Notfallreform – Wie Lauterbach den Rettungsdienst retten will

Einheitliche LĂ€nder-Standards, ein höherer Digitalisierungsgrad, und mehr Befugnisse – so lĂ€sst sich die Empfehlung der Regierungskommission zur Reform des Rettungsdienstes wohl zusammenfassen. Was die PlĂ€ne im Einzelnen bedeuten.

Am 7. September stellte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) in Berlin die umfassenden ReformvorschlĂ€ge der Regierungskommission fĂŒr den Rettungsdienst in Deutschland vor. Unterm Strich sollen die Patient*innen durch die Reform seltener in die Notaufnahme kommen, dafĂŒr aber besser versorgt werden. Hinzu kommen einheitliche Vorgaben zu Organisation, Leistungsumfang, QualitĂ€t, Befugnissen und Bezahlung des Rettungsdienstes. 

Erreicht werden soll eine transparente, qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte patientenzentrierte prÀklinische Notfallversorgung nach bundesweit vergleichbaren Vorgaben. 

„Erreicht werden soll eine transparente, qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte patientenzentrierte prĂ€klinische Notfallversorgung nach bundesweit vergleichbaren Vorgaben; das dient zugleich dem Ziel von QualitĂ€t und Wirtschaftlichkeit“, hieß es vom Bundesgesundheitsministerium.

In der Vergangenheit hatten sich Klagen ĂŒber andauernden Stress und Personalnot bei den Rettungsdiensten gehĂ€uft. Viele Patient*innen nutzten die Notfallnummer nicht nur bei NotfĂ€llen, sondern etwa auch bei sozialer Not oder kleineren und chronischen Erkrankungen, hieß es in einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Ausgaben der Krankenkassen fĂŒr den Rettungsdienst seien dabei 2022 auf eine Rekordsumme von 8,4 Milliarden Euro gestiegen.

Notfallversorgung darf kein Reformnotfall bleiben

Bundesgesundheitsminister Lauterbach ergĂ€nzte: „Unser Rettungsdienst braucht dringend eine Reform und klare Strukturen: einheitliche Standards, mehr Befugnisse, eine sinnvolle VergĂŒtungssystematik. Deshalb ist es wichtig, dass die Regierungskommission dazu jetzt Empfehlungen vorgelegt hat. Diese Überlegungen werden wir in unsere ReformplĂ€ne einfließen lassen, wie wir das auch in anderen Reformfeldern tun. Im Notfall muss der Rettungsdienst schnell und zielgenau helfen. Die Notfallversorgung darf nicht weiter selbst ein Reformnotfall bleiben.“ 

Unser Rettungsdienst braucht dringend eine Reform und klare Strukturen: einheitliche Standards, mehr Befugnisse, eine sinnvolle VergĂŒtungssystematik.

Thomas Ecke/BMG

Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD).

Auch der Verband der UniversitĂ€tsklinika Deutschland (VUD) begrĂŒĂŸt die Empfehlungen: „Die demografische Entwicklung zwingt uns, alle Strukturen unserer Gesundheitsversorgung zu ĂŒberdenken. Die KrankenhĂ€user werden von einer Reform der Rettungsdienste profitieren, wenn zukĂŒnftig Patient*innen gezielter in die richtige Versorgungsebene geleitet und alle relevanten Patientendaten vorab ĂŒbermittelt werden“, betont der Verbandsvorsitzende Prof. Jens Scholz. Krankenhausreform und Notfallreform mĂŒssten dabei unbedingt zusammen gedacht werden.

Die VorschlÀge der Regierungskommission im Einzelnen:

  1. Regelung des Rettungsdienstes im Sozialgesetzbuch V

Der konkrete Leistungsanspruch soll in einer eigenstĂ€ndigen Norm im Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt werden. BerĂŒcksichtigt werden sollen dabei die Leistung der Leitstelle, die Notfallversorgung vor Ort, der Notfalltransport um komplementĂ€re Notfallversorgungsnagebote, wie pflegerische Notfallversorgung oder psychiatrisch-psychosoziale Krisenintervention.

  1. Mehr Transparenz und bessere QualitÀtssicherung

Festgelegt werden sollen Vorgaben fĂŒr Mindestpersonalausstattung, Qualifikation und Weiterqualifizierung, Rettungsmittel.

  1. Einheitliche QualitÀtsstandards

Die Anforderungen an Struktur-, Prozess- und soweit möglich ErgebnisqualitĂ€t sowie die Qualifikation des eingesetzten Personals in Leitstellen und der Notfallrettung sollen lĂ€nderĂŒbergreifend vereinheitlicht werden. Anzustreben ist die Etablierung eines Notfallversorgungsregisters mit Kerndaten zu KV-Notdienst, Rettungsdienst, Notaufnahmen, Notfallzentren.

  1. Digitales Ressourcenregister

Um Patienten besser steuern zu können soll ein digitales Echtzeit-Register ĂŒber vorhandene Ressourcen aufgebaut werden.

  1. Leitstellen-Organisation

Die BundeslĂ€nder sollen die Koordinierung des Rettungsdienstes straffen. Richtwert ist dafĂŒr eine Leitstelle pro einer Million Einwohner*innen.

  1. Personalmanagement

Die Befugnisse von NotfallsanitĂ€ter*innen sollen ausgeweitet werden hinsichtlich Medikamentengabe sowie invasiver Maßnahmen.

Besonders qualifizierte NotfallsanitĂ€ter*innen sollen mit eigener fachgebundener Heilkundebefugnis („advanced paramedic practitioner“, Bachelor/Master-Niveau) den jetzigen Notarztdienst substituieren und die Ă€rztlichen Spezialressourcen nur bei Bedarf anfordern mĂŒssen.

NotÀrzt*innen sollen nur in besonders komplexen FÀllen eingesetzt werden.

  1. Notfallversorgung in lÀndlichen Regionen

FĂŒr eine hochwertige Notfallversorgung auch in lĂ€ndlichen Regionen und in AbhĂ€ngigkeit der Krankenhausplanung des Bundeslandes soll der Luftrettungsdienst, insbesondere durch Ausbau von Landemöglichkeiten und Nachtbetrieb, erweitert werden.

  1. Allgemeine Gesundheitskompetenz

„Erste Hilfe“-Kurse sollen in den Grund- und weiterfĂŒhrenden Schulen und am Arbeitsplatz angeboten werden und verpflichtend sein.

Ersthelfer-Apps sollen flĂ€chendeckend eingefĂŒhrt werden.

Öffentlich zugĂ€ngliche Defibrillatoren sollen flĂ€chendeckend aufgestellt werden.

  1. Finanzierung des Rettungsdienstes

Krankenkassen sollen die Leistungen der Leitstelle, die Notfallversorgung vor Ort, den Notfalltransport sowie zusĂ€tzliche Dienste (wie die pflegerische Notfallversorgung) vergĂŒten.

Die VergĂŒtung des Rettungsdienstes sollte sich aus Vorhalte- und Leistungsanteil zusammensetzen.

Neben bundesweit geltenden Entgelten sollten regionale Anpassungsfaktoren vereinbart werden.

Die VorschlĂ€ge wĂŒrden nun in Eckpunkte der Regierung einfließen, kĂŒndigte Lauterbach an. Parallel dazu werde die eigentliche Klinikreform vorangetrieben, die durch eine andere Klinikfinanzierung Schließungen der unter Finanzdruck stehenden Kliniken möglichst abwehren solle.

Quelle: BMG/VUD/dpa/hnle

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