Was sich wirklich rechnet – Diese Kliniken machen die Energiewende vor

Zwischen hohen Preisen, steigendem Verbrauch und wenig Sicherheit baut sich für die Kliniken bei der Energieversorgung ein schwieriges Handlungsfeld auf. kma hat vier Häuser befragt, wie sie mit dem Druck im Energiemanagement umgehen und welche Maßnahmen ihnen Stabilität geben.

Ob für die hauseigene Wäscherei, den Betrieb des Intensivbettes oder das einfache Licht im Krankenhausflur – eine durchschnittliche Klinik verbraucht viel Energie. Genauer gesagt planen die Gesundheitsversorger pro versorgtes Bett mit einem jährlichen Verbrauch, der zwei neueren Einfamilienhäusern entspricht, wie die Stiftung Viamedica in ihrem Report 2020 vorrechnet. Wie viel an Energiekosten dann tatsächlich auf eine Klinik zukommt, hängt neben der Bettenzahl aber auch maßgeblich von der baulichen Infrastruktur, der Klinikorganisation, Prozesse und Spezialisierung sowie den Bezugsquellen ihrer Energie ab.

Über die Green HospitalPLUS Initiative

Um die Krankenhäuser unter anderem in der Umstellung ihrer Energieversorgung zu unterstützen hat der Freistaat Bayern 2011 die Initiative Green HospitalPLUS ins Leben gerufen. Neben der Auszahlung von Fördergeldern prämiert die Initiative auch Krankenhäuser. Unter den ausgezeichneten und von kma befragten Häusern befinden sich auch das RoMed Klinikum Rosenheim und die Kreisklinik Ebersberg.

Beide erfüllen die Voraussetzungen der „Green HostpitalPLUS” Prämierung und sind bestrebt, diese auch weiterhin zu halten, denn: Alle fünf Jahre muss man entsprechende Fortschritte nachweisen, um die Auszeichnung zu behalten. Als Vorstufe der „Green HostpitalPLUS” Prämierung zeichnet die Initiative auch Best Practice Krankenhäuser aus. Hierzu gehören seit 2023 auch das Isar Klinikum und das Klinikum Nürnberg, die kma ebenfalls einen Einblick in ihre Strukturen gegeben haben.

Rosenheims Leuchtturmprojekt direkt am Inn

Unser kleiner Rundumblick beginnt Im Klinikum Rosenheim. Hier wurden in den vergangenen Jahren die größten Energiefresser genauer unter die Lupe genommen. Neben der klassischen Umstellung der Beleuchtung auf LED-Leuchtmittel nutzt das Klinikum jetzt auch Lichtlenkungssysteme und Präsenzmelder. Ebenfalls gibt es präsenzgesteuerte Lüftungsanlagen im OP. Auch der Betrieb der Lüftungsanlagen im Bereich der Konferenzräume ist mittlerweile zeitgesteuert, unterstützt durch Frequenzumformer zur bedarfsgerechten Steuerung der Lüftungsanlagen. 

Neben der Verringerung des Energieverbrauchs, war dem Haus auch die Verringerung von Wärmeverlusten ein zentrales Thema. Hierzu installierte das Klinikum in vier Bettenhäusern Fenster mit Wärmeschutzverglasung und dämmte die Dachflächen. Rosenheim hat damit in der jüngsten Vergangenheit also gleich an mehreren bekannten Stellschrauben gedreht.

Zusätzlich dazu nutzt das Krankenhaus aber auch seine Lage für energetische Zwecke, denn: Das Leuchtturmprojekt des Hauses ist die Flusskühlung durch den Inn, der direkt am Klinikum vorbeifließt. Dadurch können seit 2014 rund 77 Prozent der Kälteenergie durch das Flusswasser ­abgedeckt werden, wie Dr. Martina Bielawski, kaufmännische Leiterin des RoMed Klinikums Rosenheim, angibt. „Seit 2017 nutzen wir das Innwasser auch, um unseren Hubschrauberlandeplatz im Winter eisfrei zu halten – und das komplett klimaneutral”, so Bielawski weiter. 

Seit 2017 nutzen wir das Innwasser auch, um unseren Hubschrauberlandeplatz im Winter eisfrei zu halten – und das komplett klimaneutral. 

Aufbauend auf diese Erfolge möchte Rosenheim auch zukünftig in sein Energiemanagement investieren. Um beispielsweise die neuen Prozesse zentral steuern zu können, will das Klinikum die verschiedenen Steuerungsmechanismen bald in einer einzigen Software zusammenzufügen. „Bisher hatte jedes Gewerk eine eigene Software – diese sind als Stand-alone-Lösungen nicht zukunftsfähig,” wie Bielawski erklärt. In Planung ist außerdem eine energieeffizientere Frischwasser-Einspeisung zur zentralen Trinkwassererwärmung, die noch 2024 errichtet werden soll. Die bisherige Warmwasserbereitung ist durch lange Übertragungsstrecken und Speicherungen des Warmwassers mit hohen Verlusten beaufschlagt, wie Bielawski erklärt. Auch sollen die Lüftungslaufzeiten zukünftig durch outlook-basierte Buchungssysteme geregelt werden.

Das Leuchtturmprojekt des RoMed Klinikums Rosenheim ist die Flusskühlung, direkt am Inn.

Kreisklinik Ebersberg setzt auf Photovoltaik

Nur 34 Kilometer vom RoMed Klinikum Rosenheim entfernt, finden wir die ebenfalls Green HospitalPLUS prämierte Kreisklinik Ebersberg. Auch hier setzt die Geschäftsführung in puncto Energiesparmaßnahmen auf eine ganze Reihe von Veränderungen. Allem voran auf sparsame LED-Beleuchtung im ganzen Haus. Auf dem Dach des neuen Personalbaus steht außerdem jetzt eine Photovoltaikanlage, womit das Klinikum Energie für den Eingebedarf erzeugt, berichtet Kommunikationsleiterin Katharina Ober. Eine Erweiterung der Anlage ist schon in Planung unter anderem für die neue zentrale Notaufnahme. Seit Jahresbeginn 2024 beziehe die Klinik zudem ausschließlich Ökostrom aus erneuerbaren Energiequellen, wie vom TÜV Nord überprüft und bestätigt wurde.

Genau wie in Rosenheim spielt die Dämmung der Gebäude eine entscheidende Rolle. Diese wurde während der Sanierung des Hauptgebäudes zielgerichtet verbessert. Beim Fuhrpark setzt die Kreisklinik Ebersberg auf Elektromobilität. Dadurch wird der Energiebedarf zwar nicht geringer, trägt aber dazu bei CO2 Emmissionen einzusparen. Für die Zukunft sieht Ebersberg vor allem Energie-Sparpotenziale im Bereich der Lüftungsanlagen, Beleuchtung, Heizung und Prozesswärme. Anders als in Rosenheim gab es in diesen Bereichen bisher noch keine größeren Anpassungen. 

Rechnet sich das?

Dank des Rundumschlags an Energiemaßnahmen kann das Klinikum in Rosenheim trotz einer deutlichen Vergrößerung des Hauses eine Senkung des Energieverbrauchs um 30 Prozent verzeichnen. In Ebersberg konnten 2023 immerhin satte acht Prozent an Strom im Vergleich zum Vorjahr eingespart werden. Im Bereich Wärme waren es sogar zwölf Prozent.

Andreas Wolf, Verwaltungsleiter des 2023 zum Best Practice Krankenhaus ausgezeichneten Isar Klinikums, ergänzt: „Große Maßnahmen bringen zunächst einen ­erheblichen Investitionsbedarf mit sich, der sich dann erst über die Jahre amortisieren wird. Es hat sich aber auch gezeigt, dass gerade hochwertige, energieeffiziente Geräte längere Produktlebenszyklen haben und somit der Aufwand bei den Ersatzinvestitionen oder Reparaturen gesunken ist.“ Aber auch kurzfristig seien Effekte zu erkennen. „Bei unserer Umstellung auf 100 Prozent Ökostrom konnten wir einen erheblichen Teil der Kostensteigerungen kompensieren, indem wir auf den Stromtarif eines Spotmarktmodells umgestellt haben“, so Wolf. 

Eine Vorher-Nachher-Vergleichsrechnung lässt sich nicht seriös beziffern. 

Isabel Lauer, Pressesprecherin des ebenfalls 2023 als Best Practice prämierten Klinikums Nürnberg, gibt zu bedenken: „Jede einzelne unserer Maßnahmen spart CO2-Ausstoß und verringert unsere laufenden Kosten. Dem stehen jedoch die Investitionen für die Erneuerungsmaßnahmen gegenüber. Eine Vorher-Nachher-Vergleichsrechnung lässt sich bei der Vielfalt der Einzelprojekte und der unterschiedlichen Amortisationsdauer von Anschaffungen nicht seriös beziffern.” Sie ergänzt: „Energieeffizienz gibt es nicht zum Nulltarif.” Für mehr Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität bräuchten besonders die Kliniken in öffentlicher Hand deutlich mehr Unterstützung, erklärt Lauer.

Voraussetzungen für ein gutes Energiemanagement

Für Bielawski ist klar: „Ohne die Rückendeckung der Geschäftsleitung sind größere, investive Maßnahmen nicht möglich.” Hier brauche es Unterstützung, fachlich gut ausgestattete Teams und eine klare Aufgabenzuordnung. Dem stimmt auch Ober zu: „Unser Klimamanager strukturiert Ideen und begleitet Veränderungen professionell. Das hilft, Maßnahmen in verschiedenen Bereichen eines so großen Hauses systematisch, sinnvoll miteinander zu verbinden. Aber letzten Endes empfehlen wir, es einfach anzupacken.” 

Ohne die Rückendeckung der Geschäftsleitung sind größere, investive Maßnahmen nicht möglich. 

Das Isar Klinikum nimmt auch die Mitarbeitenden in den Fokus. In der Klimaretter-Lebensretter-App können diese zum Beispiel tracken, dass sie das Licht in ungenutzten Räumen ausschalten und zielgerichtet und korrekt Heizen. Eine transparente Kommunikation ist wichtig, um die Mitarbeitenden zu motivieren. So verschickt das Klinikum regelmäßig interne Newsletter und berichtet über die umgesetzten Maßnahmen und erzielten Erfolge. „Daneben besuchen wir mit unserem interdisziplinären Green Team mindestens jährlich einen unserer nachhaltigen Lieferanten vor Ort und lernen deren Konzepte detailliert kennen. So stärken wir die Wahrnehmung der Nachhaltigkeit in allen Berufsgruppen und animieren dazu, mitzumachen”, führt Wolf aus. 

Nicht zuletzt hebt Isabel Lauer vom Klinikum Nürnberg hervor, dass man auch viele Impulse aus dem Austausch mit anderen Kliniken ziehen könne. Ihr Rat an alle Krankenhäuser: „Macht euch auf den Weg! Erkennt die Chancen, die nachhaltiges Handeln für den Gesundheitssektor bietet. Chancen für unsere Umwelt, Chancen für unsere Gesellschaft, aber auch Chancen für unseren Krankenhausbetrieb in Versorgung, Forschung und Lehre. Soziale Verantwortung lohnt sich.”

Quelle: Lisa-Marie Hofmann Thieme