66. VKD-Jahrestagung „Der Kittel brennt …!“

Klinik-Leitungen hierzulande sehen sich angesichts unsicherer Zukunftsaussichten zunehmend unter Druck. Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) fordert auf seiner Jahrestagung: Lösungen müssen her und zwar so rasch wie möglich.

Das Präsidium des VKD formierte sich anlässlich der 66. Jahrestagung in Osnabrück neu: Unter der Führung von Dirk Köcher (Mitte) besteht das Präsidium nun aus den Mitgliedern (v.l.) Wolfram Firnhaber, Wolfgang Mueller, Mirko Papenfuß, Thomas Gärtner, Andreas Schwab sowie Andreas Tyzak.

Bereits zum Auftakt am 25. Juni waren sich die rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 66. Jahrestagung des VKD einig: Es muss etwas geschehen – und das schnell. In seinem Eingangsstatement brachte Josef Düllings, scheidender Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. (VKD) die Stimmung unter den Krankenhausverantwortlichen plakativ auf den Punkt: Nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts sehen nur sieben Prozent die finanzielle Lage ihres Hauses als gut oder sehr gut an, während 61 Prozent diese als schlecht oder sehr schlecht bewerten. Sollte es zur geplanten Krankenhausreform keinen akzeptablen Kompromiss zwischen Bund und Ländern geben, sehe es düster aus für viele Häuser. 

Das allgemeine Stimmungsbild unter den Verantwortlichen der Krankenhäuser ist eine Mischung aus Verzweiflung und Optimismus. 

Auch der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) gab sich für sein Bundesland wenig optimistisch. Rund 60 Prozent der Kliniken könnten ohne finanzielle Hilfen bald in ernste Schwierigkeiten geraten. Da weitere Kostensteigerungen zu erwarten seien, muss seiner Meinung nach der Landesbasisfallwert dringend angepasst werden.

In der folgenden Podiumsdiskussion gab es einen klaren Konsens über die Notwendigkeit von Veränderungen. Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), sprach gar von rund 20 Prozent der Krankenhäuser, die verzichtbar seien; allerdings nur in einem geordneten Prozess und unter Einbindung der Verbände. Zudem hemmten Kontrolle und Regulation die Kliniken. Hier sollten pragmatische zukunftsgerichtete Lösungen entwickelt werden.

Rolle der Uni-Kliniken

Prof. Jochen Werner, Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen, plädierte gleichermaßen für lösungsorientierte Ansätze. Die Uni-Kliniken seien ebenfalls nicht kongruent; man könne ein Klinikum in einem Ballungsraum nicht mit einem vergleichen, das in der Region weit und breit der einzige Maximalversorger ist. Auch die Universitätskliniken müssten sich für eine Zusammenarbeit mit Niedergelassenen und anderen Krankenhäusern öffnen. Alles das erfordere aber Zeit und am besten einen Zehnjahresplan, damit man jetzt nicht in Hektik Beschlüsse fasse, die mittel- und langfristig dann letztlich nicht erfolgreich sind.

Verbessert das KHVVG die Qualität der Versorgung? – „Nein.“

PD Dr. Michael Weber, Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärzte (VLK), stellte provokativ die Frage in den Raum, ob das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) tatsächlich die Qualität der Versorgung verbessern würde, die er dann mit einem klaren „Nein“ beantwortete: Es ginge hier nicht um Qualitätsverbesserungen, sondern um Strukturveränderungen. Die Bewertungen der Politik seien unseriös; es gebe nach wie vor eine qualitativ sehr gute Versorgung der Bevölkerung – auch im Hinblick auf Herzinfarkte oder Schlaganfälle – somit sei eine gegenteilige Behauptung des Bundesgesundheitsministers fehl am Platz und würde nur zu Verunsicherungen führen.

Einig war man sich bei möglichen Lösungsansätzen. Stationäre mit ambulanter Versorgung gekoppelt bei Reduzierung des bürokratischen Aufwands scheint für viele Kliniken attraktiv. Allerdings stelle sich das im Moment noch als wirtschaftliches Desaster dar, wie DKG-Chef Gaß konstatierte. Auch die Digitalisierung wird allgemein als Chance begriffen. Als wesentlichsten Punkt sahen alle Diskutanten die ersehnte Planungssicherheit an, die durch eine Verabschiedung des Gesetzes dann endlich zum Tragen käme.

Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Existenzsicherung

Am Folgetag brachte Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft NRW, in seinem ambitionierten Vortrag die relevantesten Eckpunkte zusammen: Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Existenzsicherung stünden im Mittelpunkt des Interesses. Um die vorgesehene Leistungseingruppierung ginge aber kein Weg vorbei, da diese im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart ist. Vor allem in Bezug auf Fördergelder gingen aber die Vorstellungen der Politik und die Bedarfe der Krankenhäuser weit auseinander. Gleichwohl im Entwurf des KHVVG eine Förderung zum Beispiel der Notfallversorgung stehe, sei diese mit geplanten 30 Millionen Euro bundesweit deutlich zu gering.

Dr. Hannes Dahnke, Geschäftsführer der Vebeto GmbH, veranschaulichte in seinem Beitrag, dass die angedachten Leistungsgruppen die tatsächlichen Bereiche nicht abdecken könnten. Auch die viel diskutierten Vorhaltepauschalen würden kein Haus retten. Seiner Einschätzung nach sei damit keine substanzielle Verbesserung der Finanzlage kleinerer oder ländlicher Häuser zu erkennen.

Die Teilnehmer der Tagung sehen den kommenden Monaten mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits ist der Handlungsdruck groß und die finanziell angespannte Lage der Häuser teils besorgniserregend, aber der Wille zur konstruktiven Veränderung scheint bei allen vorhanden. 

Wir sind im Moment vor allem in der Sogwelle von einem ausbleibenden Handeln eines Ministers. 

Andreas Tyzak, frisch gewählter Pressesprecher des VKD und Kaufmännischer Direktor des Klinikums Gütersloh, fasst es folgendermaßen zusammen: „Das allgemeine Stimmungsbild unter den Verantwortlichen der Krankenhäuser ist eine Mischung aus Verzweiflung und Optimismus. Wir sind im Moment vor allem in der Sogwelle von einem ausbleibenden Handeln eines Ministers. Hier werden wir je nach Trägerkonstellation unterschiedlich schnell sehen, dass Häuser an ihre insolvenzrechtlichen Grenzen kommen.“ „Es ist ein Unterschied, ob ich ein 200-Betten-Haus zwischen Düsseldorf und Dortmund habe“, führt er aus, „oder ob der Standort in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen ist, wo die Wege schlichtweg sowieso schon weiter sind, weil die Gegend dünn besiedelt ist. Es ist meiner Meinung nach schwierig, dass alles so über einen Kamm zu scheren.“ Sicher ist für Tyzak: „Die Inflationslücke bleibt, auch wenn es in Bezug auf Ambulantisierung in den Häusern strategische Überlegungen gibt, die sich aber erst in einigen Jahren auszahlen.“

Dr. Matthias Geiser, Geschäftsführer des kommunalen Schwarzwald-Baar Klinikums mit rund 1000 Betten, schätzt die Situation für seine Region so ein: „Ich glaube, das große Problem ist, dass notwendige langfristige Veränderungen und die kurzfristige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage durch die nicht refinanzierte Inflation zurzeit zusammenkommen und sich alles überlagert. In Baden-Württemberg stehen wir mit der Krankenhausplanung im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen noch am Anfang und würden uns wünschen, diese dann auch mitgestalten zu dürfen. Die Signale des Ministeriums sind hier positiv.“ 

Wir sind auf Druck der Kostenträger dabei, die ambulanten Strukturen anzupassen 

Auch Christian Weiskopf, Regionalleiter der konfessionellen BBT-Gruppe Region Trier, sieht Veränderungen für seine Standorte mit rund 920 Betten als unumgänglich an: „Wir sind auf Druck der Kostenträger dabei, die ambulanten Strukturen anzupassen, aber das führt natürlich dazu, dass wir weniger Erlöse erzielen. Wir müssen zunächst investieren und zum Beispiel bauliche Veränderungen vornehmen, um eine sinnvoll funktionierende Ablaufstruktur zu schaffen. Das ärztliche Personal im Krankenhaus hat auch ein anderes Mindset als ein selbständiger Niedergelassener – hier müssen wir eine Anpassung schaffen, zum Beispiel was den Sachaufwand bei ambulanten Eingriffen angeht.“

Für Wolfram Firnhaber, den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Bezirkskliniken Schwaben mit vorwiegend psychiatrischem Angebot, hat die künftige Strukturveränderung bereits zu konkreten Handlungen geführt: „Vor geraumer Zeit haben wir Pläne entwickelt, einen Tagesklinik-Standort in Aichach zu errichten. Im Frühjahr dieses Jahres haben wir allerdings die Reißleine gezogen, da diese Einheit zu klein gewesen wäre, um die Personalvorgaben der PPP-RL in jeder Berufsgruppe zu jedem Zeitpunkt einhalten zu können. Die vorgesehenen Strafzahlungen bei Nichterfüllung sind eindeutig zu hoch. Daher wird es diese Versorgung dort jetzt nicht geben; das betriebswirtschaftliche Risiko wäre zu hoch gewesen.“

Eine ähnliche Problematik sieht auch Geiser für seine Region: „Was wir im ländlichen Raum jetzt erleben, ist, dass in der Fläche zum Beispiel die pädiatrische oder hausärztliche ambulante Versorgung wegbricht und dann von uns als kommunalem Klinikum erwartet wird, die Lücken zu füllen. Wenn ich auf die Altersstruktur der Niedergelassenen schaue, wird das noch an Brisanz zunehmen.“

Unterschiede gibt es auch beim Thema finanzielle Sicherheit. Weiskopf sieht hier Vorteile in der BBT-Gruppe: „Wir profitieren als großer Verbund natürlich nach wie vor im Bereich Einkauf und Logistik, und wir haben eine große Trägerstruktur im Rücken, wenn es zum Beispiel um Finanzierungen geht, da wir natürlich bessere Konditionen erhalten. Aber wir setzen auch schon immer auf regionale Stärke.“

Als Verantwortlichem eines großen kommunalen Anbieters stellt sich das für Geiser anders dar: „In unserem Fall ist diese große Finanzierungslücke quasi neu. Wir waren in der Vergangenheit nicht auf Zuschüsse unserer Träger angewiesen – weder bei Investitionen noch im laufenden Betrieb. Unsere Kommunalpolitik steht nun vor der Problematik, diese zusätzliche Last stemmen zu müssen, obwohl dies ja eigentlich nicht ihre Aufgabe ist. Dies geht letztlich zu Lasten anderer dringender Projekte wie zum Beispiel Infrastruktur oder Bildung.“

Firnhaber sieht für seine Häuser zudem weitere Herausforderungen, die gelöst werden müssen: „Die Bürokratisierung ist eine zusätzliche Belastung, die zu erheblichen Frustrationen führt, da eine Vielzahl von Personal und damit enorme finanzielle Ressourcen dafür aufgewendet werden müssen und nicht in die Patientenversorgung fließen können.“ 

Die Strukturbereinigung der ostdeutschen Länder in den 1990er und frühen 2000er Jahren muss in der Reform Beachtung finden. 

Katja Thielemann, Geschäftsführerin dreier Krankenhäuser im Brandenburgischen, steht mit ihrem 90 Betten-Haus in Seelow vor ganz anderen Problemen: „Notfallversorgung in der Umgebung ist unabdingbar. Es gibt dafür nur zwei Wege: Entweder ist das Krankenhaus weiterhin als Krankenhaus für und in der Region tätig und sichert die Notfallversorgung mithilfe der Vorhaltefinanzierung oder die Notfallversorgung übernimmt der Rettungsdienst mit dann doch längeren Wegen ins nächste Krankenhaus. Das ist aber nicht von jetzt auf gleich umzusetzen.“ 

Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, als Modellregion neue Strukturen zu erproben. 

Sie erklärt: „Das Gesundheitsministerium Brandenburgs hat in einer politischen Stellungnahme versichert, dass alle Krankenhäuser auch weiterhin als Standorte für die Gesundheitsversorgung benötigt werden. Es wird jedoch aus meiner Sicht schwierig, für bestimmte Leistungsgruppen die notwendige Anzahl an Fachärzten in der ländlichen Region vorhalten zu können.“ Vorteile sieht sie aber durchaus auch für ihre Region: „Durch unsere kommunale Struktur sind wir eng an die politischen Akteure angebunden. Also sind auch die Kommunikationswege recht unkompliziert. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, als Modellregion neue Strukturen zu erproben. Ambulante und stationäre Versorgung könnte mit Unterstützung digitaler Infrastruktur aus einer Hand angeboten werden, wenn wir uns mit den Kostenträgern einigen und auch rechtlich abgesichert sind.“ 

Die Strukturmerkmale der Krankenhausreform sind in der aktuellen Form nicht für kleine ländliche Häuser gemacht. 

Unterschiede sieht Thielemann vor allem in Bezug auf die Standorte der Häuser: „Die Strukturbereinigung der ostdeutschen Länder in den 1990er und frühen 2000er Jahren muss in der Reform Beachtung finden. Die Strukturmerkmale der Krankenhausreform sind in der aktuellen Form nicht für kleine ländliche Häuser gemacht. Wenn zum Beispiel zehn Patienten in den Betten liegen, brauche ich für die Versorgung der Patienten keine fünf Fachärzte, sondern genügend Assistenzärzte, um den Bereitschaftsdienst zu besetzen.“

Quelle: Susanne Grobosch (Freie Journalistin) 2024. Thieme. All rights reserved.