Zukunftskonzept gefordert – Die Stadt Köln greift durch

Lange hat die Stadt Köln zugesehen, wie die Verluste bei den Kliniken Köln stiegen. Entscheidende Strukturreformen blieben im politischen Gezerre stecken, eine wirkliche Neuaufstellung ist nicht möglich, solange die Entscheidung über eine Fusion mit dem Uniklinikum nicht vom Fleck kommt. Jetzt soll ein Zukunftskonzept her.

Wenn neue Chefs in krisengebeutelten Unternehmen starten, dann treten sie gerne die Flucht nach vorn an. Nach dem Motto ‚alles muss raus‘ wird jeder Stein umgedreht, nach versteckten Risiken gesucht, die Situation schonungslos beschrieben. Schließlich ist die neue Mannschaft noch nicht schuld, sie ist ja zum Aufräumen gekommen. Auch die Geschäftsführung der Kölner Städtischen Kliniken um die erst im November installierte Sylvia Langer und den Mediziner Prof. Axel Goßmann hat erst einmal die Lage bewertet: „Im Ergebnis dieser Analyse zeigt sich ein dramatisch verschlechtertes Lagebild, aus dem Handlungsbedarf erwächst“, bilanziert sie erwartungsgemäß und lässt die Katze lieber gleich aus dem Sack. Auf rund 90 Millionen Euro werde sich der Fehlbetrag im laufenden Jahr summieren, spekulieren Kölner Medien inzwischen.

Für gewöhnlich reklamieren die neuen Chefs erst einmal eine gewisse Schonfrist, um den Änderungsprozess in Gang zu bringen, der Besserung bringen soll. Aber hier hat Langer, – zuvor Kaufmännische Direktorin am Universitätsklinikum Ulm – Pech: die Geduld des städtischen Trägers ist zu strapaziert, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zieht die Reißleine: „Die von den Kliniken der Stadt Köln prognostizierten zukünftigen Verluste gehen über das finanzwirtschaftlich durch den Haushalt der Stadt Köln dauerhaft leistbare Maß hinaus“, betont sie. 

Der Verlust muss runter auf maximal zehn Millionen Euro im Jahr. 

Ein Zukunftskonzept muss her und zwar schon bis März. Dieser Strategieplan müsse die notwendigen Investitionen umfassen und die aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen berücksichtigen, zum Beispiel den Krankenhausplan für Nordrhein-Westfalen (NRW) sowie die Krankenhausreform des Bundes. Und das Konzept müsse geeignet sein, das Defizit (EBITDA) der Kliniken Köln deutlich zu senken, betont die Stadt. „Der Verlust muss runter auf maximal zehn Millionen Euro im Jahr, das hat die Oberbürgermeisterin sehr deutlich gemacht“, bestätigt Aufsichtsratschef Ralf Unna Medienberichte.

Auf 48 Millionen Euro summierten sich die Verluste der Städtischen Kliniken bereits im Jahr 2020, 62 Millionen Euro waren es dann 2022. Innerhalb weniger Wochen war bereits im März letzten Jahres beinahe die komplette Führungsspitze ausgetauscht worden. Die Stadt Köln muss endlich eine Lösung finden. Die Oberbürgermeisterin werde das Zukunftsmodell nach Beratung im Aufsichtsrat der Kliniken Köln dem Rat der Stadt Köln zur Entscheidung vorlegen, erklärt ihr Sprecher. „Nach entsprechender Beratung und Beschlussfassung werden die nächsten Schritte feststehen“.

Stadt hält an Fusionsplänen fest

Eine Entscheidung muss her, vor allem mit Blick auf die seit Jahren ergebnislos durchdiskutierte Fusion mit dem Kölner Uniklinikum. Die Stadt will den Zusammenschluss unbedingt und noch immer. Durch ihn entstünde mit knapp 3000 Betten und mehr als 15 000 Mitarbeitenden eines der größten Krankenhäuser Deutschlands. Bereits im Herbst 2017 hatte sich OB Reker für ein Zusammengehen ausgesprochen. Von einem Leuchtturmprojekt, einem schlagkräftigen Forschungsverbund, Synergien in der Beschaffung und leichterer Drittmittelakquise schwärmen Befürworter seit drei Jahren. Kritiker allerdings warnen vor der schieren Größe und Unregierbarkeit solcher Konglomerate.

Die Hängepartie erschwere die Personalakquise und die strategische Weiterentwicklung, klagte bereits Langers Vorgänger Holger Baumann im Frühjahr 2022: „Wir brauchen eine Perspektive, der Wartestand zermürbt“. Doch NRW kann sich noch immer nicht zu einer Entscheidung durchringen. Natürlich geht es vor allem um die Frage, wer die Sanierung und die anschwellenden Defizite bezahlen soll. Es drohen neue Belastungen für den Haushalt. Die Landesregierung habe der Stadt Köln und dem Universitätsklinikum Köln eine ergebnisoffene Prüfung der Pläne für das „Universitäre Gesundheitscluster Köln“ unter Berücksichtigung der Chancen sowie der finanziellen und wirtschaftlichen Risiken zugesagt, bestätigt ein Sprecher des NRW-Wissenschaftsministeriums. Unverbindlicher geht es kaum. Zumal sich seit Beginn der Fusions-Debatte Gutachten auf Gutachten türmt.

„Im Herbst 2019 hat der Rat der Stadt Köln die Verhandlungen der OB mit dem Land NRW über das Konzept zum Klinikverbund gebilligt“, kritisiert Unna. „Es gibt unverändert diesen Verhandlungsauftrag des Stadtrats. Wir haben bis heute aber keine belastbare Antwort aus Düsseldorf erhalten.“

Ein Zukunftsprogramm soll es lösen

In einem ersten Schritt habe die Geschäftsführung dem Aufsichtsrat Eckpunkte verschiedener Szenarien mit ihren Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, die wirtschaftlichen Ergebnisse und die Finanzmittelbedarfe der Kliniken dargestellt, teilte Langer vor wenigen Tagen mit. Der Aufsichtsrat habe die Möglichkeiten diskutiert und beleuchtet, welche Optionen – auch vor dem Hintergrund der Krankenhausplanung des Landes NRW und der geplanten Krankenhausreform der Bundesregierung – erfolgversprechend seien. „Das vorteilhafteste Szenario soll in ein Zukunftsprogramm ausgearbeitet und der Oberbürgermeisterin Henriette Reker in ihrer Funktion als Gesellschaftervertreterin vorgestellt werden“, so die Klinik-Geschäftsführung.

Komplette Neuaufstellung

Seit November ist die Gesundheitsökonomin Sylvia Langer die neue Spitzenmanagerin der Kliniken Köln. Sie führt das Haus zusammen mit dem Mediziner Prof. Axel Goßmann. Als anerkannte Expertin für Klinik-Management bezeichnet sie der Aufsichtsratsvorsitzende Ralf Unna. So habe sie beispielsweise das BG Klinikum in Hamburg erfolgreich neu aufgestellt. Daneben kenne sie sich im Bereich der Hochschulmedizin gut aus. Ein Jahr lang, bis zum Juni 2021, war die gebürtige Thüringerin Kaufmännische Direktorin am Universitätsklinikum Ulm.

Die Neubesetzung an der Spitze war notwendig geworden, nachdem im vergangenen Frühjahr vor dem Hintergrund des anhaltenden wirtschaftlichen Drucks binnen weniger Wochen beinahe ihre beinahe die komplette Führungsspitze ausgetauscht worden war. Während Geschäftsführer Holger Baumann offenbar aus persönlichen Gründen ausschied, gingen auch Finanzchef Daniel Brozowski und der Klinische Direktor Prof. Horst Kierdorf. Neben Axel Goßmann, zunächst als neuer Klinischer Direktor, wurde auch der vom Klinik-Beratungsunternehmen Consus entsandte Manuel Berger als Interims-Chief Restructuring Officer neu verpflichtet.

Neben der seit Jahren schwelenden Diskussion über ein Zusammengehen mit dem Kölner Uniklinikum ist es vor allem die schwierige Standortstruktur, die zu Reformen zwingt. Zum schwer lösbaren Problem entwickelte sich die Rivalität der Standorte Merheim und Holweide: Beide sind nur etwas über einen Kilometer voneinander entfernt und nicht ausgelastet. Die Gründe sind in beiden Häusern ähnlich: Der Trend zur Ambulantisierung, der Mangel an Pflegekräften, die bauliche Situation.

Allerdings verfügt Merheim über einen Neubau und damit die bessere Infrastruktur. Die Gebäudesubstanz am Standort Holweide ist sanierungsbedürftig, zu groß für die Nachfrage und produziert deshalb hohe Betriebskosten. Immer wieder werden Lösungsansätze diskutiert, die eine Verlagerung der klinischen Versorgung nach Merheim vorsehen. Vor allem SPD und Linke stemmen sich gegen eine Ausdünnung des Versorgungsangebots auf der sozial schwächeren rechten Rheinseite. „Immer wieder werden Lösungsansätze diskutiert, die eine Verlagerung der klinischen Versorgung nach Merheim vorsehen“, sagt Aufsichtsrat Unna. „Die Gesundheitspolitiker aller demokratischen Parteien laufen aber Sturm gegen eine Ausdünnung des Versorgungsangebots auf der rechten Rheinseite – Bis auf die CDU und FDP sind alle Fraktionen im Rat der Stadt Köln gegen eine mögliche Privatisierung“, so Unna. „Wir werden erneut eine intensive Struktur- und Standortdebatte bekommen“, befürchtet er vor dem Hintergrund der voraussichtlich notwendigen Verlagerungen und Zentralisierungen von medizinischen Leistungen. 

Das wiederholt in den Medien geäußerte Gerücht über eine mögliche Privatisierung ist reine Spekulation. 

Viel Beachtung erlebten zuletzt Gerüchte um einen möglichen Einstieg privater Investoren als Ersatz für den zaudernden Wunsch-Fusionspartner. Doch damit kann sich Reker offenbar nicht anfreunden: „Die Oberbürgermeisterin strebt einen Klinikverbund der Kliniken der Stadt Köln im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft an“, erklärt ein Sprecher. „Dies schließt eine Privatisierung der Kliniken der Stadt Köln aus“. Auch die neue Geschäftsführung wiegelt ab: „Das wiederholt in den Medien geäußerte Gerücht über eine mögliche Privatisierung ist reine Spekulation. Gespräche mit privaten Anbietern sind kein Teil der aktuellen Überlegungen und Planungen; derartige Gespräche finden nicht statt“.

Quelle: Sabine Rößing 2023. Thieme.