Median setzt stärker auf Transparenz und hat dafür eine neue Qualitäts-Webseite veröffentlicht. Deutschland-CEO Prof. Marc Baenkler erklärt seine Erwartungen, und welche Konzepte er in der Schublade hat, um absehbare Probleme im Akutbereich zu lösen.
Herr Prof. Baenkler, Median betreibt schon lange eine umfassende Qualitätsmessung. Warum hat das Thema für Sie eine so große Bedeutung?
Qualität ist ein Thema, das bei uns tief in der DNA des Unternehmens verwurzelt ist. Wir sind seit jeher sehr datengetrieben, erheben viele Parameter, u.a. um sagen zu können, wo wir mit unserer Qualität stehen. Das ist wichtig, weil wir der Überzeugung sind, auf Basis dieser detaillierten Einblicke die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten noch individueller verbessern zu können. Dieses Bestreben haben wir uns schon weit vor Herrn Lauterbachs Qualitätsoffensive – mit dem Transparenzgesetz und der Krankenhausreform – auf die Fahne geschrieben.
Mit der neuen Homepage stellen wir hervor, was uns besonders macht. Denn das Qualitätsmessystem für uns Rehabilitationskliniken von der Deutschen Rentenversicherung hat einen Verzug von circa drei Jahren. Das heißt: Ein externes Benchmarking ist damit machbar, aber es ist nicht dazu geeignet, aktuelle Maßnahmen zu ergreifen und ggf. in einer Behandlung noch nachzujustieren. Daher messen wir schon seit Längerem Daten tagesaktuell und stellen sie unseren leitenden Mitarbeitenden über ein Dashboard zur Verfügung. Wir wollen mit dem neuen Angebot unsere Qualitätsergebnisse transparent machen – für Kostenträger genauso wie für die Patientinnen und Patienten, die so einen detaillierten Einblick erhalten und sich gezielt über unsere Leistungen informieren können.
Hier auf der neuen Webseite können auch Sie Einblick in die Leistungen und Qualitätsparameter des Reha-Klinikverbundes nehmen.
Sie haben gerade schon das Thema Qualität im Rahmen des Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetzes (KHVVG) angesprochen. Das ist ja ein großes Anliegen unseres ehemaligen Gesundheitsministers. Wie genau ist Median da aufgestellt?
Es gibt bereits Vorgaben beispielsweise seitens der Deutschen Rentenversicherung, vor allem was die Strukturqualität angeht. Hier sind wir gut aufgestellt: Unsere Kliniken sind ausnahmslos zertifiziert und werden von der Deutschen Rentenversicherung regelhaft visitiert. Darüber hinaus messen wir unsere eigenen Parameter, inklusive Prozess- und Ergebnisqualität, um die Behandlungen bestmöglich aktuell und individuell anzupassen.
Die Patientenzufriedenheit ist für uns daher fast wichtiger als die gesetzlichen Auflagen oder die der Kostenträger.
Neben dem internen Benchmarking hat Median auch einen Qualitätsbericht herausgegeben, der im Reha-Bereich – im Gegensatz zu den Akutkliniken – nicht verpflichtend ist. Als Ergänzung ist unsere neue Qualitätshomepage gedacht. Patientinnen und Patienten, die eine Rehabilitationsmaßnahme vor sich haben, können sich nun online informieren – über unser Leistungsangebot auf unserer Homepage und über unsere Qualitätszahlen auf der neuen Website. Unsere Patientinnen und Patienten geben uns zudem Rückmeldungen darüber, wie zufrieden sie mit ihrem Aufenthalt und der Behandlung bei Median waren. Die Patientenzufriedenheit ist für uns daher fast wichtiger als die gesetzlichen Auflagen oder die der Kostenträger. Das Patienten-Feedback bestätigt uns auch, diesen Weg weiter zu beschreiten.
Schlägt sich der Blick auf die Qualität am Ende auch in der Auslastung Ihrer Kliniken nieder? Wie zufrieden sind Sie an dieser Stelle?
Ich denke schon, denn unsere Kliniken schneiden nahezu überall über Durchschnitt ab. Daher bin ich auf jeden Fall zufrieden mit unserer Auslastung. Wir haben im Reha-Bereich aber generell – das zeigt auch eine Veröffentlichung der Deutschen Rentenversicherung – das Niveau nahezu von vor Corona erreicht. Das verwundert mich allerdings nicht, denn die Rehabilitation ist ja gerade dann indiziert, wenn es sich um ein schwerwiegendes Krankheitsbild handelt. Und das ist ziemlich unabhängig von Corona. Ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall nimmt keine Rücksicht auf eine Pandemie.
Unsere Gesellschaft wird immer älter. Welche Rolle spielt hier die Rehabilitation?
Gerade Herzinfarkte und Schlaganfälle kommen – abgemildert von Präventionsmaßnahmen und Medikamenten – eher im höheren Alter vor. Dann aber gehen sie oft mit einer Multimorbidität des Patienten einher, die die Komplexität der Behandlung sowie die Anforderungen an die Heilverfahren steigert. Die Rehabilitation hat hier einen enormen Stellenwert, um dem Patienten im Anschluss wieder eine maximale Teilhabe zu ermöglichen oder im Idealfall ihn auch wieder ins Erwerbsleben zurückzuführen.
Mit Zentralisierung der Akutmedizin wird die Rehabilitationsmedizin auch eine immer wichtigere Rolle im Gesundheitswesen einnehmen. Ich glaube, dass die Reha die Lösung sein kann für die Leistungsverdichtung in der Akutmedizin. Wir können hier die Patientinnen und Patienten so lange an die Hand nehmen, dass wir all das auffangen können, was an Behandlung zwangsweise beim verkürzten stationären Aufenthalt gar nicht mehr möglich ist.
Was prognostizieren Sie?
Ich glaube, der Reha-Bereich wird deutlich näher an den Akutbereich heranrücken. Wir werden Teile der Versorgung aus dem Akutbereich übernehmen müssen – allein schon wegen weiter sinkender Verweildauern. Nehmen wir die Orthopädie mit der elektiven Prothetik, wo es eine Verweildauer von drei bis neun Tagen gibt. Hier könnten wir – sofern es medizinisch vertretbar ist – ab dem dritten postoperativen Tag einspringen und auch diese deutlich pflegeintensiveren Patientinnen und Patienten bereits frühzeitig versorgen. Ich sehe uns als Rehabilitationszentren sogar ein Stück weit in der Verpflichtung, diese Lücke zu schließen, die sich sonst eventuell auftut, wenn Patienten früher entlassen werden.
Wir werden Teile der Versorgung aus dem Akutbereich übernehmen müssen – allein schon wegen weiter sinkender Verweildauern.
Was heißt das für Sie als Median Kliniken?
Wir haben uns schon auf den Weg gemacht und bereiten uns auf diese Szenarien vor. Wir haben Konzepte für diese Situationen entwickelt und werben jetzt schon um Berufsgruppen, die man momentan noch nicht in der Rehabilitation vermutet, wie zum Beispiel die Physician Assistants. Je näher wir an die Akutmedizin rücken, desto breiter wird das Einsatzgebiet auch in der Rehabilitation werden.
Wären die Sektorübergreifenden Versorgungszentren (SÜV) in diesem Zusammenhang ein interessanter Bereich für die Rehakliniken?
Im Sinne der Versorgung auf jeden Fall. Die Idee hinter den SÜV ist richtig, nämlich dass nicht alle Patientinnen und Patienten aus den spezialisierten Fachkrankenhäusern gleich nach Hause entlassen werden können. Das ist die Lücke, für die wir momentan hierzulande noch keine Antwort haben. Hier können wir mit der Rehabilitation einspringen.
Das geht aber nur, wenn wir den Kliniken insgesamt mehr Flexibilität erlauben. Für den Reha-Bereich bedeutet kleinste Einheit aber sicherlich mehr als 20 Betten, wie sie im SÜV vorgesehen sind. Hier liegt es an uns, gemeinsam mit den Akutkliniken und den Kostenträgern Antworten vorzudenken und zu testen, was am Ende funktionieren kann. Es muss aus meiner Sicht noch viel mehr entlang des tatsächlichen Bedarfs der Bevölkerung gedacht werden.
Apropos Bedarfe: Die Ambulantisierung wird kommen. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie hier als Träger von Rehabilitationskliniken?
Ich sehe in der Ambulantisierung eine große Chance, denn unser Auftrag ist die maximale Teilhabe bzw. die Wiedereingliederung in das Berufsleben – egal, ob der Patient stationär oder ambulant behandelt wurde. Gerade im ambulanten Bereich gibt es derzeit noch keine intensive sozialmedizinische Betreuung. Hier sehe ich uns im Reha-Bereich in der Lage, Bedarfe, die eventuell auch erst Tage nach dem Eingriff klar werden, zu ermitteln und den Patienten bei der Problemlösung zur Seite zu stehen.
Der Gesetzgeber gibt uns mit IV- und Selektivverträgen bereits jetzt Möglichkeiten, die starren Sektorengrenzen zu verlassen.
Wir brauchen dafür im Reha-Bereich auch gar nicht mehr Geld, wir brauchen nur mehr Flexibilität. Denn der Gesetzgeber gibt uns mit IV- und Selektivverträgen bereits jetzt Möglichkeiten, die starren Sektorengrenzen zu verlassen. Wir müssen es einfach nur schaffen, die Versorgungskette des Patienten für seinen Bedarf abzubilden. Mein Wunsch an alle Player ist hier, dass wir noch näher zusammenrücken. Ich glaube nicht, dass die Politik eine bessere Lösung findet, als wenn wir uns mit den Akutkliniken und den Kostenträgern an einen Tisch setzen und eine Lösung im Sinne des Patienten finden.
Hier kann ich folgendes Beispiel nennen: Wir als Median Kliniken haben mit einer größeren Krankenkasse einen IV-Vertrag zur digitalen Nachversorgung geschlossen. Damit kann die Verweildauer in der Rehabilitationseinrichtung verkürzt werden, dafür wird der Patient länger digital nachbetreut. Für den Patienten bedeutet dies eine kürzere Verweildauer in der Rehabilitation, er bekommt dafür im Gegenzug aber eine deutlich längere und intensivere Betreuung. Der Kostenträger profitiert, weil die Kosten insgesamt nicht höher werden, oftmals sogar niedriger. Hier lernen wir gerade gemeinsam mit den Kostenträgern, die ich an dieser Stelle als sehr offen und gesprächsbereit empfinde.
Wie stehen Sie ansonsten zum KHVVG und welche Auswirkungen hat es auf Median?
Mein genereller Kritikpunkt am KHVVG ist und bleibt die fehlende Auswirkungsanalyse. Das ist für mich wie ein Blindflug, der eben nicht den Patienten in seiner ganzen Versorgungskette im Blick hat. Mein Appell an die Politik ist hier: Man muss den Patienten in der gesamten Patient Journey denken und auch die anderen Kettenglieder im Blick behalten. Das wurde im KHVVG aus meiner Sicht versäumt.
Mein genereller Kritikpunkt am KHVVG ist und bleibt die fehlende Auswirkungsanalyse. Das ist für mich wie ein Blindflug.
Wir als Median Kliniken haben zwei Bereiche, die entscheidend vom KHVVG betroffen sind. Einmal unsere Fachkliniken, ein kleiner Teil, der aber durchaus relevant ist. Wir sind sehr froh, dass hier das Gesetz auf den letzten Metern noch eine Kursänderung erfahren hat und nun u.a. Kooperationen möglich sind. Auch wenn es noch keine Auswirkungsanalyse gibt, haben wir uns bei der Berechnung an Nordrhein-Westfalen orientiert und das für unsere Fachkliniken simuliert. Wenn sich die Ergebnisse jetzt dann auch mit dem Grouper bestätigen, würde das für unsere Akutkliniken keine wirklich absehbaren Auswirkungen haben.
Für den weitaus größeren Teil unserer Kliniken, die Rehabilitationshäuser, gelten eh schon Strukturvorgaben von der Deutschen Rentenversicherung, u.a. mit sehr konkreten Personalschlüsseln, die zu erfüllen sind. Daher sehe ich die Median Kliniken auch im Reha-Bereich, was die Qualitätskriterien angeht, sehr gut aufgestellt.
Das Interview führte Alexandra Heeser (Freie Journalistin) 2025. Thieme