Stichtag 1. Juni – Was Kliniken zum Pflegebudget-Testat wissen sollten

Falsche Daten oder Fristverzug beim Pflegebudget-Testat können fĂŒr KrankenhĂ€user teuer werden. Bis zu 400 000 Euro Sanktionen sind möglich. Worauf es beim Erstellen ankommt, verrĂ€t unser Autor Marcus UhlĂ€nder.

Noch mehr Papierkram? Ja, denn es geht ums Geld: KrankenhĂ€user stehen tĂ€glich vor einem Berg bĂŒrokratischer Anforderungen, die nicht nur eine akribische Aufmerksamkeit fĂŒr Details erfordern, sondern auch tiefgreifende Auswirkungen auf die finanzielle Situation der HĂ€user haben. Unter all diesen Aufgaben kommt dem Erstellen des Pflegebudget-Testats jedoch eine besondere Bedeutung zu.

Sanktionen bis 400 000 Euro 

Das hat zwei GrĂŒnde: Zum einen kann eine nicht fristgerechte Übermittlung oder die Übermittlung objektiv falscher Daten Sanktionen von bis zu 400 000 Euro zur Folge haben (vgl. Paragraf 3 Abs. 1 der Festlegungen gemĂ€ĂŸ Paragraf 6a Abs. 3 Satz 7 KHEntgG). Zum anderen ist das Pflegebudget-Testat fĂŒr ein Krankenhaus erheblich erlösrelevant.

Das Anfertigen des Pflegebudget-Testats sollte daher nicht als lĂ€stige Aufgabe gesehen werden, sondern als Chance, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einen wichtigen Beitrag zur Erlössicherung des Krankenhauses zu leisten. Auf dem Weg zu einem rechtssicheren und optimal gestalteten Pflegebudget-Testat sind zahlreiche Stolpersteine zu ĂŒberwinden. Zwar enthalten die Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung und die Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung konkrete Vorgaben, die bei der Erstellung des Pflegebudget-Testats zu berĂŒcksichtigen sind. Beide Vereinbarungen lassen aber auch EntscheidungsspielrĂ€ume zu, in denen die individuellen Besonderheiten eines Krankenhauses berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen und gleichzeitig Doppelfinanzierungen ausgeschlossen werden.

Handlungsspielraum Abzugspositionen nutzen

Besonderes Augenmerk gilt insbesondere der Berechnung der Abzugspositionen. Das sind die Leistungsbereiche, die zwar in der Dienstart Pflege gebucht werden, aber nicht pflegebudgetrelevant sind. 

Zu den Abzugspositionen ein Beispiel: GemĂ€ĂŸ Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung sind die Kosten fĂŒr Pflegepersonal in ambulanten Leistungsbereichen (z.B. ambulantes Operieren) oder in der Notfallambulanz abzugrenzen, sofern die Kosten in der Dienstart Pflege gebucht und damit in der laufenden Nummer eins des Pflegebudget-Nachweises enthalten sind. Die Abgrenzung ist in AbhĂ€ngigkeit von der krankenhausindividuellen Datenlage vorzunehmen; wobei diese – wenn möglich – anhand von Stundenaufzeichnungen (PrioritĂ€t 1), dem durchschnittlichen Zeitaufwand multipliziert mit der Anzahl (PrioritĂ€t 2) oder durch andere geeignete SchlĂŒssel vorzunehmen sind. 

Was also tun, wenn keine Stundenaufzeichnungen erfasst wurden? Hier muss ein Krankenhaus entscheiden, wie eine geeignete Abgrenzung vorgenommen werden kann. Um den Abzug sachgerecht, aber nicht zu hoch vorzunehmen, sollten verschiedene Möglichkeiten diskutiert werden: Wie hoch ist z.B. der durchschnittliche Zeitaufwand der Pflege je Patient in der Notaufnahme oder bei ambulanten Operationen im betreffenden Krankenhaus? Sind Vergleichswerte aus anderen HĂ€usern bekannt? Da die VergĂŒtung ambulanter FĂ€lle in der Notfallversorgung in der Regel nicht kostendeckend ist, fĂŒhrt ein zu hoher Abzug des Pflegeanteils im Pflegebudget zu einer zusĂ€tzlichen Belastung, die es unbedingt zu vermeiden gilt. 

Hinzurechnungspositionen nutzen

Bei der Berechnung von Hinzurechnungspositionen, also Kosten, die zwar pflegebudgetrelevant sind, nicht aber in der Dienstart Pflege gebucht wurden, ist ebenfalls besondere Sorgfalt geboten. 

Auch zu den Hinzurechnungspositionen ein Beispiel: Sofern ein Krankenhaus Leiharbeitnehmer einsetzt, sind gemĂ€ĂŸ Paragraf 6a Abs. 2 S. 9 KHEntgG nicht die tatsĂ€chlich entstandenen Kosten im Pflegebudget-Testat zu berĂŒcksichtigen, sondern lediglich solche, die bei Personal mit direktem BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnis unter BerĂŒcksichtigung von TarifgehĂ€ltern angefallen wĂ€ren. ErfahrungsgemĂ€ĂŸ gehen viele KrankenhĂ€user hier allerdings pauschal vor und setzen die jeweiligen pflegebudgetrelevanten Durchschnittskosten der Berufsgruppe mit direktem BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnis an. Das ist allerdings zu kurz gedacht, da Leiharbeitnehmer hĂ€ufig auch Zusatzqualifikationen (z.B. Fachkrankenpfleger fĂŒr Intensivpflege) besitzen oder Nacht- bzw. Wochenenddienste ĂŒbernehmen und sich damit höhere Kosten rechtfertigen lassen.

Weitere Tipps fĂŒr GeschĂ€ftsfĂŒhrerinnen und GeschĂ€ftsfĂŒhrer

Durch kleinere Stellschrauben können die pflegebudgetrelevanten Kosten schnell um mehrere Hunderttausend Euro steigen. Mitglieder der GeschĂ€ftsfĂŒhrung im Krankenhaus sollten sicher daher folgende Fragen stellen:

  • Wer verantwortet in ihrem Krankenhaus die Erstellung des Pflegebudget-Testats? Gibt es mindestens zwei dafĂŒr qualifizierte Mitarbeiter, die durch ein Vier-Augen-Prinzip die Gefahr von Übertragungs- und Rechenfehlern minimieren? Findet dazu ein Austausch in interdisziplinĂ€ren Teams statt?
  • Gibt es Besonderheiten in ihrem Krankenhaus, die eine individuelle BerĂŒcksichtigung im Pflegebudget erfordern? Falls ja: Sind Erfahrungen und Rechenwege anderer KrankenhĂ€user bekannt?
  • Sind (strukturelle) Sachverhalte, die sich im vergangenen Jahr in ihrem Krankenhaus geĂ€ndert haben, sachgerecht dargestellt?
  • RĂ€umen sie ihren Mitarbeitern ausreichend Zeit fĂŒr die Erstellung des Pflegebudget-Testats ein, um fĂŒr einzelne Abzugs- bzw. Hinzurechnungspositionen mehrere Szenarien berechnen zu können?
  • Kennen ihre Mitarbeiter alle aktuellen Schiedsstellenentscheidungen zum Pflegebudget und ĂŒberprĂŒfen diese auf Auswirkungen und Optimierungspotenziale fĂŒr das Krankenhaus?

Pflegebudget-Testat als Grundlage der Budgetverhandlung

Das Pflegebudget-Testat ist zudem eine kritische Schnittstelle, die einen entscheidenden Anteil am Erfolg der Budgetverhandlungen hat. Ein aktuelles Gutachten im Auftrag der NiedersĂ€chsischen Krankenhausgesellschaft stellt klar, dass in retrospektiven – also rĂŒckwirkenden – Verhandlungen auch die testierten Kosten und VollkrĂ€fte zu vereinbaren sind. An etwaige Korrekturen in der Verhandlung hat der Gesetzgeber hohe Anforderungen gestellt, die nur bei offensichtlichen Fehlern möglich sind, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei den KostentrĂ€gern liegt.  

Nichtsdestotrotz gilt es, offen auf RĂŒckfragen der KostentrĂ€gern zu reagieren und Vorgehen oder Berechnungsmethodik unter BerĂŒcksichtigung der Gesetzesgrundlagen transparent zu beantworten. Das stĂ€rkt das Vertrauen der Vertragspartner und hilft, auch bei entgegengesetzten Interessenlagen zukunftssichere Budgetvereinbarungen zu schließen. Gleiches gilt selbstverstĂ€ndlich fĂŒr prospektiv gefĂŒhrte Budgetverhandlungen, bei denen dem Krankenhaus der Ist-Kosten-Ausgleich auf das Pflegebudget-Testat zusteht (Paragraf 6a Abs. 2 S. 3 KHEntgG). 

Auf die Wechselwirkungen des Pflegebudget-Testats zu anderen veröffentlichten Krankenhausdaten sollten Verantwortliche besonders achten, um Abweichungen in den Datenlieferungen auszuschließen. 

Alles in allem hat das Pflegebudget-Testat in einem Krankenhaus hohe Relevanz. Daher sollte die GeschĂ€ftsfĂŒhrung ihren Mitarbeitern ausreichend Zeit fĂŒr das Erstellen und PrĂŒfen einrĂ€umen.

Quelle: Marcus UhlÀnder, Budgetverhandler bei consus.health 2024. Thieme.