Schutzschirmverfahren – Probates Verfahren zur geregelten Kliniksanierung

Vielen Krankenhäusern drohen ohne zusätzliche Gelder aktuell erhebliche Liquiditätsprobleme. Ein Schutzschirmverfahren erlaubt jedoch eine geregelte Sanierung, bevor es zur Zahlungsunfähigkeit des Hauses kommt. Fachanwalt Lars Knipper erklärt, wie das funktioniert.

Das Schutzschirmverfahrens bietet die Möglichkeit, unter Erhalt des Rechtsträgers tiefgreifende erforderliche Sanierungsmaßnahmen kurzfristig umzusetzen und hierbei normierten Sonderrechte aus dem Insolvenzrecht zu nutzen.

Die Sanierung im Rahmen eines sogenannten Schutzschirmverfahrens setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht noch keine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat. Es darf allenfalls eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder eine (insolvenzrechtliche) Überschuldung zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Daneben bedarf es einer sogenannten Schutzschirmbescheinigung eines qualifizierten Bescheinigers – das kann ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt sein – wonach drohende Zahlungsunfähigkeit, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Prognosezeitraum ändert sich

Dabei wird anhand eines Prognosezeitraums bewertet, ob das Unternehmen zahlungsunfähig wird. Aktuell gilt, dass für die insolvenzrechtliche Überschuldung nur ein viermonatiger Prognosezeitraum gegeben sein muss. Das heißt, sofern für die auf den laufenden Monat folgenden vier Monate eine positive Fortführungsprognose gegeben ist und keine insolvenz-rechtliche Überschuldung vorliegt, ist das Schutzschirmverfahren anwendbar. Der viermonatige Prognosezeitraum gilt allerdings nur bis zum 31. Dezember 2023. Er wurde Anfang 2022 mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eingeführt, um dadurch hervorgerufene Belastungen abzumildern und eine Insolvenzwelle zu vermeiden. Ab dem Jahr 2024 wird wieder die zwölfmonatige Prognosefrist gelten, sodass ab September 2023 die Geschäftsführung bereits wieder den Zwölf-Monatszeitraum im Auge haben muss.

Ohne positive Forführungsprognose ist der Weg verschlossen

Demgegenüber besteht insbesondere für kommunale Träger die Problematik, dass die Haushalte immer nur für ein Haushaltsjahr verabschiedet werden und insofern teilweise nicht einmal über Zuschüsse, die das folgende Haushaltsjahr betreffen, entschieden werden kann. Hier muss die Geschäftsführung, um nicht selbst in die Haftung zu kommen, zumindest eine belastbare Zusage ihres Gesellschafters dahingehend erlangen, dass eine Patronatserklärung abgegeben wird, dass auch für die möglichen Verluste des Folgejahres der Gesellschafter durch Zurverfügungstellung weiterer Mittel im künftigen Haushalt Sorge tragen wird. Anderenfalls wird eine positive Fortführungsprognose nicht bejaht werden können. Die Geschäftsführung muss beachten, dass bei einer mangelnden Durchfinanzierung der Klinik für den Zeitraum von vier bzw. zwölf Monaten keine positive Fortführungsprognose gegeben ist und für diesen Fall bei der Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung ein Überschuldungsstatus nach Liquidationswerten aufzustellen ist.

Dies hat zur Folge, dass das Krankenhaus dann regelmäßig insolvenzrechtlich über-schuldet und somit antragspflichtig ist. Gelingt es nicht, die insolvenzrechtliche Überschuldung binnen einer Höchstfrist von acht Wochen zu beseitigen, ist ein Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht zu stellen. Anderenfalls begeben sich die Geschäftsleitung und Aufsichtsorgane der Gefahr, sowohl zivil- als auch strafrechtlich Haftungsansprüchen ausgesetzt zu sein (Insolvenzverschleppungshaftung).

InsO-Sonderregeln sind anwendbar

Die Sanierung im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens bietet im Gegenzug zur außergerichtlichen Sanierung auch diverse Vorteile und gewährt Rechtssicherheit, da auf die Sonderregelungen der Insolvenzordnung (InsO) zurückgegriffen werden kann. Leitet die Geschäftsführung ein Schutzschirmverfahren rechtzeitig ein, gewährt der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass das Verfahren in Händen der Geschäftsleitung bleibt. Diese wird ergänzt um einen sanierungserfahrenen Sanierungsberater, in der Regel als Generalbevollmächtigten. Vom Gericht wird an Stelle eines Insolvenzverwalters ein sogenannter Sachwalter bestellt, dessen Aufgabe es ist zu überwachen, dass die insolvenzrechtlichen Vorschriften eingehalten werden und die Interessen der Gläubiger gewahrt werden. Operativ ist die Geschäftsleitung jedoch weiterhin vollumfänglich handlungsfähig.

Der Vorteil eines derartigen Verfahrens gegenüber der nunmehr vielbeschworenen ungeregelten Insolvenz (Regelinsolvenzverfahren) liegt nicht nur in der Kontinuität der Geschäftsleitung, sondern dass durch die geregelte Sanierung eine Zerschlagung des Rechtsträgers vermieden werden kann. Es bedarf keiner Neuaufnahme in den Krankenhausplan. Bei einer Sanierung außerhalb eines Schutzschirmverfahrens ist dies erfahrungsgemäß nur über einen langen Zeitraum möglich, der mit erheblichen Kosten verbunden ist. Bis zur tatsächlichen Umsetzung fallen fortlaufend weitere Verluste an. Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens können derartige Maßnahmen mit Hilfe der insolvenzrechtlichen Sonderregeln zügig umgesetzt werden, insbesondere kann sich von ungünstigen Verträgen mit einer Frist von maximal drei Monaten getrennt werden. Hierzu gehören Mietverträge, Leasingverträge, Finanzierungsverträge etc. Sofern Personalanpassungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen, sind die arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen auf höchstens drei Monate beschränkt, die Sozialplankosten auf höchstens 2,5 Monatsgehälter und Pensionsverpflichtungen werden lediglich quotal befriedigt.

 

Während des Schutzschirmverfahrens bleibt operativ die Geschäftsführung vollumfänglich handlungsfähig.

 

Ein weiterer Vorteil ist der Erhalt der Zulassung durch die Sozialversicherungsträger und dass keine problematische Weitergabe der Patientendaten erfolgen muss, da der Rechtsträger anders als beim Asset Deal, bei dem Vermögenswerte an einen Dritten übertragen werden, erhalten bleibt. Über das Insolvenzausfallgeld können zudem für den Zeitraum von bis zu drei Monaten die Personalkosten bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze abgedeckt werden. Hierdurch kann das Krankenhaus einen Liquiditätsgewinn erzielen und Mittel ansammeln, um die Sanierung erfolgreich durchzuführen. Wichtig ist ein klares Sanierungsziel.

Flankiert werden sollte das Schutzschirmverfahren durch eine abgestimmte Kommunikationsstrategie sowohl nach innen als auch nach außen. Es ist nicht zu verleugnen, dass ein Schutzschirmverfahren eines Krankenhausträgers in der Regel ausführlich durch die lokalen Medien begleitet wird und auch innerhalb der Belegschaft zu Verunsicherungen führt. Insofern ist es umso wichtiger, dass bevor der Gang in ein Schutzschirmverfahren erfolgt, das Leitbild des sanierten Unternehmens vorher ausgearbeitet und validiert worden ist, um aktiv kommunizieren zu können, wie das Sanierungsverfahren abläuft und was die Ziele des Sanierungsverfahrens sind. Hierbei sind auch die Mitarbeiter über ihre Betriebsräte und turnusgemäße Mitarbeiterversammlungen rechtzeitig zu informieren. Insofern ist die Geschäftsführung gut beraten, vorab ein Sanierungskonzept auszuarbeiten und ein Sanierungsleitbild, wie das Krankenhaus nach Abschluss des Verfahrens idealerweise aussehen beziehungsweise sich darstellen soll.

Die Geschäftsführung sollte sich rechtzeitig mit diesen Thematiken befassen, da sie in einem Spannungsverhältnis dahingehend steht, dass es in der aktuellen Situation häufig der Fall ist, dass eine langfristige Durchfinanzierung der Krankenhausgesellschaft nicht gegeben ist. Das Aufzeigen der verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten, insbesondere einer Sanierung im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens, kann auch als Argumentationshilfe gegenüber dem Gesellschafter für die Zurverfügungstellung weiterer Mittel genutzt werden. Die identifizierten Maßnahmen können im Rahmen des Schutzschirmverfahrens schnell und tiefgreifend umgesetzt werden. Die Sanierung kann in der Regel innerhalb eines Zeitraumes von insgesamt neun Monaten durchgeführt werden. Wichtig ist hierbei eine gute Vorbereitung.

Win-Win für alle Beteiligten

Im Ergebnis bietet das gesetzlich vor-gesehene Sanierungsmittel des Schutzschirmverfahrens die Möglichkeit, unter Erhalt des Rechtsträgers tiefgreifende erforderliche Sanierungsmaßnahmen kurzfristig umzusetzen und hierbei die in der Insolvenzordnung normierten Sonderrechte (verkürzte Kündigungsfristen, quotale Befriedigung der Altgläubiger, Beschränkung Sozialplankosten, quotale Befriedigung Pensionsverpflichtungen) zu nutzen. Nach Abschluss eines derartigen Verfahrens und bei Umsetzung der geplanten Maßnahmen kann der Träger dann wieder effektiv am Markt agieren.

Quelle: Fachanwalt Lars Knipper 2023