Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat gestern im Bundestag ihre Agenda vorgestellt. Sie will sich mit allen Akteuren austauschen und setzt auf Dialog. An den generellen Zielen des KHVVG will sie festhalten, aber nachjustieren.
Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) stellte am 15. Mai im Bundestag ihre Pläne für die nächsten Jahre vor.
„Gesundheit und Pflege gehen uns alle an. Das Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit unseres Gesundheitssystems als Ganzes zu stärken und dabei auch immer den einzelnen Menschen im Mittelpunkt zu sehen, ist und bleibt Ziel dieser Regierung.“ So begann Nina Warken (CDU) ihre erste Bundestagsrede als Gesundheitsministerin.
Schnell wurde klar, dass sie auf Austausch und Dialog setzt. Sie wolle die Vertrauenskultur stärken und auch die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der einzelnen Gesundheitsberufe. Dafür werde sie den Beschäftigten zuhören und so erfahren, „welche Bedingungen sie benötigen und wo die Hemmnisse in ihrem Arbeitsalltag liegen“.
Wir brauchen Bedingungen, die Gesundheit fördern und erhalten.
Das Motto des Koalitionsvertrages „Verantwortung für Deutschland“ übersetzte die Ministerin für die Gesundheitspolitik: Verantwortung heiße, eine gute, bedarfsgerechte und bezahlbare Gesundheitsversorgung im ganzen Land zu gewährleisten. „Wir brauchen Bedingungen, die Gesundheit fördern und erhalten. Wir werden dafür die Grundlagen schaffen“, so Nina Warken.
Sie wies auf die strukturellen Defizite im deutschen Gesundheitssystem hin und betonte, dass Schwächen in der Gesundheitsversorgung eine besondere Tragweite hätten. Daher sei es ihr wichtig, dass jeder, der krank ist oder Pflege braucht, sich darauf verlassen können soll, dass er bestmöglich versorgt werde. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) begrüßte, dass die neue Ministerin den dringenden Reformbedarf klar benenne. „Ein Festhalten am Status quo gefährdet nicht nur die Beitragsstabilität, sondern langfristig auch die Versorgungsqualität und Innovationsfähigkeit der medizinischen Versorgung“, so Prof. Jens Scholz, Erster Vorsitzender des VUD.
Bedeutung Gesundheitsbereich fĂĽr Wirtschaft
Die neue Bundesgesundheitsministerin betonte in ihrer Rede, welch bedeutendes Arbeitsfeld mit Millionen von Beschäftigten die Gesundheitswirtschaft sei und dass dieses stabile Rahmenbedingungen benötige. Die Mitarbeitenden in der Branche seien hochqualifiziert und hochmotiviert. Sie ließ keinen Zweifel, dass sie diese besonders in den Blick nehmen werde. Die Ärzteschaft soll von Bürokratie befreit werden und wieder mehr Zeit für die Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten haben. Besonders den Pflegekräften will Warken „endlich die Möglichkeit geben, ihre umfangreichen Fähigkeiten noch stärker einzubringen. Wir können es uns nicht leisten, die vielen Kompetenzen in der Pflege ungenutzt zu lassen“, erklärte sie an ihrem gestrigen 46. Geburtstag im Bundestag. Das lässt hoffen, dass die bereits vorbereiteten Pflegegesetze schnell wieder aufgenommen und verabschiedet werden.
Wir können es uns nicht leisten, die vielen Kompetenzen in der Pflege ungenutzt zu lassen.
Warken wolle zudem einen neuen Pharmadialog starten, um damit die Pharmaindustrie, aber auch die Medizintechnik, als Leitindustrie im Land zu stärken. Denn es seien die Patientinnen und Patienten, die eine „stabile Arzneimittelversorgung benötigen“. Daher wolle sie auch die Vor-Ort-Apotheken – besonders im ländlichen Gebiet – in den Blick nehmen und ihre Rolle als Anlaufstelle in der Gesundheitsversorgung ausbauen.
Festhalten am Ziel des KHVVG
An den Zielen der Krankenhausreform von Prof. Karl Lauterbach (SPD) wolle sie festhalten. Dennoch: „Die nötigen und tiefgreifenden Strukturreformen werden wir gemeinsam weiterentwickeln“, hieß es von ihr. Sicherlich waren die Länder, die Klinikträger und Praktiker aber auch die Akteure in der Selbstverwaltung hoch erfreut, als Warken verlautbaren ließ, dass sie – anders als ihr Vorgänger – hierfür auf den Dialog mit allen Beteiligten setze. Der VUD appellierte an die Ministerin in diesem Zusammenhang: „Die Krankenhausreform muss jetzt kommen – klar, konsequent und ohne Rückschritte.“ Dabei hatte Scholz vor allem die Ausnahmeregelungen im Blick, die seiner Ansicht nach nur begrenzt Anwendung finden dürften. Mit dieser Meinung steht der VUD-Vorsitzende nicht allein da.
Die nötigen und tiefgreifenden Strukturreformen werden wir gemeinsam weiterentwickeln.
Bezüglich der Finanzierung des Transformationsfonds werde es eine zeitnahe Änderung – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – geben. Die Investitionen für die Krankenhäuser sollen aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert werden, so die Ministerin. Das sei nur folgerichtig, denn bei den Umbaukosten der Krankenhauslandschaft handle es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, erklärte die Juristin. Dieses Vorgehen bewertete auch der VUD als „ordnungspolitisch sinnvoll“.
Warken ist es wichtig, eine gute und „bezahlbare Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau“ vor Ort sicherzustellen – gerade im ländlichen Raum. Die Lücke bei den Soforttransformationskosten aus den Jahren 2022/23 für die Kliniken müsse daher zeitnah geschlossen werden, ließ sie verlautbaren. Der ein oder andere hätte sich hier eine weitere Präzisierung gewünscht – ähnlich beim Thema Primärarztsystem, das die Ministerin zwar ebenfalls kurz erwähnte, aber nicht weiter darauf einging.
Die Strukturreformen werden uns helfen, eine bezahlbare Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau zu sichern.
Der Reform der Notfallversorgung werde sich ihr Haus zeitnah annehmen und auf der Vorarbeit der Ampelregierung aufbauen, während eine Reform des ambulanten Bereiches wohl nicht Priorität eins auf Warkens politischer Agenda ist.
Digitalisierung
Den Digitalisierungsschub will die Baden-Württembergerin mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) weiter fortsetzen, denn „ein modernes Gesundheitssystem ist undenkbar ohne digitale Lösungen“. Die laufende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) werde weiterhin eng durch das BMG begleitet; besonderes Augenmerk liege auf der Sicherheit und Stabilität des Betriebes. Warken will in ihrer Amtszeit die Datenverfügbarkeit im Gesundheitswesen für gute Versorgung und Forschung verbessern. Es werde auch darum gehen, Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen zu überwinden.
Rote Zahlen in der Kranken- und Pflegeversicherung
Bei der Vorstellung ihres Regierungsprogramms betonte Nina Warken die gewaltigen Herausforderungen im Bereich Gesundheit und Pflege, vor der ihr Ministerium, aber auch wir als Gesellschaft stehen. Union und SPD wollen – so steht es im Koalitionsvertrag – die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Pflegeversicherung stabilisieren. Vorschläge für umfassende Reformen soll eine Kommission bis Frühjahr 2027 vorlegen.
„Die Lage der GKV ist dramatischer als ohnehin angenommen“, sagte die Ministerin gegenüber dem Handelsblatt, nachdem sie sich einen ersten Überblick verschafft hatte. Sie übernehme ein System in „tiefroten Zahlen“. Angesichts der angespannten Finanzlage der GKV zog der Bund eine 800-Millionen-Euro-Spritze für die Krankenkassen, die Ende 2025 fällig geworden wäre, jetzt schon vor. Warken ließ durchblicken, dass dies nicht die einzige sofortige Stabilisierungsmaßnahme für die Kostenträger bleiben werde, die Beiträge zur GKV aber auch langfristig stabilisiert werden müssten.
Eine gute Pflege und Gesundheitsversorgung ist elementar, wir sind es den Menschen schuldig in diesem Land.
Auch die angespannte Finanzsituation in der Pflegeversicherung erfordere ein mehrgleisiges Herangehen und müsse mittel- und langfristig als Mammutaufgabe angegangen werden. Daher solle eine Bund-Länder-AG „noch in diesem Jahr einen Vorschlag für eine große Pflegereform erarbeiten“.
Reger Diskurs ob des vorgestellten Regierungsprogramms
Im Anschluss an die Erklärung Nina Warkens entspann sich eine rege Diskussion zwischen den Fraktionen. Während einige Abgeordnete der AfD die neue Regierung als „Stillstandskoalition“ bezeichneten und vermuteten, dass es bei der Ämterbesetzung mehr um Quote als um Kompetenz ging, zeigten sich andere Abgeordnete, wie Kay-Uwe Ziegler, versöhnlicher: „Wenn Sie, Frau Ministerin, die Gesundheit in den Mittelpunkt rücken, wird unsere Fraktion Sie bei dieser Mammutaufgabe konstruktiv begleiten.“ Einigkeit herrschte bei der AfD in folgendem Punkt: Forderung zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Coronapandemie.
Während die Sprecher der beiden Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD erwartungsgemäß Passagen aus dem Koalitionsvertrag hervorhoben – wie die Stärkung der Prävention und die Kompetenzerweiterung bei den Gesundheitsberufen – standen die Grünen zwischen den Stühlen. Dr. Janosch Dahmen gestand zu, dass der Koalitionsvertrag wichtige Punkte wie das Primärarztsystem enthalte. Er sicherte der Ministerin zu, dass die Grünen sie als konstruktive Opposition begleiten würden. Seine Parteikollegin Simone Fischer ging bei ihren Worten mehr auf Konfrontation. Sie prangerte an, dass die neue Koalition eines nicht habe – einen klaren Plan, um den Pflegenotstand zu beheben. Sie forderte Warken auf, Pflege zur Priorität in ihrer Amtszeit zu machen. Dann habe sie auch die Unterstützung der Grünen-Fraktion.
Wir brauchen keine wohlklingenden Phrasen, sondern eine Revolution.
Drei Pflegefachkräfte waren auf der Rednerliste – alle aus der Linkspartei. Stella Merendino kam sogar im Kasack, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. Sie prangerte – ähnlich wie ihre Kolleginnen Julia-Christina Stange und Evelin Schötz – an, dass die Politik seit Jahren leere Versprechen gebe, die einer Ohrfeige für alle geleichkämen, die das System Tag für Tag am Laufen halten würden. Nicht überraschend kamen aus diesen Reihen Forderungen nach flächendeckenden Tarifverträgen, einer solidarischen Pflegevollversicherung und weniger Marktorientierung im Gesundheitswesen. Auch die Abschaffung der Fallpauschalen wurde einmal mehr von den Linken gefordert.
Quelle: Alexandra Heeser (Freie Journalistin) 2025. Thieme.
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