Im Zuge der geplanten Krankenhausreform könnten viele Klinikstandorte verschwinden. Zudem werden Patienten längere Wege in Kauf nehmen müssen. Zu diesem Schluss kommt eine von der DKG beauftragte Auswirkungsanalyse.
In der Studie des Hamburger Institute for Health Care Business (HCB) hat eine Forschergruppe unter Leitung des Gesundheitsökonomen und HCB-Geschäftsführers Prof. Boris Augurzky die Auswirkungen der geplanten Klinikreform simuliert. Die Regierungskommission hatte dazu im Dezember Vorschläge vorgelegt. Datengrundlage für die Simulation waren die Qualitätsberichte der Krankenhäuser des Datenjahres 2020, die Notfallstufen nach den G-BA-Richtlinien und eine manuelle Prüfung zur Identifikation von Fachkliniken.
Zur Erinnerung: Die Regierungskommission hatte ein stratifiziertes System nach drei Leistungsstufen (Maximal-, Schwerpunkt- und Grundversorger) vorgeschlagen und die Grundversorger noch einmal unterteilt in Häuser mit Notfallversorgung (Level 1n) und in Häuser ohne Notfallversorgung (Level 1i). Laut der HCB-Analyse würden bei Umsetzung der Vorschläge bundesweit noch 232 Krankenhausstandorte der Maximal- und Schwerpunktversorgung bestehen, davon 150 in der Maximalversorgung.
Von den derzeit rund 1700 deutschen Krankenhausstandorte würden 1250 Standorte laut der Analyse danach einer der beiden Level-1-Stufen zugeordnet, davon 834 dem Level 1n. Würde man jedoch noch die 30-Minuten-Regel zur Erreichbarkeit „scharf“ berücksichtigen, würden 562 weitere Kliniken aus dieser Gruppe zu 1i-Einrichtungen. Für 215 Standorte, darunter viele Fachkliniken, konnten die Autoren keine Zuordnung treffen.
Sehr viele Kliniken würden ihren bisherigen Auftrag zur Patientenversorgung ganz verlieren oder müssten sehr weitgehend umgestaltet werden. Das ist weder bedarfsgerecht noch praktisch umsetzbar.
Eine strenge Auslegung der Reformkriterien würde dazu führen, dass viele Klinikstandorte der Grundversorgung in ihrer bisherigen Form nicht überleben würden. „Sehr viele Kliniken würden ihren bisherigen Auftrag zur Patientenversorgung ganz verlieren oder müssten sehr weitgehend umgestaltet werden. Das ist weder bedarfsgerecht noch praktisch umsetzbar“, kritisierte der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß bei der Vorstellung der Analyse.
Viele Patienten müssten die Klinik wechseln
Zudem würde dies für Patienten bei vielen Krankheitsbildern erheblichen Mehraufwand bedeuten, weil es dann zu einer Verschiebung vieler medizinischer Leistungen an andere Standorte kommt. So müssten sich der Analyse zufolge 52 Prozent aller werdenden Mütter einen neuen Standort für die Geburt suchen. 56 Prozent der Patientinnen und Patienten in der interventionellen Kardiologie müssten das Krankenhaus wechseln. In der Urologie wären es 47 und in der Neurologie 39 Prozent. Andere Leistungsgruppen hätten ähnliche Ergebnisse.
Boris Augurzky rechnet damit, dass es zukünftig bundesweit mehr als 150 Maximalversorger geben wird.
„Wir werden weitere Szenarien durchspielen, um zu sehen, welche Änderungen der Kriterien welche Auswirkungen haben, zum Beispiel das Erreichen von Level 2, auch ohne Stroke Unit und ohne Geburtshilfe. Wichtig scheint mir zudem, dass jede Leistungsgruppe an mindestens einem Standort innerhalb der für die Leistungsgruppe passenden Region vorhanden ist, in Ballungsgebieten sollten es mindestens zwei sein“, erläuterte HCB-Geschäftsführer Boris Augurzky, der auch Mitglied in der Regierungskommission ist.
Mehr Maximalversorger
Der Gesundheitsökonom wies aber mehrfach daraufhin, dass die Reform es ermöglichen soll, verschiedene Standorte durch Fusionen oder Kooperationen so zusammenzuführen, dass aus zwei Level-1-Standorten eines Trägers ein Level-2-Standort entstehen kann – oder es auch zu einer übergreifenden Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Trägern kommt. Es würde da sicherlich noch erhebliche Feinjustierungen geben.
So rechnet der Experte damit, dass es „wegen Zusammenschlüssen zukünftig bundesweit mehr als 150 Maximalversorger geben wird.“ Auch die Zahl von 82 Schwerpunktversorgern sei zu gering taxiert und müsse höher angesetzt werden. Zudem betonte Augurzky wiederholt, wie notwendig die Reform sei, um dem Fachkräftemangel in Zukunft wirksamer begegnen zu können und die Qualität der medizinischen Versorgung zu steigern.
DKG legt eigene Alternativvorschläge vor
Im Grundsatz teilt die DKG diese Gedanken, in der Umsetzung allerdings nicht. Folgerichtig legte die DKG eigene Alternativvorschläge für eine Reform vor. Kernelemente des DKG-Konzeptes sind bundeseinheitliche Leistungsgruppen nach Vorbild von Nordrhein-Westfalen und ein länderübergreifendes Stufenkonzept zur Einordnung der Krankenhäuser. Zudem fordert die DKG einen finanzstarken Strukturfonds, die Einführung einer Vorhaltefinanzierung zu höheren Sätzen als bisher geplant und einen massiven Ausbau der klinisch-ambulanten Patientenversorgung.
In vielen Regionen hätten längst leistungsfähige Krankenhausstandorte mit attraktiven Beschäftigungsbedingungen durch Fusionen entstehen können, wenn die dafür notwendigen Investitionsmittel zur Verfügung stünden, kritisierte Gaß. Auch die Umwandlung kleinerer Standorte in medizinisch-pflegerische Versorgungszentren sei bis heute daran gescheitert, dass es weder einen Rechtsrahmen noch eine Finanzierungsgrundlage dafür gebe, sagte der DKG-Vorstandschef.
Ein genauerer Blick auf die Alternativ-Vorschläge der DKG zeigt jedoch auch, was die DKG mit ihren Vorschlägen vor allem bezweckt. Danach müssten nach Ihren Vorstellungen sehr viel weniger Klinikstandorte der neuen Zeit weichen.
Quelle: dsg/DKG