Prof. Karl Lauterbach (SPD) gab sich kämpferisch als er verkündete, dass die Krankenhausreform mit Veröffentlichung des Groupers jetzt scharf gestellt ist. Das Handbuch für die geplante Zuordnung zu den Leistungsgruppen umfasst 12 000 Seiten.
Auf der gestrigen Pressekonferenz des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) in der Berliner Charité verkündete Bundesgesundheitsminister Lauterbach, die Arbeit an der Ausgestaltung des Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetzes (KHVVG) schreite schnell fort. Noch einmal betonte er, dass das BMG hier keine Kompromisse mache.
An folgenden „Baustellen“ arbeiten er und sein Ministerium derzeit: An erster Stelle stehe die Einführung des vom Institut für das Engeltsystem im Krankenhaus (InEK) entwickelten Leistungsgruppen-Schlüssels. Dieser sollte ursprünglich bereits im September 2024 fertig sein. Gut einen Monat nach Inkrafttreten des KHVVG wird mit Veröffentlichung des Leistungsgruppen-Groupers nun der Umbau der stationären Versorgung eingeläutet.
An zweiter Stelle nannte der Minister die Arbeit am Transformationsfonds, der festlegt, welches Haus künftig Mittel für den Umbau der Krankenhauslandschaft in Anspruch nehmen kann. Hierzu habe das BMG in der vergangenen Woche bereits einen Vorschlag für die Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung (KHTFV) in Umlauf gebracht. Die dritte Baustelle sieht der Minister im Leistungsgruppen-Ausschuss, der die 65 Leistungsgruppen weiterentwickeln und ergänzen soll. Die noch ausstehende dritte Rechtsverordnung zu den Mindestvorhaltezahlen sei ebenfalls schon in der methodischen Vorbereitung, betonte Lauterbach.
In EK-Leistungsgruppen-Grouper
Jeder erbrachte Fall wird künftig klar einer der bislang definierten 65 Leistungsgruppen und einer DRG zugeordnet und unterscheidet sich damit vom NRW-Grouper. In Nordrhein-Westfalen sei es möglich, so der Minister, eine Leistung wie die Entfernung eines Lungentumors in verschiedene Leistungsgruppen einzusortieren. Das sei mit dem In EK-Grouper nicht mehr möglich. Da würde die Leistung „Entfernen eines Lungentumors“ künftig nicht mehr der allgemeinen Chirurgie, sondern nur der Thoraxchirurgie zugeordnet. „Der Grouper ist das Herz der Krankenhausreform und sorgt dafür, dass die Spezialisierung nicht nur auf dem Papier steht, sondern in die Tat umgesetzt wird“, erklärte Lauterbach.
Diese konkrete Fallzuordnung lässt sich anhand eines 12 000 Seiten dicken Handbuches nachvollziehen, das Lauterbach als „unbürokratisches System“ beschrieb, und das auf der Seite des InEK zeitnah zum Download bereitsteht. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) können die Informationen in Zukunft relativ einfach ausgewertet werden, führte der Minister aus. Die Zuordnung durch den Grouper ist für die Kliniken für die Berechnung der Vorhaltekosten entscheidend.
Lauterbach rechnet damit, dass die Softwareanbieter ihre Lösungen in der kommenden Woche zertifiziert haben und dann der Grouper für alle Kliniken zur Verfügung steht und aktiv genutzt werden kann. Prof. Volkmar Falk, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums, und Prof. Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité, betonten bei der Pressekonferenz in ihrem Haus, dass sie froh seien, dass die Kliniken mit dem Grouper nun Klarheit über die Leistungsgruppen erhielten. Falk betonte, dass sich die Charité auf alle 65 Leistungsgruppen – ausgenommen der Darmtransplantation – bewerben werde.
Auf Nachfrage von kma räumte Lauterbach ein, dass die Fallzuordnung zu den neuen, zusätzlichen fünf Leistungsgruppen, noch nicht komplett funktionieren würde. Probleme, die teilweise noch bestünden, müssten noch gelöst werden. So beruhe beispielsweise die vorgesehene Leistungsgruppe Notfallmedizin noch auf den Notfallstufen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA). Auch bei der Leistungsgruppe Geriatrie gebe es noch Nachbesserungsbedarf. Der Minister sieht dies jedoch nicht als Problem, da die Abrechnung auf Grundlage der Leistungsgruppen erst 2027 starte.
„Im Prinzip können die Kliniken für alle 65 Leistungsgruppen jetzt schon sehen, ob sie die Kriterien erfüllen und diese bekommen“, erklärte der Minister – auch wenn die Arbeit am Grouper noch nicht komplett abgeschlossen sei. Das biete den Kliniken bereits vor dem Inkrafttreten der Leistungsgruppen die Möglichkeit abschätzen zu können, auf welche Leistungsgruppen sie sich konzentrieren und welche sie besser nicht mehr bedienen sollten.
Zudem hätten die Häuser dadurch Zeit, entsprechende gemäß der Facharztquote fehlenden Arztstellen, die sie für die Erbringung einer Leistungsgruppe benötigen, zu besetzen. Denn – das betonte der Minister gestern noch einmal ausdrücklich: Das BMG werde die Vorgaben zur Personalausstattung, sprich die Facharztquote, nicht runterschrauben. Diese – wie andere Kriterien beispielsweise zur technischen Infrastruktur – entscheiden künftig, welche Leistungsgruppen Kliniken ab 2027 abrechnen dürfen. Der Grouper ist also ein Instrument, das die Kliniken für die Vorbereitung auf die Abrechnung nach Leistungsgruppen brauchen. Ab 2027 wird er jedoch auch ausschlaggebend für die Abrechnung sein, führte Lauterbach auf Nachfrage aus.
Leistungsgruppen-Ausschuss startet im Februar
Der Leistungsgruppen-Ausschuss, der vom Bund und den Ländern geleitet wird, besteht in gleicher Anzahl aus Vertretern des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen sowie der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und Vertretern der Hochschulmedizin und der Pflege. Er werde sich formal am 3. Februar 2025 konstituieren, hieß es von Lauterbach. Der Ausschuss soll Empfehlungen für die Weiterentwicklung der im KHVVG genannten Leistungsgruppen und der dazugehörigen Qualitätskriterien bis Ende März 2025 formulieren. Diese Empfehlungen sollen Grundlage der Leistungsgruppen-Verordnung werden, die das BMG dann erlassen wird; der Bundesrat muss dieser zustimmen.
Auf Nachfrage erklärte Lauterbach, dass durch die Zuweisung der Leistungsgruppen die Länder in Zukunft eine enorme Gestaltungsmacht besäßen. Sie könnten durch die Zuweisung von Planfallzahlen Häuser, die sie unbedingt behalten wollen, unterstützen. Umgekehrt funktioniere es im Übrigen genauso. Den Ländern stehe offen fast jedem Haus, das sie schließen möchten, die Leistungsgruppen so zuweisen, dass das Haus ohne weitere Perspektive dastünde. Zudem könnten die Länder einen Klinikstandort durch die Umwandlung in ein Level-Ii-Haus retten. Denn diese sektorübergreifenden Versorgungszentren unterliegen dem Selbstkostendeckungsprinzip und Insolvenzen sind damit quasi ausgeschlossen, erläuterte der amtierende Bundesgesundheitsminister.
Über die Krankenhaustransformations-Verordnung (KHTFV) soll – geht es nach Lauterbach – am 14. Februar 2025 bereits in der Plenarsitzung im Bundesrat abgestimmt werden. Er stellte gestern kurz vor, dass die Anträge für zu fördernde Vorhaben ab dem 1. Juli 2025 gestellt werden können. Vorher erfolgte Planungen seien abgedeckt, sofern die Umsetzung des zu fördernden Vorhabens nicht vor dem 1. Juli 2025 begonnen wurde.
Der Minister lobte die unbürokratische Möglichkeit, diese Anträge komplett digital über das Online-Portal des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) stellen zu können. Das Verfahren sei „stark entbürokratisiert“, die Anträge einfach – meist – durch Anklicken auszufüllen. Dieses Verfahren sei im Übrigen „das größte Antragsverfahren für Fördermittel, das komplett digital abläuft“. Er hob noch einmal darauf ab, dass mit der Rechtsverordnung sichergestellt werde, dass nur Projekte gefördert werden, die eine auf die Leistungsgruppen bezogene Veränderung der stationären Versorgung bewirken und zu konzentrierten, qualitativ hochwertigen stationären Versorgungsstrukturen führen.
Förderfähig sind:
- Konzentration akutstationärer Versorgungskapazitäten
- Umstrukturierung bestehender Krankenhausstandorte in sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (SüV)
- Bildung telemedizinischer Netzwerkstrukturen
- Bildung von Zentren zur Behandlung von seltenen, komplexen oder schwerwiegenden Erkrankungen
- Bildung regional begrenzter Krankenhausverbünde
- Bildung integrierter Notfallstrukturen
- Schließung oder Teilschließung von Krankenhäusern
- Schaffung zusätzlicher Ausbildungskapazitäten
Streit um die Finanzierung des Transformationsfonds
Laut Deutschem Ärzteblatt bereiten sich die Krankenkassen derzeit intensiv auf eine Verfassungsklage gegen die Finanzierung des Transformationsfonds durch Gelder aus dem Gesundheitsfonds vor. Vergangene Woche hatte sich Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbandes vor Journalisten in Berlin wie folgt geäußert: „Aus meiner Sicht sind die Erfolgsaussichten einer Klage zur Verfassungswidrigkeit der Finanzierung des Fonds sehr gut.“ Denn es gebe überwiegende Meinung, „dass die Regierung mit dem, was sie hier fabriziert, einen Formenmissbrauch betreibt, der verfassungsrechtlich nicht nur bedenklich, sondern schlicht verfassungswidrig ist“, ließ er verlautbaren.
Aus meiner Sicht sind die Erfolgsaussichten einer Klage zur Verfassungswidrigkeit der Finanzierung des Fonds sehr gut.
Auch der Sozialverband VdK macht sich bereit, den Klageweg gegen die Finanzierung des Transformationsfonds durch Beiträge der GKV-Mitglieder zu beschreiten. Klagen wolle der VdK zusammen mit seinen Mitgliedern, die gegen die höheren Beitragsbescheide ihrer Krankenkasse Widerspruch einlegen. Gesundheitsminister Lauterbach sieht diesen Drohgebärden gelassen entgegen und zeigte sich auf der gestrigen Pressekonferenz zuversichtlich, dass sein Ministerium alles berücksichtigt und rechtssicher ausgearbeitet habe. Das Risiko sei minimal: „Geklagt wird bei Projekten in dieser Größenordnung in der Regel. Da bin ich auch sehr erfahren.“
Wie KHTFV aufgenommen wird
Vergangene Woche hatte das BMG den Entwurf einer Krankenhaustransformations-Verordnung in Umlauf gebracht. Erste Reaktionen sind bereit erfolgt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt in ihrer Stellungnahme grundsätzliche die Einführung des Transformationsfonds, sieht jedoch noch Anpassungsbedarf in der Rechtsverordnung, die das BMG erarbeitet hat. Sie kritisiert, dass beispielsweise jede Konzentration von Leistungen förderfähig sein sollte, unabhängig der Mindestvorhaltezahlen der Leistungsgruppen. Auch die Förderfähigkeit von Leistungskonzentrationen innerhalb eines Krankenhausstandortes sollte möglich sein.
Die DKG moniert ebenso, dass die Verordnung zwar Vorhaben zur Umstrukturierung eines bestehenden Krankenhausstandorts zum SüV konkretisiert, die Kosten für de Auf- und Umbau ambulanter Versorgungsangebote jedoch ausgeschlossen werden. „Eine Klarstellung, dass die Förderung standortübergreifende Vorhaben einschließt, ist daher notwendig“, heißt es. Alle Bereiche, in denen es laut DKG Anpassungsbedarf gibt, finden Sie hier.
Auch der Deutsche Evangelischer Krankenhausverband e.V. (DEKV) hat sich zustimmend zur Verordnung geäußert, gibt in seiner Stellungnahme jedoch „Verbesserungsimpulse“. Ein wichtiger fehlender Fördertatbestand sei demnach die Umwandlung bestehender stationärer Operationssäle in ambulant-stationär nutzbare Einrichtungen. Weiterhin ist es den evangelischen Krankenhäusern ein großes Anliegen, „ihre Häuser so umzubauen und zu gestalten, dass sie auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Seh- oder Hörbehinderungen oder intellektueller Beeinträchtigungen leicht zugänglich sind“, erklärte Elke Ronneberger, Bundesvorständin der Diakonie Deutschland. Sie fordert finanzielle Unterstützung auch für Maßnahmen zur Stärkung der Barrierefreiheit von Kliniken. Alle Vorschläge können Sie hier nachlesen.
Einige Regelungen im Verordnungsentwurf sind auslegungsbedürftig und können zu Unsicherheiten seitens der Krankenhäuser führen.
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) begrüßt, dass in den Prozess auch Wirtschaftsprüfer eingebunden werden sollen. Es mahnt jedoch an, dass einige Regelungen im Verordnungsentwurf auslegungsbedürftig seien und zu Unsicherheiten seitens der Krankenhäuser, Länder und Wirtschaftsprüfer führen könnten. Das IDW empfiehlt hier, den Prüfungsauftrag in der Verordnung zu konkretisieren. Hier geht’s zu den Empfehlungen im Detail.
Quelle: Alexandra Heeser (Freie Journalistin) 2025. Thieme