dies betreffe das Forderungsmanagement sowie die Abrechnungsprozesse gleichermaßen.

Bereiche sollen professionalisiert werden

„Vielfach fehlt schlicht die Expertise, um alle Leistungen fĂŒr den höchstmöglichen Preis abzurechnen“, erklĂ€rt Starke. Bestimmte Konstellationen etwa treten in einer durchschnittlich großen Klinik mit 300 bis 400 Betten oder weniger gar nicht so hĂ€ufig auf. „Das Ziel ist, diese Bereiche zu professionalisieren, damit die HĂ€user mehr Geld auf dem Konto haben.“ Und wenn spĂ€ter spontane Fragen zu komplexen Themen auftauchen, sollen Kunden, die langfristig mit Adexto zusammenarbeiten wollen, auch ĂŒber eine Service-Hotline dauerhaft auf die Hilfe zurĂŒckgreifen können.

Der grĂ¶ĂŸte Fokus liege aber darauf, offene Forderungen kĂŒnftig schneller zu bearbeiten, damit diese nicht erst nach vielen Monaten zu GeldeingĂ€ngen werden, erklĂ€rt Starke: „So beschaffen sich die Kliniken LiquiditĂ€t, die sie sich sonst teuer am Kapitalmarkt leihen mĂŒssten.“ Aber auch fĂŒr gezieltes Mahnen fehle in vielen HĂ€usern die Expertise: „Da bleibt viel LiquiditĂ€t auf der Strecke.“ Zudem beobachte er vielerorts „eine gewisse Angst, KostentrĂ€ger zu mahnen“ und das Zahlungsziel ihnen gegenĂŒber einzufordern, sagt der CEO: „Hier sehen wir nach unseren bisherigen Erfahrungen den grĂ¶ĂŸten Hebel fĂŒr die Kliniken.“ 

NatĂŒrlich mĂŒssen die Kliniken liefern, aber das ist nur ein Teil des Problems. 

FĂŒr Starke steht dahinter auch ein gesellschaftliches Problem, das thematisiert werden mĂŒsste: „Da werden Leistungen erbracht, und wir scheuen uns, wenn das Zahlungsziel von fĂŒnf Tagen nicht erreicht wird, die KostentrĂ€ger darauf hinzuweisen, dass sie doch bitte mal die Rechnung bezahlen sollen.“ Gleichzeitig sinke die Zahlungsmoral, etwa auch bei Selbstzahlern – insbesondere, wenn sie Rechnungen erst Monate nach einer Behandlung bekommen.

„NatĂŒrlich mĂŒssen die Kliniken liefern, aber das ist nur ein Teil des Problems“, sagt Starke und nennt zum Beispiel fĂŒr Privatpatienten oder Selbstzahler schnelle Abschlagsrechnungen als denkbare Option. „Wegen der KomplexitĂ€t dieser individuellen Ziffern und der vielen Schnittstellen fĂ€llt das einigen Kliniken zurzeit allerdings sehr schwer. Da setzen wir an.“

Forderungsreichweite ist eher gestiegen

Insgesamt, so berichtet Lumnije Jetullahu sind die offenen Forderungen oft um ein Vielfaches höher, als man es im Vergleich mit Benchmark Daten erwarten wĂŒrde. Die entsprechende Kennziffer der Forderungsreichweite, die beschreibt, nach durchschnittlich, wie vielen Tagen eine Rechnung beglichen ist, ist Starke zufolge in den vergangenen Jahren eher gestiegen, und das obwohl das Zahlungsziel der KostentrĂ€ger gesunken ist: „Ein klares Indiz dafĂŒr, dass die Kliniken ihr Potenzial nicht ausschöpfen.“

In der öffentlichen Wahrnehmung sei dieses Thema aktuell „eher unterreprĂ€sentiert“. Kombiniert mit suboptimaler Organisation in den Kliniken wird das zum Teufelskreis – ein systemisches Problem mit weitreichenden Folgen, eine echte Schwachstelle mit großen finanziellen Risiken. Teil einer Lösung könne es sein, ist Starke ĂŒberzeugt, „das Misstrauen zwischen Leistungserbringern und KostentrĂ€gern abzubauen“.

Quelle: Jens Kohrs (Freier Journalist) 2025. Thieme

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