Marburger Bund – Jeder vierte Klinikarzt denkt über Berufswechsel nach

In
Schleswig-Holstein schlagen sechs große Kliniken Alarm. Roland Ventzke,
Geschäftsführer des Städtischen Krankenhauses Kiel und Vorstandsvorsitzender
des 6K-Klinikverbundes, spricht von existenzieller Not.

Die
Belastungen der Covid-19-Pandemie treffen die Kliniken mit voller Wucht“, sagt
Ventzke. Die Realität im Klinikverbund seien in diesem Sommer Isolierstationen,
die für Patienten weiter vorgehalten werden, „erweitert um periphere Stationen,
die als Infektionsstationen genutzt werden“, so Ventzke. Das Verschieben von
Operationen infolge der jeweiligen Corona-Lage führe zu erheblichen
finanziellen Einbußen und zur Dauerbelastung des Personals: „Die Bundesregierung
hat trotz eindeutiger Problemlage weder Hilfsmaßnahmen eingeleitet noch
Unterstützung angekündigt.“

Forderung nach Inflationsausgleich

Zum 6K-Klinikverbund gehören neben Ventzkes Haus auch
das Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster, die Imland Kliniken Rendsburg und
Eckernförde, das Klinikum Bad Bramstedt, das in Itzehoe sowie die
Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide. Die Kooperation steht für einen
Gesamtumsatz von rund 816 Millionen Euro und hat zusammen fast 12 000
Mitarbeitende.

Der im Juni
ausgelaufene Corona-Versorgungsaufschlag müsse rückwirkend zum 1. Juli
mindestens bis März 2023 verlängert werden, fordert der Geschäftsführer der
Westküstenkliniken, Martin Blümke. Die Tarifsteigerungen müssten über alle
Berufsgruppen refinanziert werden. Nötig sei auch ein Inflationsausgleich.

Wir leben in
einem krankenkassenzentrierten System mit ständiger Misstrauenskultur,
Prüfungswahnsinn ohne Nutzen für die Versorgungsqualität unserer Patienten

Der Verbund
kritisiert die Krankenhausplanung und veraltete Strukturen. „Es gibt keine
Anreize, fehlende Personalressourcen in den Griff zu bekommen“, sagt Blümke.
„Einsparungen der Kliniken sind nur auf Kosten von Personal möglich.“ Und
wichtiges Personal sei in ineffiziente Dokumentations- und
Organisationsstrukturen eingebunden. „Wir leben in einem
krankenkassenzentrierten System mit ständiger Misstrauenskultur,
Prüfungswahnsinn ohne Nutzen für die Versorgungsqualität unserer Patienten.“

Der Mix aus
strukturellen und finanziellen Problemen könne die Leistungsfähigkeit der
Kliniken massiv beeinträchtigen, warnte Ventzke. Das könne auch die
Notfallversorgung betreffen. Die Politik müsse endlich handeln.

Quelle: dpa