Die Regierungskommission des BMG hat sich in ihrer zweiten Empfehlung für Tagesbehandlungen im Krankenhaus zur kurzfristigen Entlastung des Gesundheitswesens ausgesprochen. Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach will den Ansatz weiterverfolgen.
Unnötige Übernachtungen bei Klinikuntersuchungen sollen laut der zweiten Empfehlung der Regierungskommission „für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ vom 27. September 2022 wegfallen können. Zukünftig soll die „Tagesbehandlung im Krankenhaus“ im DRG-System abgebildet werden. Dies führe zu mehr Kapazitäten beim Pflegepersonal, wenn Nachtschichten nicht bedient werden müssten, sagte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach am Dienstag in Berlin. Deswegen solle das „ineffiziente System“ geändert werden, dass Abrechnungen bestimmter stationärer Leistungen für Krankenhäuser bisher nur mit Übernachtung möglich sind. Lauterbach begrüßte entsprechende Empfehlungen der Regierungskommission und kündigte gesetzliche Neuregelungen dazu an.
Beispielsweise Krebspatienten kämen oft für vier oder fünf Tage zu speziellen Untersuchungen und Behandlungen in die Klinik. „Aber eigentlich muss man in dieser Zeit gar nicht nachts im Krankenhaus bleiben.“ Dies werde auch in vielen anderen Ländern so gemacht, sei in Deutschland aber bisher bei der Abrechnung als Krankenhausfall nicht möglich. Behandlungen mit eigentlich unnötigen Übernachtungen seien nicht nur selten, sondern seit langem ein zentrales Problem.
Empfehlung zur Abrechnung
Die Tagesbehandlung soll wie bisher als DRG abgerechnet werden. Für die nicht anfallenden Übernachtungskosten soll das Relativgewicht (Bewertungsrelation) der DRG pauschal um 0,04 pro entfallender Nacht gemindert werden, bei einer viertägigen Tagesbehandlung (= 3 Nächte) also zum Beispiel um 0,12. Bei eintägiger Behandlung soll wie bei zweitägiger Behandlung ein Abzug von 0,04 erfolgen. Die wenigen expliziten Ein-Tages-DRGs (ca. 24) sollen wie bisher vergütet werden.
Der Kommissionsvorsitzende Prof. Tom Bschor sagte, Abrechnungsmöglichkeiten ohne Übernachtung trügen unmittelbar zur Entlastung von Pflegekräften bei, frei werdende Nachtschichten könnten dann tagsüber eingesetzt werden. Es verbessere sich auch die Situation der Patienten. „Die allermeisten wollen nicht gerne im Krankenhaus übernachten.“ Die Experten schlagen vor, die neuen Möglichkeiten für Abrechnungen zum 1. Januar 2023 zu schaffen. Geschätzt könnten sie auf etwa ein Viertel aller bisher vollstationär behandelten Fälle zutreffen.
Bei mehrtägigen Tagesbehandlungen sollen sich die Abzugsbeträge addieren. Die Höhe des Abzugs soll auf maximal 30 Prozent der DRG gedeckelt werden, auch wenn die Tagesbehandlung über einen längeren Zeitraum durchgeführt wird. Der Abzugsbetrag für die Übernachtungskomponente in Höhe von 0,04 des Relativgewichts soll normativ pauschal festgesetzt werden und nicht unterschiedlich für die verschiedenen DRGs. Dies ermögliche eine einfache und rasche Umsetzung des Konzepts. Wie bei Pauschalen üblich, werde der Abzug im Einzelfall über oder unter den tatsächlichen Kosten liegen.
Zweite Stufe: Hybrid-DRGs
In einer zweiten Reformstufe, zu der sich die Regierungskommission später differenziert äußern will, soll geprüft werden, inwieweit geeignete DRGs im Sinne von Hybrid-DRGs auch für die Erbringung im vertragsärztlichen Bereich geöffnet werden können. Die Erfahrungen aus der ersten Reformstufe sollen genutzt werden, um zu prüfen, welche Behandlungen bzw. DRGs hierfür in Betracht kommen und welche Qualitätsanforderungen Leistungserbringer aus dem vertragsärztlichen Bereich für die Erbringung welcher Tagesbehandlungen bzw. DRGs erfüllen müssen. Die Vergütung für Tagesbehandlung soll in identischer Höhe erfolgen, unabhängig davon, ob die Leistung durch das Krankenhaus oder Vertragsärztinnen oder -ärzte erbracht wurde.
Keine Lösung aus Sicht der Krankenkassen
Zur Empfehlung der Regierungskommission kommentierte der TK-Vorstandsvorsitzende Dr. Jens Baas: „Der Vorschlag für die Tagesbehandlung im Krankenhaus ist keine Lösung für die in Deutschland notwendige Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen.“ Baas kritisierte, dass Deutschland dringend eine echte Strukturreform der stationären Versorgung benötige. Es gäbe zu viele Krankenhausbetten, zu viele unnötige Operationen, zu wenig Spezialisierung und zu wenig ambulante Operatoinen. Der aktuelle Vorschlag sei dafür aber keine Lösung. „Eine stationäre Behandlung ohne Übernachtung ist noch lange keine Ambulantisierung“, so Baas.
Auch Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, sieht die Ideen nicht als Problemlöser. Bestehende Strukturen würden dadurch zementiert. Die Regierungskommission verschenke erhebliches Ambulantisierungspotenzial, heißt es im Statement. Auch vermisse Stoff-Ahnis die Erweiterung des AOP-Katalogs in der Empfehlung. Diese würde deutlich zur Entlastung der Krankenhäuser und des Klinikpersonals beitragen.
Quelle: dpa/BMG/TK/GKV-SV